Hotel Villa Honegg
Hotellerie Bettina Kälin 11.10.2018

Villa Honegg: Influencer, Bienen und Höhenflüge

Das Boutique Hotel Villa Honegg in Ennetbürgen (NW) ist ein Geheimtipp für Reisende aus aller Welt.

30 Jahre lang stand die Villa Honegg leer. Bis ein Privatinvestor aus Katar dem Luxushotel zu neuer Blüte verhalf. Heute sind die 23 Zimmer und Suiten jeweils früh ausgebucht. Denn Gäste drehen gleich selbst an der Social-Media-Werbekurbel.

«Der Pool ist unser beliebtestes Fotomotiv.» Gastgeber Sebastian Klink lehnt sich über den Balkon der Junior Suite und deutet nach unten. «Dort am Rand braucht man nur die Füsse auszustrecken und schon schwebt man über dem Vierwaldstättersee.» Die optische Täuschung macht den geheizten Infinity Pool zum Highlight hoch oben auf dem Bürgenstock. Selbst von der kürzlich fertig­gestellten Liegeterrasse blickt der Gast direkt hinab ins glitzernde Blau des Sees. Auch bei den Gästen von ausserhalb ist der Spa-Eintritt ein Grund mehr, auf dem schmalen Weg von Ennetbürgen bis hoch zur Villa Honegg zu reisen. Für Sebastian Klink hat die grosse Nachfrage jedoch Sonnen- und Schattenseiten: «Es ist ein Balanceakt zwischen einem breiten Angebot für die Region und dem exklusiven Spa-Erlebnis für unsere Hotelgäste.»

Ein Video geht um die Welt

So viel Rummel um einen Infinity Pool? Seit der Neueröffnung des Hotels im Jahr 2011, das dank der Vorlieben des Privatinvestors mit einigen Besonderheiten aufwartet, gilt das Boutique Hotel mit Fünfstern-Superior-Rang als schmucker Geheimtipp. Doch so richtig in Fahrt kam der Hype um den Honegg-Pool 2016 mit dem Video der brasilianischen Insta-Bloggerin Fabiane Gama. «Es ist simpel: Sie steigt in den Pool und filmt die spektakuläre Aussicht», erzählt Sebastian Klink. Plötzlich hat die halbe Welt den Clip gesehen und setzt das Hotel Villa Honegg auf die persönliche Bucket List. «Mein Vorgänger Peter Durrer und ich waren völlig überrascht, was das Video alles bewirkte.»

«Der Pool ist unser
beliebtestes Fotomotiv.»

Sebastian Klink
Gastgeber Hotel Villa Honegg

Emotionen werben besser

Bei der einmaligen Sensation bleibt es nicht, dafür sorgen Gastgeber Sebastian Klink und sein Marketingteam. Denn nicht nur Fabiane Gama war seither öfters in der Villa zu Besuch und teilte ihre Erlebnisse auf Instagram. «Wir laden gezielt Blogger und Influencer ein – und natürlich machen unsere Gäste fleissig Fotos», so Klink. Im Marketing setzt das Hotel ganz auf Social Media und verzichtet auf klassische Werbung. So wachsen die eigenen Hotelkanäle: 175’000 Follower sind es auf Instagram, der Hashtag #villahonegg hat beinahe ebenso viele Beiträge. Das Geheimnis? «Wir posten Emotionen statt Verkaufsangebote. Anders funktioniert es nicht.» Sprich: Cremeschnitte vor dem Panorama statt Rabatt­aktion, Balkon mit Sonnenaufgang statt Zimmerbeschrieb.

«Wir posten Emotionen
statt Verkaufsangebote.»

Sebastian Klink

Hemmschwelle Fünfsternehotel

Apropos Emotionen: In der Villa Honegg gibt es auch ein kleines Privatkino mit 20 Sitzplätzen. Sebastian Klink führt aus: «Anders als in anderen Hotels können unsere Gäste das Kino für sich allein reservieren – mit Popcorn und Getränken natürlich.» Auch der lokalen Bevölkerung wolle man so etwas bieten, etwa mit dem ­Kino-Dinner inklusive Apéro und Dreigängemenü, Vorführungen für die ganze Familie oder der Live-Übertragung der Fussball-WM. «Dabei möchten wir auch die Hemmschwelle, ein Fünfsternehotel zu besuchen, ein wenig senken.» Die Resonanz aus der Umgebung sei sehr gut und motivierend. «Die meisten sind froh, dass wieder Leben in der Villa herrscht.»

