Homeoffice im Ferienparadies - Workation macht‘s möglich
Hotellerie Benjamin Schmid 14.10.2022

Homeoffice im Ferienparadies - Workation macht‘s möglich

Nach dem Arbeiten von zu Hause aus wird mit Workation das Arbeiten an einen Urlaubsort verlegt. Der Tapetenwechsel befreit Körper und Geist, steigert due Arbeitsleistung sowie die Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Aber auch für Hotels bietet er viel Potenzial.

Mit dem Corona-Lockdown griff das Homeoffice flächendeckend um sich. Heute ist es nach Meinung vieler Experten in der Arbeitswelt etabliert. Und schnell erkannten die Arbeitnehmenden, dass der räumlichen Verlagerung des Arbeitsplatzes keine Grenzen gesetzt sind. Wenn man von zu Hause arbeiten kann, dann funktioniert es ebenso gut von den Rocky Mountains, den Malediven oder vom Krüger Nationalpark in Südafrika aus. Bleisure oder Workation? «Unter Bleisure oder Workation versteht man die Verbindung von Arbeit und Freizeit», erklärt Deborah Luetolf, Gründerin der Workplayz AG.

«Wir haben alle gelernt,
welche Vorteile und
Freiheiten ein Arbeitsort
weit weg vom Büro bringt.»

Deborah Luetolf
Gründerin der Workplayz AG

Während Bleisure ein Wortspiel aus «Business» (Beruf) und «Leisure » (Freizeit) ist, wird Workation aus den beiden Begriffen «Work» (Arbeit) und «Vacation» (Urlaub) zusammengesetzt. «Oft werden die Begriffe vermischt, allerdings sind die Reisegründe unterschiedlich», erklärt die 39-jährige Niederländerin. Beim Bleisure gehe es um Geschäftsreisende, die noch einige Tage Urlaub anhängen und erst danach wieder nach Hause reisen. Bei Workation handele es sich vielmehr um das Arbeiten von einer Feriendestination aus.

Flexibles Arbeiten gewinnt an Wichtigkeit «Durch den Wertewandel der Gesellschaft hat das flexible Arbeiten an Bedeutung gewonnen», sagt Deborah Luetolf. Vor allem Millenials und die Generation Z seien bestrebt, ihre Work-Life-Balance ausgewogen zu gestalten. Vielen reiche es nicht mehr, sich nur auf die Arbeit zu konzentrieren. Das Familienleben und die Freizeit hätten ebenso einen hohen Stellenwert, weshalb Modelle, die Arbeit und Urlaub vereinen, immer gefragter würden. «Wir haben alle gelernt, welche Vorteile und Freiheiten ein Arbeitsort weit weg vom Büro bringt», so die Expertin. Bleisureund Workation-Reisen seien ein Mittel, um mehr aus einer Reise herauszuholen und das Reisen allgemein nachhaltiger zu machen. Denn statt nach der Geschäftsreise nochmals mit der Familie zu verreisen, lässt sich dank Bleisure beides in einem verbinden.

«Nahegelegene Workation-
Ziele gewinnen an Bedeutung
und die Ansprüche an
Unterkunft, Büroausstattung
und Verpflegung steigen.»

Deborah Luetolf

Während sich Bleisure vor allem für Personen in der Chefetage oder für Arbeitnehmende lohnt, die mehrmals im Monat geschäftlich verreisen müssen, richtete sich Workation in seinen Ursprüngen zunächst ausschliesslich an digitale Nomaden wie Soloselbstständige, Freelancer oder Blogger, die teils über Monate auf Reisen gearbeitet haben. «Mittlerweile spricht Workation Arbeitende aus unterschiedlichsten Bereichen an», sagt Deborah Luetolf. «Nahegelegene Workation-Ziele gewinnen an Bedeutung und die Ansprüche an Unterkunft, Büroausstattung und Verpflegung steigen.»

Einen Blick über den Tellerrand werfen
Das ungewohnte Umfeld am Urlaubsort spricht unterschiedliche Sinne an, ermöglicht den Ausbruch aus der vertrauten Umgebung und schafft so eine ideale Basis für neue kreative Gedanken. Diese neuen Reiseund Arbeitsformen sind gemäss Deborah Luetolf für alle, die ortsunabhängig arbeiten können, geeignet. Darüber hinaus eigne sich Workation vor allem für Personen, die sich gerne mit anderen austauschen und die sich flexibel auf ein neues Umfeld einstellen können und wollen. Durch den Austausch mit anderen Menschen entstehen neue Ideen, Netzwerke werden ausgebaut und es lässt sich ein besserer Blick über den Tellerrand werfen.

