Nur 17 Prozent der Schweizer Top-Management-Positionen werden von Frauen besetzt. Ein Verhältnis, das sich auch in der Hospitality-Branche zeigt.
Business-Praxis Bettina Kälin 15.11.2021

Chefinnen der Branche

Frauen in Führungspositionen sind in der Hospitality-Branche noch immer untervertreten. Drei Managerinnen und eine Sterneköchin berichten aus ihren Perspektiven.

Aktuell sind 17 Prozent aller Schweizer Führungspositionen im Top-Management mit Frauen besetzt. Im mittleren Management sind es 23 Prozent. Das ergab eine Umfrage der Universität St. Gallen im September 2021, die Unternehmen und Organisationen verschiedenster Branchen untersuchte. Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Hotellerie: Immerhin 30 Prozent der Mitgliederbetriebe von HotellerieSuisse werden von Frauen geführt. Aber nur knapp 4 Prozent der Verbandsmandate auf regionaler oder nationaler Ebene sind in Frauenhand. In der Gastronomie waren gemäss Schweizer Bundesamt für Statistik im zweiten Quartal 2021 79'501 Frauen tätig – und damit das stärker vertretene Geschlecht gegenüber den insgesamt 69'760 Männern. Chefköchinnen sind dennoch eine Seltenheit. Vier Frauen an der Spitze erzählen von ihren Erfahrungen und Visionen.

 

ALEXANDRA MÜLLER

Sterneköchin Restaurant Nova in Charmey

Im Restaurant Nova des Romantik Hotel L'Etoile in Charmey kochen Alexandra Müller und ihr Team eine geschmacksintensive, klassische-moderne Küche. Als im Sommer 2018 das Küchenteam wechselte, griff die alleinerziehende Mutter nach 14 Jahren Zwischenstopp in der Hotellerie wieder nach der Kochschürze und machte sich selbst an die Arbeit – und wurde gleich mit einem Michelin-Stern und 13 Gault- Millau-Punkten belohnt. Gastrofacts wollte von ihr wissen, wie sie die Situation von Frauen in der Gastronomie wahrnimmt.

«Ich bin überzeugt, dass nur die Ausbildung, Persönlichkeit, Kompetenz und Erfahrung bei der Besetzung eines Postens eine Rolle spielt. So handhabe ich es auch in meinem eigenen Betrieb. Als Chefköchin bin ich streng, anspruchsvoll, aber auch respektvoll und menschlich. Bei uns darf viel gelacht werden. Die Arbeit soll meinen Angestellten Spass machen und es bereitet mir viel Freude, mein Wissen zu teilen. Nur so kann man Mitarbeiter motivieren und fördern. Jungen Frauen rate ich durchzuhalten.

«Wenn man etwas erreichen will, braucht es Geduld.»

Alexandra Müller, Sterneköchin Restaurant Nova in Charmey

Wenn man etwas erreichen will, braucht es Geduld sowie den Mut hinzufallen und wieder aufzustehen. Praktische Erfahrungen sind dabei fast wichtiger als das theoretische Fachwissen. Man muss an die Front, mitanpacken und seinen Betrieb kennen, um ihn führen zu können.»

 

NATHALIE SEILER-HAYEZ

Hoteldirektorin Beau-Rivage Palace

Die Hotelière des Jahres 2018 begann als Stagiaire im Beau-Rivage Palace in Lausanne, heute ist sie General Manager des prestigeträchtigen Grand Hotels und führt rund 400 Mitarbeitende. Zuvor war sie in Spitzenhotels in New York, Paris, Bordeaux und London tätig. Gastrofacts wollte von Nathalie Seiler-Hayez wissen, warum Hospitality-Berufe für Frauen interessant sind. «Das ist ein Job, bei dem man Menschen lieben muss. Wir sind so etwas wie Glücksbringer, und dafür müssen wir wissen, wie wir bei unseren Gästen Emotionen wecken können. Es handelt sich also im Prinzip um Berufe, die für Frauen interessant sind! Aber wie in vielen anderen Bereichen hören Frauen auf zu arbeiten, um ihrem Familienleben den Vorrang zu geben – aber die Gewohnheiten ändern sich. Es ist wichtig, dieses Phänomen in unseren Organisationen in Betracht zu ziehen und unsere Strukturen anzupassen, auch wenn das aus operativer Sicht nicht immer einfach ist.

«Meine Aufgabe ist es, eine harmonische Atmosphäre zu schaffen.»