Aufblühen nach dem Niedergang

Ende der 70er begann das traurige Kapitel der Hotelgeschichte. 30 Jahre lang stand die Villa Honegg leer, nachdem die Familie des Hotelgründers Emil Durrer den Betrieb verkauft hatte. Ein Gesundheitszentrum sollte entstehen, scheiterte aber an der Finanzierung. Stattdessen stand das Gebäude leer, diente als Filmkulisse, geriet in Vergessenheit. Bis ein Privatinvestor aus Katar die Villa nach seinen Wünschen umbauen und sanieren liess. Neben Kino und Pool gehört nun auch das private Stockwerk zu den Besonderheiten des Hotels. Fünf Zimmer und ein Salon mit grossem Esstisch lassen sich buchen, der Lift führt direkt in den Spa-Bereich. Zudem landen dank der Nähe zum Flughafen Buochs Helikopter vor der Sonnenterrasse. «Bis zu fünf haben gleichzeitig auf der Wiese Platz. Bei mehr müssen wir umdisponieren», sagt Klink.

Auf du und du

Glanz und Gloria also? Der Gastgeber, der sich lieber als solcher denn als Hotelier versteht, schüttelt lachend den Kopf. «Eben gerade nicht. Die Villa Honegg ist kein Fünfsternehotel im üblichen Sinne. Eher familiärer.» Das beginne bei Kleinigkeiten: Beim Frühstück wird nicht nach der Zimmernummer gefragt. Das Personal erinnert sich an die Namen der Kinder oder der Hunde. Auf den Namenskärtchen steht keine Funktion. Einfach «Sebastian Klink» statt «Hoteldirektor». Denn auch im Team herrscht Du-Kultur – und das nicht ohne Grund. «Das Honegg basiert auf drei Grundpfeilern: Hingabe, Natürlichkeit und Diskretion. Danach richten wir all unsere Ziele und Entscheidungen aus», erklärt ­Sebastian Klink. Als das Hotel 2011 eröffnet wurde, war er als Praktikant dabei und erlebte den Workshop mit, bei dem alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammen die drei Grundpfeiler erarbeiteten. «Wir wurden gefragt: Was macht die Villa Honegg für euch aus? Diese drei Dinge wurden am meisten von den Teilnehmern genannt.» Heute ist der 32-Jährige stolz darauf, als Gastgeber die Vision weiterzuführen.

«Das Honegg basiert auf
drei Grundpfeilern: Hingabe,
Natürlichkeit und Diskretion.»

Sebastian Klink

Natürliches aus nächster Nähe

Ganz besonders setzen sich Sebastian Klink und sein Küchenchef Sebastian Titz für den Pfeiler Natürlichkeit ein. Letzterer und Esther Burri, Leiterin der Hauswirtschaft, kümmern sich um den Kräutergarten gleich neben der Villa. Der Lavendel steht gerade in voller Blüte, von den Bienenstöcken summt es laut. Ein ehemaliger Arzt aus der Region hegt hier sechs Bienenvölker. Sie liefern den «Honegg Honig», der nicht nur auf dem Frühstückstisch steht, sondern auch in die Gerichte von Sebastian Titz einfliesst. «Ich mache es dem Service manchmal schwer, sich die experimentellen Gerichte zu merken, weil ich alle Zutaten auf der Karte aufführe.» Aber «mit Honegg Honig» klingt und schmeckt eben besser als «mit Honig».

Lokale Lieferanten

«Am liebsten würde ich noch mehr Gemüse anbauen», sagt der 35-jährige Chefkoch. Als ehemalige rechte Hand von Naturkoch Stefan Wiesner hat er das kreative und ungezwungene Kochen mit natürlichen Zutaten im Blut. Der Gastgeber ergänzt: «Stimmt, wir haben den Gemüseanbau getestet. Aber der Boden hier oben eignet sich leider nicht für alles.» Stattdessen lässt sich das Küchenteam von dem inspirieren, was der Kräutergarten hergibt und bezieht so viele Zutaten wie möglich von lokalen Produzenten und Lieferanten. Nicht ohne Stolz erzählt Titz: «Das Fleisch kommt von einem Metzger aus Ennetbürgen und somit zu 100 Prozent aus der Schweiz – wie auch die Milchprodukte, Backwaren sowie saisonale Früchte und Gemüse.»

Die Natur inspiriert

Austesten, kombinieren und Neues entdecken. Obwohl die Sommerhitze dem Garten zu schaffen gemacht hat, geht der Küchenchef mit einem neugierigen Funkeln in den Augen durch die Kräuterreihen. Pflückt, zerreibt die Blätter, schnuppert – und ­ersinnt Pläne für das nächste Menü. Schwierig seien die Mengen der vorhandenen Zutaten abzuschätzen, weshalb sich das Gourmetmenü dem Angebot im Kräutergarten anpasst. Diese Kunst des zwanglosen Kochens möchte Sebastian Titz seinem Team weitergeben: «Ich lasse meine Köche auch einfach mal für fünf Minuten durch den Garten gehen, damit sie sich inspirieren lassen. Oder sage: Wir brauchen ein Dessert mit Äpfeln – mach mir was.» Jedes Jahr testen sie neue Pflanzen oder Anbauarten aus. Dieses Mal mit Erfolg: «Die neuen Hochbeete haben sich wirklich
bewährt.»

