Gastronomie Tanja Millius 22.10.2025

Zug um Zug zum guten Geschmack

Essen auf Schienen wandelt sich: weniger Fleisch, mehr Regionalität, smartere Prozesse. Elvetino, eine Tochtergesellschaft der SBB, und die Deutsche Bahn zeigen, wie aus der Bordküche ein zukunftsfähiges Konzept wird – für zufriedene Gäste und weniger Belastung für Umwelt und Ressourcen.

Weisse Tischtücher, dampfender Kaffee, vor dem Zugfenster zieht die Landschaft vorbei: Der Speisewagen ist für Daniela Corboz, CEO der SBB-Tochter Elvetino, ein «Schmelztiegel auf Rädern». Hier begegnen sich Pendler, Wandergruppen, Geschäftsreisende und Familien – mit ganz eigenen Vorstellungen davon, was auf den Teller gehört. «Wir bei Elvetino nehmen diese Herausforderung sportlich – und nachhaltig! Unser Rezept Schweizerische, regionale und saisonale Zutaten, weniger Food-Waste und mehr pflanzliche Optionen», sagt Corboz.

Regionalität und saisonale Küche

So liefert kein zentraler Anbieter die Gipfeli für das Frühstück, sondern 14 regionale Bäckereien aus der ganzen Schweiz – je nachdem, auf welcher Strecke der Zug unterwegs ist. Die Speisekarte wird viermal jährlich überarbeitet, um saisonale Gerichte besser einzubinden. Auch bei den Hauptgerichten spielt Vielfalt eine zentrale Rolle. Vegane Varianten von Klassikern wie Thai-Curry oder Boeuf Stroganoff wurden aufgenommen, weil Gäste laut Umfragen verstärkt pflanzenbasierte Gerichte erwarten. «Unsere Kunden möchten ein breites, ausgewogenes Angebot, das auch pflanzliche Optionen einschliesst», so Corboz, und ergänzt: «Mit diesen Gerichten konnten wir sogar eingefleischte Fleischesser überzeugen.»

 

Weniger Abfall, mehr Schweizer Qualität

Für Daniela Corboz spielt die Ressourcenschonung eine Schlüsselrolle im gastronomischen Konzept von Elvetino: «Seit mehreren Jahren nehmen wir am Programm ‹Swisstainable› teil und verpflichten uns zu einer kontinuierlichen sowie umweltfreundlichen Unternehmensführung.»

 

«Unsere Gäste sollen
Schweizer Qualität auf
dem Teller wiederfinden.»

Daniela Corboz, CEO Elvetino

In den rund 170 rollenden Restaurants reagiert Elvetino mit dynamischer Bestandsanpassung auf die Auslastung und Nachfrage. «Wir akzeptieren auch gelegentlich, dass gewisse Menus im Laufe des Tages ausverkauft sind, um Abfälle zu verringern», betont Corboz. Auch beim Verpackungsmaterial achtet Elvetino auf Umweltverträglichkeit. Das Take-away-Geschirr besteht aus FSC-zertifiziertem Karton mit einer Beschichtung aus pflanzlichem Biokunststoff. Es ist fett- und wasserabweisend sowie für warme wie kalte Speisen geeignet. Produkte mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum
werden sozialen Einrichtungen übergeben, statt sie zu entsorgen. Eine Herausforderung bleibt dennoch: «Wir müssen aus hygienischen Gründen jedes Gericht separat verpacken – und diese Verpackungen sind nicht ausreichend umweltschonend. Da suchen wir noch nach der optimalen Lösung»,erklärt die Elvetino-Chefin.

Obwohl die Produkte aus der Schweiz oft teurer sind, bleibt Elvetino lokalen Partnern treu. «Unsere Gäste sollen Schweizer Qualität auf dem Teller wiederfinden», sagt Daniela Corboz. Ein ausgewogener Produktmix soll helfen, Preissteigerungen im Sortiment abzufedern.

 

Vielfalt und neue Erwartungen

Auch bei der Deutschen Bahn ist der Wandel in der Zuggastronomie spürbar. «Viele unserer Gäste legen Wert auf frische, lokale und umweltfreundliche Produkte», beobachtet Philip-Nicolas Schaaf, Leiter Produkt und Logistik bei DB Fernverkehr. «Das macht Auswahl, Beschaffung und IT-Anforderungen komplex.» Hinzu kommt der Anspruch, mit begrenztem Budget hochwertige Speisen bereitzustellen – eine Herausforderung, die kreative Lösungen und effiziente Betriebsabläufe verlangt. Auch bevorzugt der Gast im ICE heute tageszeitunabhängige Snacks sowie Speisen, die unterwegs praktisch, schnell und einfach zu konsumieren sind.

