Mit dem Velo unterwegs in der Altstadt von Winterthur.
Business-Praxis Tobias Fischer 26.04.2022

So profitieren Hotels und Restaurants vom Veloboom

E-Bike, Mountainbike, Citybike: Die Schweiz hat das Velo neu entdeckt. Das beweisen rekordhohe Verkaufszahlen, der zunehmende Veloverkehr und die steigende Zahl touristischer Angebote. Mit diesen Tipps können Hotel und Gastrobetriebe vom Veloboom profitieren.

Ein steiler Anstieg mag beim Velofahren anstrengend sein, beim Blick auf die Statistiken ist er beeindruckend. Die Verkaufszahlen von neuen Velos und E-Bikes stiegen 2020 laut dem Branchenverband Velosuisse auf die Rekordhöhen von 330’696 Velos und 171’132 E-Bikes. Bei den Elektrovelos folgte 2021 eine weitere Steigerung – um 9,4 Prozent auf 187’302 Stück. Dass die Zahl der Velos auch auf der Strasse zugenommen hat, zeigt eine Studie der Universität Lausanne: Im Jahr 2020 wurde bei den meisten Zählstellen in der Schweiz ein Plus registriert.

«Megatrends sprechen fürs Velo»

Bleiben Sie zu Hause oder mindestens in der Umgebung, halten Sie Abstand: Die coronabedingten Einschränkungen und Empfehlungen haben den Veloboom zusätzlich angeheizt. Doch der Velotrend im Alltag und im Tourismus habe schon früher eingesetzt, sagt Lukas Stadtherr von SchweizMobil: «Verschiedene Megatrends sprechen fürs Velo: Gesundheit, Entschleunigung, Digital Detox, Naherholung, Nähe zur Natur und so weiter.» Dass Corona dann noch mehr Leute aufs Velo brachte, habe die Stiftung SchweizMobil deutlich gespürt, so Geschäftsleitungsmitglied Lukas Stadtherr: «Uns als Dreh- und Angelpunkt für Velofreizeit und Velotourismus in der Schweiz fordert der Boom auf allen Ebenen. Denn unser Anspruch ist, dass der ganze touristische Langsamverkehr aus einem Guss kommt und für Nutzerinnen

«Es gibt Gäste, die ernsthaft fragen, ob sie auch ohne Velo anreisen können.»

Wolfgang Neidhart, Hotelier, Velohotel Hirschen, Ramsen

und Nutzer so gut und so einfach verständlich wie möglich ist.» Da sei Koordination gefragt, denn angesichts des Booms würden neue Ideen, Projekte und Bedürfnisse wie Pilze aus dem Boden schiessen.

 

Definitiv kein Neuling im Bereich Velotourismus ist Wolfgang Neidhart. 1996 übernahm er das Hotel Hirschen in Ramsen (SH). Dass sein Betrieb ein Alleinstellungsmerkmal braucht, wusste er aus einer Unternehmensführungsschule, dass es die Spezialisierung auf Velotourismus sein soll, lag auf der Hand. Neidhart ist begeisterter Rennvelofahrer und Biker. Zudem habe die Region für Velofahrerinnen und -fahrer einiges zu bieten: «ein engmaschiges Strassennetz, eine schöne Landschaft, Sehenswürdigkeiten, sehr oft gutes Wetter.» Heute ist das Hotel Hirschen weitherum als Velohotel bekannt, nicht zuletzt dank der kaum zu übertreffenden Internetadresse: velohotel.ch. «Es gibt Gäste, die ernsthaft fragen, ob sie auch ohne Velo anreisen können», sagt Wolfgang Neidhart – und stellt klar, dass das selbstverständlich kein Problem sei.

 

 

Zahlungskräftige Gäste

Umgekehrt sei es früher manchmal ein Problem gewesen, nach einem Tag auf dem Velo in einem Hotel anzukommen. «Da kann man halt verschwitzt sein», so Neidhart, «das war in anderen Hotels damals verpönt.» Ihm sei jedoch schnell aufgefallen, dass Velofahrerinnen

«Die hohe Durchdringung zeigt das grosse Interesse.»

Vinzenz van den Berg, Kommunikationsspezialist, HotellerieSuisse

und -fahrer zahlungskräftige Gäste seien. Zwei Räder – viel Potenzial: Das hat auch der Branchenverband HotellerieSuisse früh erkannt und vor über zehn Jahren die Spezialisierungskategorie Bikehotel eingeführt.

 

Diese Bikehotels sollen die Bedürfnisse von Gästen abdecken, die mit dem Touren- oder Rennvelo, dem Moutainbike oder dem E-Bike unterwegs sind (siehe «Spezialisierung als Bikehotel»). Hier geht es um lokale Partnerschaften und Angebote, spezifi sche Dienstleitungen und Infrastruktur. Zudem ist die HotellerieSuisse-Spezialisierung für Hotelbetriebe das Eintrittsticket zur Themenkampagne «Swiss Bike Hotels» von Schweiz Tourismus.