Nathalie Seiler-Hayez, Hoteldirektorin Beau-Rivage Palace

Mein Führungsstil ist partizipativ: Meiner Meinung nach muss eine Führungskraft inspirieren. Ich muss die Vision im Auge behalten und bei der Ausführung das richtige Gleichgewicht finden, um nicht ins Mikromanagement oder dem Gegenteil zu fallen. Meine Aufgabe ist es, eine harmonische Atmosphäre zu schaffen, in der sich Führungskräfte und Mitarbeitende entfalten und entwickeln können. Es ist an der Zeit zu verstehen, dass wir auch einen Körper, ein Herz und einen Geist haben und dass alles miteinander verbunden ist. Um geben zu können, muss es uns selbst gut gehen. Auch im Team ist es wichtig, sich gegenseitig besser kennenzulernen, um gemeinsam mehr zu leisten. Daher rate ich jungen Frauen: Zuallererst muss man hart arbeiten und leidenschaftlich sein und sein Netzwerk pflegen, denn die Welt des Gastgewerbes ist sehr klein. Dann muss man seinen Werten treu bleiben und darf in diesem Bereich keine Kompromisse eingehen. Scheuen Sie sich nicht zu sagen, wenn Sie etwas nicht wissen, und haben Sie Freude an dem, was Sie tun, das ist wichtig!»

 

JANINE RÜFENACHT

Direktorin THE LAB Hotel, Vizedirektorin HF Thun

Die Welt der Hotellerie und Gastronomie steht allen Interessierten offen. Davon ist Janine Rüfenacht überzeugt. Die Vizedirektorin der Hotelfachschule Thun koordiniert als Projektleiterin das lebendige Forschungslabor und Drei-Sterne-Hotel THE LAB – und ist damit nah am Branchennachwuchs dran.

«Ich konnte auf die Unterstützung von anderen Frauen zählen.»

Janine Rüfennacht, Direktorin THE LAB Hotel, Vizedirektorin HF Thun

«Speziell in unserer Branche gibt es viele Aufstiegsmöglichkeiten, egal ob für Frauen oder Männer. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist jedoch immer noch eine grosse Aufgabe für uns alle, damit Mütter und Väter ihre Aufgaben wahrnehmen können. Hier sind sicherlich moderne Arbeitsmodelle und flexiblere Bedingungen nötig. Ebenfalls haben sich die Erwartungen der jüngeren Generationen an ein modernes Arbeitsumfeld verändert. Neu sind auch andere Arbeitsorte gefragt. Es ist nicht mehr die Ausnahme, dass eine Mitarbeiterin, ein Mitarbeiter nur eine Arbeitsstelle hat und sich nur auf einen Arbeitgeber fokussiert – auch hier sind wir in der Branche gefordert, solche Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Als Führungsperson versuche ich, jederzeit mit gutem Beispiel voranzugehen, und stehe zu meinen Wissenslücken und Fehlern. Das erwarte ich ebenfalls von meinen Teammitgliedern. Es ist wichtig, sich selbst zu sein und seine Werte einzubringen. Die Frauen sollen auf ihre Fähigkeiten vertrauen, selbstbewusst auftreten und mutig auf neue Situationen zugehen. Ich persönlich konnte oft auf Unterstützung von anderen Frauen zählen, dieses Netzwerk ist auch heute noch sehr wichtig.»

 

JANINE BUNTE

CEO IG Parahotellerie

Sie ist eine Branchenkennerin und Führungspersönlichkeit mit langjähriger Erfahrung im Tourismus. Janine Bunte setzt sich mit dem Verein discover.swiss für die digitale Entwicklung des Schweizer Tourismus ein. Genauso agil wie moderne Technologien entwickelt sie auch ihren Führungsstil täglich neu.

«Mein Führungsstil ist sehr flexibel und verändert sich je nach Situation und Anforderung.»

Janine Bunte, CEO IG Parahotellerie

«Obwohl der Frauenanteil in der Hotellerie, Gastronomie und in Heimen und Spitälern sehr hoch ist, ist der Anteil im Kader noch immer sehr tief. Die Voraussetzungen wären jedoch sehr gut und wir sollten uns dringend überlegen, wie wir den Frauenanteil in den Kadern steigern können. Mein Führungsstil ist sehr flexibel und verändert sich je nach Situation und Anforderung. Ich versuche bestmöglich, die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu berücksichtigen. Wir bilden Teams und möchten damit die Eigeninitiative jedes einzelnen Mitarbeiters und jeder einzelnen Mitarbeiterin fördern und ihnen auch die notwendigen Entscheidungskompetenzen geben, damit sich unsere Organisation schnell und agil dem sich verändernden Umfeld anpassen kann. Das ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen umgesetzt werden kann. Wir sind aber auf einem guten Weg und können auch schon erste Erfolge erkennen. Jungen Frauen gebe ich mit auf den Weg, dass Authentizität in der Führung sehr wichtig ist. Bleibt euch selber und vor allem euren eigenen Werten treu. Nutzt Chancen und Möglichkeiten, wenn sie angeboten werden. Vertraut auf euch und eure Fähigkeiten.»