Gastronomie Tanja Millius 09.08.2025

Trend «plant-based»: Qualität statt Hype

Pflanzenbasierte Ernährung boomte in den vergangenen Jahren. Doch nun verlangsamt
sich das Wachstum. Ist der Hype vorbei oder beginnt eine neue Phase?
Unternehmer, Wissenschaftler und Gastronomen analysieren die Ursachen
und zeigen, was es braucht, um den Markt weiterzuentwickeln.

Noch vor wenigen Jahren schienen pflanzliche Alternativen klassischen Fleischprodukten den Rang abzulaufen: Beyond Meat und andere Vorreiter verzeichneten Rekordumsätze, Supermärkte und Restaurants erweiterten ihr Sortiment.

Doch inzwischen hat sich das Wachstum verlangsamt. In den USA und in Deutschland kämpfen die Marktführer mit stagnierenden Absätzen, während traditionelle Fleischprodukte dominieren.

In der Schweiz zeigt sich eine ähnliche Entwicklung. Für Pascal Bieri, Mitgründer des Spin-offs «Planted» der ETH Zürich, handelt es sich um eine Marktkonsolidierung und -bereinigung: «Nur die besten Produkte setzen sich durch.» Planted hat sich auf pflanzliches Fleisch nur mit natürlichen Zutaten mittels biologischer Fermentation spezialisiert. Ähnliches beobachtet Alice Fauconnet, Mitgründerin von New Roots, dem Schweizer Marktführer für pflanzliche Käsealternativen: «Der erste Hype ist vorbei, jetzt zählen Qualität und Nachhaltigkeit.»

«Jetzt zählen Qualität
und Nachhaltigkeit.»

Alice Fauconnet, Mitgründerin New Roots

 

Flexitarier als treibende Kraft

Während sich der Markt für rein vegane Produkte stabilisiert hat, wächst die Zahl der Flexitarier – Menschen, die ihren Fleischkonsum bewusst reduzieren. Sie sind entscheidend für die Zukunft pflanzlicher Alternativen, sagt Yasemin Kaufmann von der Hiltl Akademie, dem Kompetenzzentrum für vegetarische und vegane Küche: «Flexitarier wollen hochwertige Alternativen, die geschmacklich überzeugen.» Auch New Roots stellt fest, dass sich der Kundenkreis erweitert hat – heute interessieren sich auch traditionelle Käseliebhaber für die Produkte.

«Pflanzliche Gerichte sind keine Notlösung, sondern bereichern die Küche.»

Yasemin Kaufmann, Hiltl Akademie

Fleisch ist dennoch stark in der Esskultur verankert. Die jüngste Umfrage von GastroSuisse zeigt: Fast 90 Prozent der Mitgliederbetriebe bieten weiterhin regelmässig Fleisch an. Während pflanzliche Gerichte in den Städten auf der Speisekarte zunehmen, bleibt das Angebot in ländlichen Gebieten stabil. «Hier braucht es mehr Aufklärungsarbeit, besonders in der Gastronomie», betont Marcel Bourquin. Er ist CEO der Schweizer Plattform Vegilife, die seit über zehn Jahren ausgewählte pflanzliche Produkte in die Schweiz einführt.

 

Gastronomie als Schlüsselmarkt

Wollen sich Unternehmen mit pflanzlichen Alternativen auf dem Markt durchsetzen, müssen ihre Produkte überzeugen – im Geschmack, in der Konsistenz und hinsichtlich der Verarbeitung. Besonders in der Systemgastronomie sind gleichbleibende Qualität und einfache Handhabung entscheidend. Planted hat früh erkannt, wie wichtig die Gastronomie ist: 40 Prozent des Umsatzes stammen aus diesem Bereich, über 10 000 Gastrobetriebe werden in ganz Europa beliefert. Die Produkte werden gemeinsam mit Köchinnen und Köchen entwickelt und optimiert.

Eine ähnliche Strategie verfolgt das israelische Unternehmen Redefine Meat. Mithilfe von verschiedenen patentierten Technologien, wie z. B. dem 3D-Druck, werden Fettstrukturen und Muskelfasern von Fleisch täuschend echt nachgebildet. Gemeinsam mit internationalen Köchen und Fleischexperten wird kontinuierlich am Geschmack gefeilt. Inzwischen sind die Produkte im DACH-Raum in rund 1000 Foodservice-Betrieben und im Einzelhandel erhältlich.