 

Die Hälfte des Sortiments bei der Deutschen Bahn (DB) ist heute bereits vegetarisch, vegan oder in Bioqualität. Neben Klassikern wie Chili sin Carne oder gelbem Linsencurry fanden sich schon Bananenbrot oder ein «Veggie Bagel» mit geräucherten Steckrüben auf der Speisekarte. Die Teilnahme am weltweiten Veganuary ermutigt dazu, im Januar pflanzlich zu essen. «Das bringt jedes Jahr neue Ideen aufs Menu der DB», so Schaaf.
 

«Die Bahn ist das Verkehrsmittel
für alle – das soll sich im Speiseangebot widerspiegeln.»

Philip-Nicolas Schaaf, Leiter Produkt und Logistik bei DB Fernverkehr

Lokal und ressourcenschonend

Der regionale Gedanke wird bei der Deutschen Bahn nicht nur umgesetzt, sondern auch kommuniziert. «2023 haben wir das gesamte Jahr über Produkte von lokalen Produzenten angeboten und sie direkt in derSpeisekarte vorgestellt – das kam bei unseren Gästen sehr gut an», freut sich Philip-Nicolas Schaaf. Erst kürzlich stand ein Cheeseburger mit Fleisch aus der Uckermark auf der Karte. Und die Weine? Die stammen seit vielen Jahren nur noch aus Deutschland – und seit einiger Zeit auch der Gin. Statt Gin aus Schottland zu importieren, bezieht die Deutsche Bahn ihn heute aus Bonn. «Lokaler geht es für uns als deutschlandweit agierendes Unternehmen nicht», so Schaaf.

Food-Waste reduziert die Deutsche Bahn mithilfe konsequenter Digitalisierung. «Heute können wir Produkte genauso lange anbieten, wie der Vorrat reicht», so Philip-Nicolas Schaaf. Die digitale Speisekarte macht es möglich, einzelne Gerichte bei Bedarf tagesaktuell zu entfernen oder zu ergänzen. «Je besser wir unser Angebot an den Vorlieben unserer Fahrgäste ausrichten, desto grösser ist die Chance, dass wir die Speisen verkaufen», erklärt Schaaf. Nicht verkaufte Produkte gehen an die Tafel Deutschland e.V. – ein gelebter Teil des Kreislaufgedankens.


Mehrweg und Materialeffizienz

Bei der Verpackung und der Ausstattung achtet die DB ebenfalls darauf, Ressourcen zu schonen. «Klimaund Umweltschutz sind feste Bestandteile unserer Unternehmensstrategie ‹Starke Schiene›», sagt Schaaf. Fast alle Getränke werden im Mehrwegsystem serviert, und auch beim technischen Equipment achtet die DB auf Langlebigkeit und Wiederverwertbarkeit.
 

Diese Strategie hat ihren Preis und deshalb ist für Philip-Nicolas Schaaf eine gute Kommunikation gegen aussen unabdingbar: «Wenn nachvollziehbar ist, warum ein Produkt etwas mehr kostet – etwa, weil es fair oder biologisch produziert ist – ist die Zahlungsbereitschaft der Gäste auch da.»

Gemeinsamer Anspruch – unterschiedliche Akzente

Sowohl Elvetino als auch die Deutsche Bahn richten ihre Zuggastronomie konsequent auf die Bedürfnisse der Fahrgäste aus. Für die Deutsche Bahn steht laut Schaaf die Weiterentwicklung zu einem noch vielfältigeren, flexibleren und bewussteren Angebot im Fokus. Die Bordgastronomie der Zukunft soll gesund, digital steuerbar, ressourcenschonend und erlebnisorientiert sein – und gleichzeitig alle Zielgruppen ansprechen. «Die Bahn ist das Verkehrsmittel für alle – und genau das soll sich auch im Speiseangebot widerspiegeln.»

Auch für Daniela Corboz ist der Erlebniswert des Zugrestaurants ein wichtiger Faktor, gerade im Fernverkehr. «Der Speisewagen soll weiterhin das Highlight jeder Bahnreise bleiben. Die Qualität unserer Speisen und Getränke steht dabei an oberster Stelle.» Gleichzeitig beobachtet die CEO eine Verschiebung im Konsumverhalten: «Schnellere Gerichte und Snacks erhalten einen höheren Stellenwert. Hier werden wir uns künftig leicht anpassen müssen.»

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Autorin: Tanja Millius