 

Über 300 HotellerieSuisse-Bikehotels

Ein Kriterienkatalog dient als Leitfaden für die Positionierung als Bikehotel. 2016 passte HotellerieSuisse die Kriterien an und löste damit einen «sehr grossen Interessensschub aus», wie Kommunikationsspezialist Vinzenz van den Berg sagt: «Viele Hotels haben in die Umsetzung der Kriterien investiert.» Dazu kam, dass verschiedene Tourismusdestinationen viel stärker auf Velos, Mountain- und E-Bikes setzten, ins entsprechende Marketing und zum Beispiel in Biketrails investierten. Von den rund 2000 klassierten Hotelmitgliedern von HotellerieSuisse sind heute über 300 mit der Spezialisierung «Bikehotel» ausgezeichnet. «Das ist eine sehr hohe Durchdringung», sagt Vinzenz van den Berg, «sie zeigt das grosse Interesse an dieser Ausrichtung.» Aus Sicht von SchweizMobil sind Bikehotels die Spitze der Pyramide, daneben bietet die Stiftung ihrerseits ein ergänzendes Label, mit dem Betriebe ihre Velofreundlichkeit demonstrieren können – als SchweizMobil-Beherbergungspartner.

 

1250 SchweizMobil-Partnerbetriebe

Die Kriterien für diese Positionierung sind weniger zahlreich, weniger streng, zudem gilt das Prinzip der Selbstkontrolle. Im Bereich Velo hat SchweizMobil rund 1250 Leistungsträger-Partner – auch hier konnte 2020 und 2021 eine Zunahme verzeichnet werden. Die erste Anforderung: «Beherbergungspartner von SchweizMobil verpfl ichten sich, Gäste für eine Nacht aufzunehmen.» Lukas Stadtherr, bei SchweizMobil unter anderem für Partnerschaften zuständig, erklärt: «Ein Mindestaufenthalt von beispielsweise drei Nächten ist auf der Durchreise nicht ideal.» Beherbergungspartner an Velo- oder Mountainbikerouten bieten zudem ein Reparaturset und einen gesicherten Veloabstellplatz (siehe «Leistungsstandards SchweizMobil»). «Ein Velo über Nacht im öffentlichen Raum abstellen: Das macht man als Veloreisender schlicht nicht. Denn ohne Velo muss man die Veloreise logischerweise gleich abbrechen», sagt Lukas Stadtherr.

 

Dass Hotel-, aber auch Gastrobetriebe eine Abstellanlage für Velos zur Verfügung stellen, ist nicht nur im Ausfl ugsverkehr entscheidend, sondern auch im Alltag. Christoph Merkli, Leiter Infrastruktur und Politik beim Verband Pro Velo, sagt: «Velofahrende schätzen es, nahe beim Eingang einen gedeckten Abstellplatz mit Anschliessmöglichkeit zu haben.» Hotelbetreibern empfehle der Verband zudem, den Gästen Zugang zu den immer zahlreicheren lokalen Bikesharingangeboten zu ermöglichen.

Der Veloboom ist da. Viele Hotels und Restaurants haben bereits darauf reagiert und bei entsprechenden Dienstleistungen und Infrastruktur einen Gang höher geschaltet. «Bei den Betrieben geht der Trend sicher in Richtung mehr Affi nität, mehr Interesse»,

«Manchmal muss ich den Gästen sagen, sie hätten besser mich gefragt.»

Wolfgang Neidhart

so Lukas Stadtherr von SchweizMobil. «Es wäre ja auch unverständlich, wenn die Betriebe nicht auf ein Thema setzen würden, das extrem gut läuft: den touristischen Langsamverkehr, also auch das Velo.»

 

Velofreundlich dank Velofreund

Mit seinem Velohotel Hirschen zeigt Hotelier Wolfgang Neidhart, wie man Velofahrerinnen und -fahrern den roten Teppich ausrollt – und damit Erfolg haben kann. Und er macht deutlich, was die beste Voraussetzung für Velofreundlichkeit ist: dass der Gastgeber selbst ein Velofreund ist. «Ich habe mittlerweile über 250’000 Velokilometer in unserer Region absolviert und fi nde immer noch neue Wege», so Wolfang Neidhart, der über eine ganze Sammlung von Tourenvorschlägen verfügt. «Sie sind mein kleiner Schatz.» Im Hotel biete er auf Wunsch individuelle Tourenberatungen an. Doch die Nachfrage habe abgenommen, man hat ja das Internet. «Aber», sagt Neidhart, «manchmal muss ich den Gästen dann am Abend sagen, sie hätten besser mich gefragt. Denn es hätte schönere Varianten ihrer Tour gegeben.»

 

SPEZIALISIERUNG ALS BIKEHOTEL

Grundvoraussetzung für die Spezialisierungskategorie «Bikehotel» ist die Klassierung in einer Basiskategorie von HotellerieSuisse. Zwingend zu erfüllende Kriterien bestehen in den Bereichen Information und Partnerschaften (z. B. mit Tourenanbieter oder Velogeschäft), Infrastruktur (z. B. abschliessbarer Veloraum oder Werkzeug), Gastronomie (z. B. angepasste Servicezeiten) sowie Service (z. B. Wäscheservice oder Duschen am Abreisetag). Zusätzliche Bewertungspunkte gibts mit Optionalleistungen wie Bikeshop im Hotel, Bike- und Gepäckshuttle, geführten Touren oder virtuellen Routenkarten auf der Website.

 

LEISTUNGSSTANDARDS SCHWEIZMOBIL

Beherbergungspartner von SchweizMobil, die an einer Velo- oder Mountainbikeroute liegen, stellen zur Verfügung:

  • einen verschliessbaren und abgedeckten Raum zur Aufbewahrung der Velos über Nacht und
  • ein Reparaturset: Standpumpe, Schlauchflickzeug, Pneuheber, diverse Gabel- und Inbusschlüssel.

Alle Beherberungspartner von SchweizMobil bemühen sich, folgende Leistungen anzubieten:

  • Wasch- und Trocknungsmöglichkeit für Kleidung,
  • Information über Angebote von SchweizMobil und
  • Prospekte zum lokalen touristischen Angebot.