 

Geschmack, Textur und Preis

Dass die Unternehmen viel in die Produktentwicklung stecken, liegt am hohen Anspruch – besonders von Flexitariern. Ulrich Strünck, Commercial Director DACH von Redefine Meat, bringt es auf den Punkt: «Sowohl beim Schneiden mit dem Messer als auch beim Reinbeissen muss es tierischem Fleisch ähneln. Nur so lassen sich auch hartgesottene Fleischesser von Fleischalternativen überzeugen.»

«Die Qualität entscheidet über den erneuten Kauf.»

Ulrich Strünck, Commercial Director DACH, Redefine Meat

Doch auch der Preis entscheidet über den Erfolg, denn pflanzliche Alternativen sind oft teurer als Fleisch. Planted setzt auf Skalierbarkeit, eine Produktion im grossen Massstab. Die Produktionsstätten in Kemptthal (CH) und Memmingen (DE) sind darauf ausgelegt, grosse Mengen effizient herzustellen. «Wir produzieren alleine in Kemptthal täglich 20 Tonnen pflanzliche Proteine – damit ersetzen wir in einem Tag einen Hof mit 30 000 Hühnern», erklärt Planted-Mitgründer Pascal Bieri.

Auch Redefine Meat setzt auf Skalierbarkeit als Wettbewerbsvorteil. New Roots verfolgt einen anderen Ansatz: «Durch Angebote und die Zusammenarbeit mit Einzelhändlern machen wir unsere Produkte für eine breitere Zielgruppe zugänglich», erklärt New-Roots-Mitgründerin Alice Fauconnet.

 

Innovationen als Treiber

Während viele Start-ups anfangs Fleisch imitierten, geht die Entwicklung heute weiter. New Roots arbeitet an pflanzlichen Hartkäse-Alternativen. Redefine Meat forscht an neuen Muskelstrukturen. Auch Planted entwickelt neue Methoden, um die Textur, den Geschmack und das Mundgefühl weiter zu optimieren – ganz ohne künstliche Zusatzstoffe.

Was heisst das nun für die Gastronomie? Sie sollte den Trend «plant-based» ernst nehmen, meint Yasemin Kaufmann von der Hiltl Akademie. «Es geht nicht darum, Fleisch zu ersetzen, sondern genussvolle Alternativen zu schaffen. Pflanzliche Gerichte sind keine Notlösung, sondern bereichern die Küche.»

 

Tilo Hühn

Leiter des Zentrums Lebensmittelkomposition und -prozessdesign an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, ZHAW

Wie entwickelt sich der Trend «plant-based»? Tilo Hühn erläutert Herausforderungen und Chancen für die Gastronomie.

Warum hat sich das Wachstum pflanzlicher Alternativen in der Schweiz verlangsamt?
Der Markt wächst langsamer, aber stetig. Der erste Hype hat nachgelassen, doch gleichzeitig sind Produkte in Qualität und Geschmack besser geworden. Heute geht es weniger um Neugier als um eine bewusste Entscheidung für nachhaltige Ernährung. Konsumenten sind kritischer und erwarten hochwertige Alternativen.

Welche Rolle spielt die Gastronomie für den Erfolg pflanzlicher Alternativen?
Die Gastronomie ist ein entscheidender Faktor. Während pflanzliche Produkte im Einzelhandel etabliert sind, hängt ihr Erfolg in Restaurants von Kreativität und Qualität ab. Gäste erwarten innovative Gerichte, die nicht einfach nur Fleisch ersetzen, sondern eine eigene kulinarische Identität haben. Spitzenköche und Systemgastronomie tragen dazu bei, pflanzenbasierte Produkte massentauglich zu machen.

Wie reagieren Restaurants auf die veränderten Ernährungsgewohnheiten?
In urbanen Gebieten wächst das Angebot, doch auf dem Land fristen pflanzenbasierte Gerichte noch ein Nischendasein. Viele Gastronomen haben Bedenken hinsichtlich Nachfrage, Lagerung und Zubereitung. Schulungen und bessere Verfügbarkeit hochwertiger Alternativen könnten helfen, pflanzliche Optionen attraktiver zu machen. Erfolgreiche Beispiele zeigen, dass Restaurants von einer breiteren Auswahl profitieren.