Rückzugsort

Auch bei den Gästen kommen der Garten und die Honegg-Produkte gut an. «Es ist natürlich und passt zu uns; das höre ich öfters», so Titz. Für ihn persönlich sei der Kräutergarten sowieso eine Bereicherung. «Hier findet man kurz etwas Ruhe vom Alltag. Auch Mitarbeitergespräche führe ich meist hier oben.» Gastgeber Sebastian Klink horcht auf. Die beiden Namensvettern – hier sorgt die Du-Kultur täglich für Verwechslungen – schauen sich grinsend an. «Du auch? Gell, hier redet es sich einfach befreiter.» Für Gäste, Besucherinnen und Besucher ist der Kräutergarten auch zugänglich. Noch ist dem Pool-Selfie aber kaum je ein Foto zwischen blühenden Sträuchern und Kräutern gefolgt. So bleibt der Garten das paradiesisch-unbekannte Refugium inmitten
eines globalen Geheimtipps.

Name:

Hotel Villa Honegg

Ort:   

Ennetbürgen (NW)

Zimmer:

23, 1 exklusives Stockwerk, 2 Seminar- und Konferenzräume

Personal:

50 Festangestellte, bis zu 70 Personen während der Sommerhochsaison

Kulinarisches:

Restaurant und Sonnenterrasse, Schweizer Küche mit regionalen Produkten

Geschichte:

1905 von Emil Durrer gebaut und als familiengeführtes Hotel betrieben, stand die Villa ab 1977 ganze 30 Jahre leer.
2007 wurde das Hotel von einem privaten Investor erworben und 2011 neu eröffnet.

Fünf Fragen an den Fünfsterne-Hotelier

Sebastian Klink, warum sind Sie Hotelier geworden?
Da mein Vater beruflich viel unterwegs war und mit der ganzen Familie reiste, kannte ich Hotels vor allem von der Gastseite. Aus Neugier wollte ich aber hinter die Kulissen blicken. Die Faszination Hotel fesselte mich einfach – auch am Tag der offenen Tür in der Schweizerischen Hotelfachschule in Luzern. Obwohl bisher niemand in meiner Familie in der Hotellerie tätig war, musste ich nicht lange überlegen und hab mich gleich angemeldet.

Was ist ihr wichtigster Grundsatz bei der Führung von Mitarbeitenden?
Die Einstellung und die Persönlichkeit des Mitarbeitenden sind entscheidend, alles andere lässt sich lernen. Weiterbildungen fördern wir stark, auch mit dem Risiko, kompetente Leute später an andere Hotels zu verlieren. Mir ist es zudem wichtig, mir genug Zeit für die Mitarbeitenden zu nehmen. Ich möchte auf keinen Fall, dass zwischen Chef und Angestellten eine Hemmschwelle entsteht – genau darum haben wir ja auch die Du-Politik.  

Was ist die grösste Herausforderung?
(Lacht.) Zur selben Zeit an verschiedenen Orten sein zu ­wollen. Ich versuche, jeden Gast persönlich willkommen ­zu heissen und auch wieder zu verabschieden. Selbst wenn ich Interviews gebe. (Schaut auf die Uhr und grinst.) Auch wenn es zeitlich mal nicht klappt, gebe ich nicht auf, sondern verschiebe nur. Statt in der Rezeption begrüsseich die Gäste dann eben auf der Terrasse.

Ihr Lieblingsort hier in der Villa Honegg?
Der Kräutergarten. Es gibt zwar viele schöne Orte hier oben, aber um kurz abzuschalten und die Gedanken zu klären, gehe ich gerne in den Kräutergarten. Das erdet schon nach ein paar Minuten.

Welchen Gast werden Sie nie mehr vergessen?
Als Hotelier hat man viel Kontakt zu Menschen und behält so einige Gäste in Erinnerung. Eine Begebenheit ist mir aber ­besonders im Gedächtnis geblieben: Als ich – damals noch Praktikant im Honegg – die Nachtschicht an der Rezeption übernahm, kam jeden Abend derselbe Gast. Er verlängerte seinen Aufenthalt jeweils für noch einen weiteren Tag, weil es ihm so gefiel. Erst nach einer Woche checkte er tatsächlich aus.

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Bettina Bellmont

Autorin: Bettina Kälin