Algen werden seit Jahrtausenden in verschiedenen Küchen der Welt als Nahrungs- und Heilmittel verwendet. Während sie in Asien, vor allem in Japan, Taiwan und Korea, nie ihre Wichtigkeit in der Ernährung verloren haben, führten Algen in unseren Breitengraden bis vor wenigen Jahren ein Schattendasein. Zu Unrecht, wie Madlen Witzig, Mitgründerin der Simply Seagreens GmbH, weiss, schliesslich wurden Algen vor langer Zeit entlang der gesamten Atlantikküste, aber auch in Skandinavien, Grossbritannien und an der Nordsee geerntet und gegessen.
«Meeresalgen enthalten eine
hohe Zahl an Vitaminen,
Mineral- und Ballaststoffen,
aber auch Proteine.»
Früher wurden Algen in der Bretagne vorwiegend zur Herstellung von Magnesium und Jod verarbeitet. Heute findet das Meeresgemüse den Weg in unzählige Pharma- und Kosmetikprodukte. «Mit dem Bewusstsein für eine nachhaltige, gesunde und vegetarisch-vegane Ernährung ist das Interesse an Meeresalgen auch in Europa wieder gestiegen », sagt Madlen Witzig.
Viele Mineralstoffe und Spurenelemente
«Meeresalgen haben eine sehr hohe Nährstoffdichte», erklärt Madlen Witzig. «Sie enthalten eine hohe Zahl an Vitaminen, Mineral- und Ballaststoffen, aber auch Proteine.» Deshalb seien sie eine wichtige Beilage in einer ausgewogenen und leichten Küche und liefern darüber hinaus ein würziges, geschmackvolles Aroma in Eintopfgerichten, Suppen, Salaten oder als Apéro-Snack.
«Weltweit werden rund
500 Algenarten gegessen,
davon sind 160 wirtschaftlich
von Bedeutung.»
Neben Vitamin A, B und C stecken in den Meeresgemüsen Kalzium, Magnesium, Eisen, Phosphor, Kalium und Jod. Weil sie ausserdem als Eiweissquelle dienen, können sie als vegetarische oder vegane Kost die Nahrungsaufnahme ergänzen.
«Algen können für einen gut funktionierenden Stoffwechsel, ein starkes Immunsystem sowie das Wachstum und die Entwicklung unseres Körpers sorgen», sagt die 49-jährige TCM-Ernährungsberaterin.
Algen als Nahrungsmittel
Algen lassen sich primär in zwei Gruppen einteilen: Die grossblättrigen Makroalgen, die bis zu 60 Meter lang werden können, und die winzig kleinen Mikroalgen. «Während Makroalgen oft in ihrer ursprünglichen Form als Wakame-Salat oder Nori als Zutat bei Sushi verarbeitet werden, findet man Mikroalgen häufig als Bestandteil in Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetika», erklärt Madlen Witzig. Entsprechend ihrer Färbung teilt man sie in braune, rote und grüne Algen ein. «Weltweit werden rund 500 Algenarten gegessen, davon sind 160 wirtschaftlich von Bedeutung », ergänzt die Bernerin.
Sushi ist inzwischen auch in der Schweiz beliebt. Dennoch sind Algen auf dem Teller noch ziemlich exotisch und ihr typisches Aroma mögen nicht alle. Die Produktpalette reicht von Nahrungsergänzungsmitteln, Nudeln, Brot, Snacks und Süssigkeiten bis hin zu Getränken.
Nicht jede Sorte ist für den Verzehr geeignet
«Algen werden als Geschmacksverstärker in Suppen und Eintopfgerichten verwendet», sagt Madlen Witzig. Die meisten Algen eignen sich ausserdem für Salate. Während die Sea Spaghetti mit Nudeln und Gemüse in einem Nudel-Eintopf oder bunten Nudelsalat zubereitet werden kann, macht ein Stück Kombu Bohnen oder Linsen bekömmlicher für die Verdauung.
«Viele Algen bereichern
Gerichte durch ihren
Geschmack, ihre Farbe
und Konsistenz.»
Die Alge gibt Geschmack und Salz beim Kochprozess ab und kann zum Schluss fein geschnitten als Gemüse mit den Hülsenfrüchten gegessen werden. «Viele Algen bereichern Gerichte durch ihren Geschmack, ihre Farbe und Konsistenz», sagt Madlen Witzig. Wichtig sei zu wissen, woher die Algen stammen und dass sie in sauberen Gewässern geerntet werden. Bei einer Überfunktion der Schilddrüse ist Vorsicht geboten, so die Ernährungsberaterin, da Algen jodhaltig sind, sollte mit dem Arzt geklärt werden, ob, wie viele und welche Sorten gegessen werden dürfen. Zwar wären die meisten Algen essbar, jedoch schmecken viele nicht. «Einige Sorten sind aber auch toxisch», sagt Madlen Witzig. «Daher ist es nicht ratsam, Algen ohne Fachwissen aus Gewässern zu ernten und zu essen. Ähnlich wie bei Pilzen oder Beeren auch.»