«Unternehmen können sich mit dem Anbieten von Workation und Bleisure als attraktive Arbeitgeber positionieren», sagt Deborah Luetolf. Workation ermögliche es Unternehmen, aus gewohnten Abläufen auszubrechen und so zu Ergebnissen ausserhalb des bisherigen Erfahrungshorizontes zu gelangen, Mitarbeitende zu motivieren und den Zusammenhalt im Team zu fördern. «All dies kann und wird zu einem besseren Arbeitsergebnis führen», ist sich Deborah Luetolf sicher.

Dezentrales Arbeiten als lukrative Chance
Gemäss Onna Rageth, wissenschaftliche Projektmitarbeiterin am Institut für Tourismus und Freizeit (ITF) der Fachhochschule Graubünden in Chur, gewinnen Arbeitsmodelle, die zeitlich flexibel und ortsunabhängig sind, künftig immer mehr an Bedeutung, dies vor allem für sogenannte «Knowledge Worker», Wissensarbeiter, deren Hauptkapital Wissen ist: «Die Entwicklung von sogenannten Distributed Work Models, also ortsunabhängigem Arbeiten angepasst an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden, sowie das konkrete Festhalten solcher Bestimmungen in Homeoffice-Reglementen sind in der Schweiz noch nicht flächendeckend erfolgt.

«Touristische Destinationen
können vom zeit- und
ortsunabhängigen
Arbeiten profitieren.»

Onna Rageth
wissenschaftliche Projektmitarbeiterin am ITF

Sie könnten aber in Zukunft immer wichtiger werden.» Da die Bedeutung der Work-Life-Balance nicht an Aktualität verlieren werde, müssten Unternehmen mehr denn je darauf achten, dass ihre Mitarbeitenden physisch und mental gesund bleiben, so Onna Rageth. Das könne durch individualisierte Workation- Packages, die gezielt Ferien mit Arbeitszeiten kombinieren, unterstützt werden. Darüber hinaus stärke die Förderung sowie die Flexibilisierung von Heimarbeit durch die Arbeitgebenden die Wirtschaft. Beispielhaft aufgezeigt an Müttern und Vätern, die dadurch tendenziell einfacher in den Arbeitsmarkt zurückkehren können. Obwohl Homeoffice-Reglemente in vielen Unternehmen implementiert worden sind, sei die Bandbreite zwischen «klar definiert» und «individuell auszuhandeln » gross. Der Antrieb, ortsunabhängig zu arbeiten, müsse von den Mitarbeitenden kommen. «Touristische Destinationen können in einer Zeit, in der die Notwendigkeit von Büros vor allem auf Seiten der Arbeitnehmenden zunehmend in Frage gestellt wird, vom zeit- und ortsunabhängigen Arbeiten profitieren», sagt die Wissenschaftlerin. Auf der anderen Seite biete sich Tourismusdestinationen auch die Möglichkeit, sich bewusst gegen Workation/Bleisure Travel zu entscheiden und somit auf die Bereitstellung von Erholung, Entspannung und Flucht aus dem Alltag zu setzen. «Eine Art Digital-Detox-Tourismus anzubieten, kann durchaus auch geschäftsfördernd sein», sagt Onna Rageth, «gerade hinsichtlich der zunehmenden Verschmelzung von Arbeit und Freizeit, die eine gefährliche, gesundheitsschädliche Effizienz zur Folge haben könnte.» 

 

Die Hotellerie könnte vom Trend zum ortsunabhängigen Arbeiten profitieren, wenn dadurch attraktive Übernachtungsangebote geschaffen werden, die Anreize für Mittel- und Langzeitaufenthalte hervorbringen. Letztere werden sowohl wegen familiären Herausforderungen wie Schul- bzw. Arbeitszeiten der Kinder bzw. der Partnerinnen und Partner ohne Homeoffice- Möglichkeiten sowie vor allem wegen der zu hohen Mietpreise ausgeschlagen.

«Im Workation-Tourismussegment
sehe ich grosses
Potenzial.»

Myriam Schlatter
COO der Hotel Laudinella Group

 

«Dezentrales Arbeiten kann erst zu einer lukrativen Chance für den Tourismus werden, wenn neben der Grundvoraussetzung, der digitalen Infrastruktur, insbesondere ein attraktives Lebensumfeld für die Arbeitnehmenden und ihre Angehörigen gewährleistet wird», resümiert Onna Rageth. Das orts- und zeitunabhängige Arbeiten sei zu einem Grundbedürfnis geworden, welches voraussichtlich nicht wieder ganz verschwinden werde.