Flexitarier gelten als zentrale Zielgruppe. Welche Erwartungen haben diese?
Flexitarier suchen hochwertige Alternativen, die in Geschmack und Konsistenz überzeugen. Sie wollen nicht einfach auf Fleisch verzichten, sondern ein gleichwertiges Geschmackserlebnis. Zudem sind sie oft auf der Suche nach schnellen, unkomplizierten Gerichten. Convenience-Produkte, die ohne grossen Aufwand genussvoll sind, haben hier Potenzial.

Welche Herausforderungen gibt es für pflanzenbasierte Alternativen?
Neben dem Geschmack bleibt der Preis eine Hürde. Viele pflanzenbasierte Produkte sind teurer als Fleisch. Skalierbare Produktion und effizientere Prozesse können helfen, die Kosten zu senken. Auch eine breitere Akzeptanz in der Gastronomie könnte zur Preisreduzierung beitragen. Langfristig müssen pflanzliche Alternativen als kulinarische Bereicherung und nicht als Ersatz wahrgenommen werden.

Aurèle Meyer

Geschäftsleiter Brauerei Locher AG

brewbee: Nachhaltigkeit durch Upcycling

 

Das Start-up brewbee der Brauerei Locher AG in Appenzell verwertet Biertreber – ein Nebenprodukt der Bierherstellung – zu hochwertigen Lebensmitteln. «Unser Ziel ist es, hochwertige Produkte zu entwickeln und dabei Ressourcen in der Bierproduktion effizient und nachhaltig zu nutzen», sagt Geschäftsleiter Aurèle Meyer.

Im Fokus stehen innovative Lebensmittel wie Chips und Ghackets, die aus Biertreber hergestellt werden. «Viele sind positiv überrascht von Geschmack und Qualität», so Meyer.

Seit 2022 arbeitet die Brauerei mit dem Appenzeller Start-up UpGrain zusammen. Im September 2024 wurde in Appenzell Europas grösste Food-Upcycling-Anlage in Betrieb genommen. Sie verarbeitet jährlich bis zu 25 000 Tonnen Biertreber zu Protein- und Ballaststoffpulver für die Lebensmittelindustrie. Dadurch sinken die CO₂-Emissionen der Brauerei um über 5500 Tonnen pro Jahr. «Wir werden so zur weltweit ersten Brauerei, die nahezu 100 Prozent ihrer Ressourcen upcycelt», so Meyer stolz.

 

catchfree – Pflanzliche Meeresfrüchte für bewussten Genuss

2024 gründeten die HSG-/ETH-Absolventen Severin Eder und Eddy Müller das Schweizer Start-up catchfree, um pflanzliche Alternativen zu Fisch und Meeresfrüchten zu entwickeln. «Fischerei belastet unsere Meere stark und Aquakulturen verwenden häufig Chemikalien. Mit catchfree wollen wir zeigen, dass Genuss, Verantwortung und Qualität Hand in Hand gehen», erklärt Severin Eder.

Ein Schwerpunkt liegt auf der Gastronomie. Die Produkte lassen sich nahtlos in bestehende Rezepte integrieren. «Unsere pflanzlichen Shrimps sind vielseitig – ob gebraten, frittiert oder gegrillt. Sie bieten Köchen eine einfache Möglichkeit, ihre Speisekarten mit ressourcenschonenden Optionen zu bereichern», so Eder.

Catchfree setzt auf ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit. «Unsere pflanzlichen Shrimps verursachen bis zu 90 Prozent weniger CO₂ als tierische Alternativen und kurze Lieferketten minimieren den ökologischen Fussabdruck», betont Eder.

In Zukunft plant das Unternehmen, weitere pflanzliche Alternativen zu Meeresfrüchten herzustellen sowie den Einsatz von Mikroalgen.

Mehr pflanzliches auf dem Teller - Die Tipps der Hiltl-Akadamie

  • Schrittweise Umstellung: Mit bekannten Gerichten beginnen und pflanzliche Alternativen als Ergänzung anbieten.
  • Hochwertige Zutaten verwenden: Natürliche, geschmacksintensive Zutaten überzeugen die Gäste.
  • Köche schulen: Professionelle Schulungen helfen, pflanzliche Gerichte kreativ und ansprechend zu gestalten.
  • Marketing nutzen: Transparente Kommunikation über Nachhaltigkeit und Qualität spricht bewusste Konsumenten an.
  • Flexibilität bewahren: Verschiedene Zubereitungsarten testen, um unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen.

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Autorin: Tanja Millius