Wer übrigens glaubt, er oder sie werde niemals Algen verspeisen, dem sei gesagt: Sie oder er hat es schon längst getan. Glacé, Pudding, Joghurt sind nur einige Lebensmittel, die mit Algenprodukten wie Alginat, Agar-Agar und Carragen hergestellt werden, weiss die Ernährungsberaterin. Man solle seiner Kreativität freien Lauf lassen und das Superfood als Gewürz und Geschmacksverstärker in der Küche verwenden. «Obwohl sich Algen auf unzählig verschiedene Arten zubereiten lassen, sind sie in der hiesigen Gastronomie noch nicht stark verbreitet», sagt Madlen Witzig.
Schmeckt nach Meer, aber nicht fischig
Christine Syrad hat ihre halbe Kindheit in Japan verbracht und ist mit Algen aufgewachsen. Seit 2005 lebt sie in Europa und verwendet das Meeresgemüse regelmässig in der Küche. «Ich schätze die verschiedenen Geschmacksrichtungen und Texturen, die unterschiedliche Algen bieten», sagt die Köchin und Fermentationsspezialistin.
«Sie schmecken etwas
nach Meer, aber ich würde
behaupten, dass sie nicht
fischig sind.»
Die 35-Jährige aus Twann (BE) glaubt nicht, dass der Verwendung von Algen in der Küche Grenzen gesetzt sind. «Sie schmecken etwas nach Meer, aber ich würde behaupten, dass sie nicht fischig sind», sagt Christine Syrad. Algen seien ähnlich wie Fenchel und haben auch einen ausgeprägten Geschmack. Man könne sie nicht mit allem mischen, aber wenn man die Geschmackspaarungen sorgfältig abwägt, können Algen im Kochrepertoire reichlich vorkommen. So kocht die Japanerin Kombu-Algen in Sojasauce und Mirin und isst sie mit Reis. Nori-Flocken verarbeitet sie zu einer Paste, die sie mit Reis oder Nudeln isst, Wakame gibt sie in die Miso-Suppe und in Sommersalate, wie jedes andere Blattgemüse auch. «Ich liebe es, Nori-Paste herzustellen und sie mit ungesalzener Butter auf Toast zu streichen», verrät die Köchin. «Dann brate ich ein Ei und lege es darauf.» Dies höre sich etwas verrückt an, schmecke aber himmlisch.
Mit Mikroalgen gegen den Welthunger
«Good for you and our Planet» – nach diesem Grundsatz stellt die Firma Alver nachhaltige und nährstoffreiche Lebensmittel aus Mikroalgen her. Die Mitgründerin Mine Uran führte unter anderem Teams bei Unilever, DuPont und schliesslich als Head of Protein bei Nestlé. «Algen sind ein Superfood», sagt die weltweit anerkannte Proteinexpertin, «leider werden die herkömmlichen Algen wegen ihres starken Geschmacks und ihrer Farbe nur von wenigen Menschen verspeist.»
«Golden Chlorella weist
eine revitalisierende und
belebende Wirkung auf
den Organismus auf.»
Alver mache mit seiner Erfindung der geschmacks- und farbneutralen Golden Chlorella das Superfood für jeden zum Genuss. Golden Chlorella sei ein wahrer Cocktail an gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen. Sie verfüge beispielsweise über starke Antioxidantien, die freie Radikale bekämpfen und so die Zellalterung hinauszögern und dadurch auch das Krebsrisiko verringern können. Ihre antibiotische, antiinfektive und antivirale Wirkung stärke das Immunsystem und schütze Menschen vor Erkältungen, Grippe und Entzündungen. «Darüber hinaus weist die Mikroalge eine revitalisierende und belebende Wirkung auf den Organismus auf, da sie die Produktion der roten Blutkörperchen anregt», sagt Mine Uran. Ausserdem sei die Chlorella-Alge für ihre reinigende Wirkung bekannt und unterstütze den Körper dabei, sich von Abfallstoffen, Schwermetallen und Pestiziden zu befreien.