TIPPS FÜR HOTELS
Tipp 1
Arbeitsplätze mit guter Infrastruktur
anbieten: Funktionierende Technik und
ein stabiles WLAN sind besonders wichtig.
Tipp 4
Rahmenbedingungen optimieren:
Kinderbetreuung und besondere Angebote
für Partnerinnen und Partner anbieten.
Tipp 2
Bezahlbare Packages anbieten: Sind die Preise
zu hoch, bleiben die Kunden fern.
Tipp 5
Bewusst gegen Workation entscheiden:
Auf die Bereitstellung von Erholung,
Entspannung und Flucht aus dem Alltag setzen.
Tipp 3
Zusatzleistungen offerieren: Ferienfeeling
mit persönlicher Note, spezielle Ausflüge
und aussergewöhnliche Angebote kreieren.
 

 

Eintritte ins Hallenbad und zu Kulturveranstaltungen
Seit dem Corona-Lockdown sind Bleisure und Workation auch bei der Laudinella Hotel Group ein Thema. «Ein junger Mann floh aus Zürich, weil ihm die Decke auf den Kopf fiel. Er hat uns darin bestärkt, die anstehenden Umbauarbeiten zu nutzen, um in unserer Bibliothek im Hotel Laudinella in St. Moritz (GR) Workspace anzubieten», sagt Myriam Schlatter, COO der Hotel Laudinella Group. Ausser in der Bibliothek bietet sie Arbeitsplätze in weiteren 13 Seminarräumen an. Aber überall dort, wo es einem Gast gefällt, könne ein mobiler Arbeitsplatz eingerichtet werden, sei es in der Lobby, an der Bar, im Theatersaal oder in einem der Büros der Mitarbeitenden. «Wir sind da ganz offen», sagt Myriam Schlatter. Neben kostenfreiem WLAN stehen arbeitenden Gästen Whiteboards, Drucker, Kaffeemaschine und Wasser zur Verfügung. Selbstverständlich könnten weitere Wünsche vor Ort geklärt werden. «Wir bieten unseren Gästen auch den kostenfreien Eintritt sowohl ins Hallenbad und in den Spa ‹Ovaverva› als auch zu auserlesenen Kulturveranstaltungen an, sowie die Nutzung des öffentlichen Verkehrs und der Bergbahnen», informiert Myriam Schlatter. Noch sei der prozentuale Anteil derer, die im Hotel Laudinella Ferien und Arbeit verbinden, klein.

Aber die Bleisure Travellers würden länger als der Durchschnitt bleiben. «Die Zahl der Workationund Bleisure-Reisenden wird zunehmen», ist Myriam Schlatter überzeugt. «In diesem Tourismussegment sehe ich grosses Potenzial.» Deshalb hat das Hotel immer neue Packages im Angebot und setzt auf Zusatzleistungen, die Gäste buchen können.

Ein Ort der Inspiration Im Gegensatz zur Hotel Laudinella Group bietet das Lofthotel in Murg (SG) seinen Gästen Arbeitsplätze mit Ferienfeeling bereits seit Längerem an. «Bei uns ist die Kombination von Arbeit und Freizeit sowie Natur, Erlebnis und Genuss schon seit jeher ein Hauptthema gewesen», sagt COO Mathias Seiwald. Bot das Hotel vor der Pandemie vor allem Seminare an, buchen jetzt häufiger auch Einzelpersonen Arbeits- und Ferienangebote. Neben dem Standard wie kostenloses WLAN, Verpflegung und Büroservice bietet das Lofthotel Murg sportliche Aktivitäten, kulinarische Variationen und Ferienfeeling mit persönlicher Note an. «Uns macht es Spass, glückliche, zufriedene und produktive Gäste zu beherbergen», sagt der COO.

«Bei uns ist die Kombination
von Arbeiten und Freizeit
schon seit jeher ein
Hauptthema gewesen.»

Mathias Seiwald
COO Lofthotel Murg

 

Dank Workation oder Bleisure werde nicht nur der vorhandene Platz optimal genutzt, es würden auch zusätzliche Einnahmen generiert. Gemäss Mathias Seiwald hat sich der Trend, die Arbeit mit der Freizeit zu verbinden, in den letzten Jahren zusehends entwickelt. Deshalb ist der diplomierte Hotelier-Restaurateur überzeugt, dass sich der Trend verstärken wird. «Zusätzlichen Schwung erhält er, wenn sich Firmen bewusst werden, dass sie mit dem Angebot von externen Arbeitsplätzen etwas Grossartiges für ihre Mitarbeitenden tun», sagt Mathias Seiwald. Deshalb plane man ein Workspace-Center, fördere nachhaltige Mobilitäts- und Erlebnisangebote und ermögliche Meetingpoints direkt am Walensee.