Das Experten-Netzwerk Digitalrat hat in einer Auswertung der Schweizer Online-Verkäufe für das Jahr 2022 ein moderates Wachstum im Bereich Nahrungsmittel ermittelt. Die Entwicklung diverser Marktteilnehmer im Schweizer Online-Handel zeigt nach starkem Wachstum während der Pandemie eine Abschwächung im vergangenen Jahr.
Während E-Commerce seit dem Jahr 2000 primär die Buchbranche und Unterhaltungselektronik verändert hat, gab es 2008 mit dem Start von Zalando einen Schub in der Bekleidungsindustrie. Ein Schattendasein fristete dabei weiterhin der Lebensmittelhandel (E-Food).
Diverse Händler lagen jahrelang weit hinter den eigenen Prognosen ihres Online-Kanals. Startups hatten Mühe, das entsprechende Risikokapital zu erhalten oder hatten nervöse Investoren zu beruhigen. Auftrieb gab es in dieser Branche erst mit der Corona-Pandemie. Diese hat auf einen Schlag viele Menschen dazu veranlasst, vermehrt von zu Hause aus zu bestellen. Dieser Gewöhnungseffekt scheint sich nun nachhaltig zu etablieren.
E-Food Markt wächst seit 2020 stark
2022 zeigt sich ein durchzogenes Bild. Der Online-Supermarkt Coop.ch wuchs 2022 um 8,4%. Im Bereich Grosshandel stieg der Online-Umsatz bei Coop gar um 55,1 %. Migros verzeichnete 2022 im E-Food ein Minus von 0.7%. Aldi ist im Jahr 2022 erstmals im Onlinle Handel präsent. Der Pureplayer Farmy musste einen Rückgang (von 32 Mio CHF auf 31 Mio CHF) hinnehmen und lässt verlauten, dass man nun an der Profitabilität arbeiten möchte.
Die Analyse von Digitalrat zeigt, dass der Markt 2022 zum Vorjahr (VJ 2021) trotzdem weiter gewachsen ist (ca. 8%, vgl. Abbildung 1). Das Wachstum hat sich nach einem starken Anstieg 2020 (+ ca. 40%) und 2021 (+ ca. 21%) deutlich abgeschwächt. Gleichwohl gilt zu berücksichtigen, dass der Markt in den letzten 3 Jahren 80% gewachsen ist.
Es kann angenommen werden, dass im kommenden Jahr der Online- Lebensmittelverkauf in der Schweiz weiterwachsen wird und sich nicht auf ein Vor-Corona-Niveau zurücksetzt. Eine weitere Konsolidierung scheint den Experten vom Digitalrat-Netzwerk jedoch wahrscheinlich. Es ist in der Schweiz zu beachten, dass die Verkaufsfläche weiterhin der entscheidende Faktor für Nahrungsmittel ist. Denn wie die Abbildung 2 zeigt (bzw. der Umkehrschluss daraus), wird 96% des Verkaufs noch immer auf der Retail-Fläche umgesetzt. So hat wenig überraschend Denner Ende 2022 angekündigt das Filialnetz weiter zu modernisieren und Migros plant langfristig gar bis zu 100 neue Filialen.
E-Commerce in verschiedenen Formen
Lange galt es als Kriegserklärung am Detailhändler vorbei zu verkaufen. Vielen Konsumenten war auch gar nicht bewusst, dass ihre Lieblingsmarke einen eigenen Webshop betreibt. Einerseits aus Bequemlichkeit, suchten diese das Produkt eher beim Detailhändler. Andererseits wagten es viele Marken nicht, ihren Webshop aktiv zu vermarkten. Corona scheint dieses Tabu endgültig gebrochen zu haben und die Industrie und FMCG-Marken haben sich schrittweise vom Detailhandel emanzipiert und so entsteht ein hybrides Ökosystem. Für Produzenten und Marken entstehen dabei nicht nur neue Chancen, sondern auch zusätzliche Herausforderungen.
Lebensmittelproduzenten als neue Kraft im Online-Kanal
Lebensmittelproduzenten, die ihre Produkte über einen eigenen Webshop verkaufen, bedeutet dies in erster Linie eine erhöhte Kontrolle über den Vertriebskanal. Sie können ihre Produkte direkt an die Endverbraucher verkaufen, ohne dass ein Zwischenhändler involviert ist. Das kann ihnen helfen, die Preiserosion abzuschwächen und insbesondere mehr über ihre Kunden und deren Bedürfnisse erfahren. Entsprechend kann der Produzent sein Angebot anpassen und möglicherweise sogar besser planen.
Es ist jedoch auch wichtig zu beachten, dass der Aufbau und die Pflege eines eigenen Webshops Zeit und Ressourcen erfordern und dass es für Lebensmittelproduzenten schwierig sein kann, die gleiche Reichweite und Sichtbarkeit wie grosse Online Einzelhändler zu erreichen. Umso wichtiger ist es, dass man den Schritt in die E Commerce-Welt wohl überlegt und entsprechende Konzepte entwickelt. Gleichwohl hat E Commerce heutzutage viele Gesichter und kann gar mit stationären Konzepten kombiniert werden. Für die Händler bedeutet dies im Gegenzug, dass sie ihre Online-Angebote weiter ausbauen müssen, um ihre Kunden besser zu bedienen und um mit den Veränderungen im Detailhandel Schritt zu halten.