«Mikroalgen produzieren
etwa 50 Prozent des
atmosphärischen Sauerstoffs
und nutzen gleichzeitig
Kohlendioxid.»
Mikroalgen produzieren eine Vielzahl hochwertiger Substanzen wie Vitamine, essenzielle Fettsäuren und Aminosäuren sowie Antibiotika und pharmazeutisch wirksame Stoffe. «Der Proteingehalt liegt bei 60 Prozent, der Energiegehalt beträgt etwa 290 kcal/100 g», sagt Mine Uran. Als landwirtschaftliches Produkt seien Mikroalgen ebenfalls sehr interessant. Der Ertrag pro Hektar sei bis zu 25 Mal höher als bei etablierten Gemüse- oder Getreidepflanzen. «Dies liegt vor allem an den extrem hohen Wachstumsraten, der hundertprozentigen Verwertbarkeit der Biomasse und den kurzen Erntezyklen von gerade einmal 25 Tagen», informiert die Expertin.
Dem Treibhauseffekt entgegenwirken
‹Alver›, was in altnordischer Sprache Elfe bedeutet, setzt sich zum Ziel, einen Beitrag zur gesunden Ernährung der stetig wachsenden Weltbevölkerung zu leisten. «Wir sind davon überzeugt, dass nur ökologisch erzeugte und nährstoffreiche Lebensmittel den Verbrauch von Wasser und landwirtschaftlicher Nutzfläche wirkungsvoll senken können», sagt Mine Uran. Beispielsweise werde bei der Herstellung von Golden Chlorella im Vergleich zu Rindfleisch 85 Prozent weniger Wasser verbraucht und im Vergleich zu Sojaprotein 97 Prozent weniger Ackerland benötigt. Zudem wird 93 Prozent weniger CO² ausgestossen. «Mikroalgen produzieren etwa 50 Prozent des atmosphärischen Sauerstoffs und nutzen gleichzeitig das Treibhausgas Kohlendioxid», sagt die 58-jährige Gründerin. Während die Produktion von Mikroalgen in geschlossenen Anlagen unter Nachhaltigkeitsaspekten noch problematisch sei – die Bioreaktoren benötigen viel Energie für Heizung, Kühlung und Belüftung –, überwiegen bei der Makroalgenzucht ökologische Vorteile. «Einerseits wachsen die grossen und langen Algen im Meer und benötigen weder fruchtbaren Boden noch Süsswasser, andererseits beanspruchen sie zum Wachsen keine Pestizide und Düngemittel», sagt die Expertin. Aquakulturen von Meeresalgen bieten zumindest in der Theorie das Potenzial, dem Treibhauseffekt und der Versauerung der Meere und dementsprechend dem Klimawandel entgegenzuwirken. Ausserdem könnten sie in Zukunft einen Beitrag leisten, indem erdölbasierte Produkte durch Biokunststoffe auf Algenbasis ersetzt werden.
Heute Superfood, morgen super selten?
Algen wachsen sehr schnell nach, weiss Madlen Witzig. Deshalb lohne es sich, sie nachhaltig in einem gesunden Mass zu ernten, denn unerschöpflich seien sie nicht. Damit den Algen nicht dasselbe Schicksal blüht wie den Fischen, dürfen die Ozeane nicht weiter übersäuern und mit Plastik vermüllt werden. «Noch beziehen wir Algen, die wild geerntet werden», sagt Madlen Witzig. «In Norwegen, Frankreich oder auch Spanien entstehen immer mehr Farmen, die das Meergemüse an Seilen in Meeresbuchten züchten.» Die Pflanzen wachsen entlang der Seile und können je nach Grösse und Erntesaison geschnitten werden.
«Obwohl bereits viele
verschiedene Forschungsprojekte
zur Verwendung von Algen laufen,
sind wir erst am Anfang.»
Dadurch blieben die weltweiten Algenbestände gesichert und lange Lieferwege fielen weg. Madlen Witzig ist überzeugt, dass sich Algenprodukte in absehbarer Zukunft weiter in unseren Alltag drängen, sei es als Nahrungsmittel, Kosmetika, Düngemittel, Textilien oder gar als Energielieferanten. «Obwohl bereits viele verschiedene Forschungsprojekte zur Verwendung von Algen laufen, sind wir erst am Anfang», sagt die 49-Jährige, «In den nächsten Jahrzehnten werden noch viele neue Erkenntnisse gewonnen werden. » Ob das grüne Wunder aus dem Ozean erhalten bleibt und sowohl dem Titel Superfood als auch Klimaretter gerecht wird, lässt sich heute aber noch nicht abschliessend sagen.