Hotellerie Laetitia Reiner 21.02.2025

Nachhaltige Schifffahrt: Grüne Welle voraus

Die Schweizer Schifffahrtsbranche nimmt Kurs auf eine grüne Zukunft. Mit innovativen Projekten wie der Umstellung des legendären Dampfschiffs GALLIA auf Solartreibstoff und weiteren fortschrittlichen Technologien stellt sich auch die Tourismusbranche den Herausforderungen des Klimawandels.

Am malerischen Vierwaldstättersee zeichnet sich eine spannende Transformation ab: Die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV) bereitet sich darauf vor, ihr traditionsreiches Dampfschiff GALLIA umweltfreundlicher zu gestalten. Ab 2027 wird die GALLIA vollständig mit Solartreibstoff statt mit fossilem Treibstoff betrieben. Stefan Schulthess, Geschäftsführer der SGV, unterstreicht die Bedeutung dieses Schrittes:  «Unsere Vision besagt, dass wir als führendes Schweizer Schifffahrtsunternehmen eine Pionierrolle bezüglich Nachhaltigkeit übernehmen wollen.» Mit der Umstellung
der GALLIA auf Solartreibstoff will die Gesellschaft ein starkes Zeichen für den Umweltschutz und die Innovation in der Schifffahrtsbranche setzen – ohne den nostalgischen Touch zu verlieren. Denn mit dem Einsatz dieses Solartreibstoffs können die aktuelle Dampfschifftechnologie und Treibstoffinfrastruktur beibehalten werden.

«Wir wollen in der Schifffahrt eine Pionierrolle bezüglich Nachhaltigkeit übernehmen.»

Stefan Schulthess, Geschäftsführer der Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV)

Die Verfügbarkeit von solchen synthetischen Treibstoffen ist aktuell noch sehr gering und die Preise sind sehr hoch. Doch dies sollte sich in einigen Jahren ändern. Denn nur mit konkurrenzfähigen Preisen können diese Treibstoffe eine echte Alternative zu fossilen Kraftstoffen sein. Die SGV hat den Anspruch, den Richtwerten im neuen Bundesgesetz über die Klimaziele Rechnung zu tragen. Diese verlangen, dass die Treibhausgasemissionen im Sektor Verkehr bis 2040 um 57 Prozent und bis 2050 um 100 Prozent reduziert werden.

 

Synhelion: Fortschrittliche Sonnenenergie

Für einen zukunftsfähigen Betrieb der GALLIA ist die vom Schweizer Unternehmen Synhelion entwickelte Technologie zentral. Als Spin-off der ETH Zürich entwickelt, hat das Unternehmen eine innovative Technologie zur Umwandlung von Solarenergie in flüssigen Treibstoff perfektioniert, die tragend für die Umstellung der GALLIA ist. Philipp Furler, Mitgründer und Co-CEO von Synhelion, betont die Effizienz der Technologie: «Mit unserem Verfahren machen wir Solarenergie in Form von umweltfreundlichen Treibstoffen nutzbar für herkömmliche Verbrennungsmotoren.»

Synhelion hat Grosses vor: Die weltweit erste industrielle Produktionsanlage für Solartreibstoffe – DAWN – hat das Unternehmen im Jahr 2024 in Deutschland eingeweiht. Die Anlage nutzt Solarwärme von über 1200 °C, um aus Wasser und einer Kohlenstoffquelle Synthesegas herzustellen – ein Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Dieses Gas wird anschliessend mit etablierten industriellen Verfahren in flüssige Treibstoffe umgewandelt. Ein besonderes Highlight: Der thermische Energiespeicher der Anlage ermöglicht einen kontinuierlichen Betrieb, auch nachts oder bei bewölktem Himmel. «DAWN ist ein entscheidender Meilenstein für die Skalierung unserer Technologie. Die Solarenergie ist eine der günstigsten erneuerbaren Energiequellen», erklärt Furler. Leider sind erneuerbare Treibstoffe derzeit noch teurer als fossile Brennstoffe. Langfristig strebt Synhelion Produktionskosten von einem Schweizerfranken pro Liter Solartreibstoff an. «Unser Ziel ist es, die Produktionskosten so weit zu senken, dass sie mit anderen nachhaltigen Treibstofftechnologien wettbewerbsfähig sind», so Furler.

«Unsere Treibstoffe können die Netto-CO2-Emissionen um bis zu 99 Prozent reduzieren.»

Philipp Furler, Mitgründer und Co-CEO von Synhelion

Die Anwendungsmöglichkeiten sind weitreichend, da die Solartreibstoffe mit bestehenden Motoren und Infrastrukturen vollständig kompatibel sind. «Unsere erneuerbaren Treibstoffe können fossile Brennstoffe direkt ersetzen und die Netto-CO₂-Emissionen im Vergleich zu fossilen Treibstoffen um bis zu 99 Prozent reduzieren. Unsere erneuerbaren Solartreibstoffe schliessen den CO₂-Kreislauf, da sie bei der Verbrennung nur so viel CO₂ ausstossen, wie für ihre Herstellung verwendet wurde», fügt Furler hinzu. Die SGV hat einen fünfjährigen Abnahmevertrag mit Synhelion abgeschlossen. Ab 2027 wird der Solartreibstoff für die GALLIA in der ersten kommerziellen Produktionsanlage von Synhelion – RISE – in Spanien hergestellt. Diese Anlage wird eine Produktionskapazität von 1000 Tonnen Solartreibstoff pro Jahr haben.

 

Shiptec: Pionier der maritimen Energiewende

Während Synhelion mit seiner Solartreibstoff-Technologie einen wichtigen Beitrag zur Zukunft der Schifffahrt leistet, spielt auch die Shiptec AG eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung umweltfreundlicher Antriebssysteme in der Schweiz.

«Unsere Technologien helfen, die wachsende Nachfrage nach nachhaltigen Reiseoptionen zu bedienen und die Umweltbelastung zu reduzieren.»

Martin Einsiedler, Leiter Planung und Entwicklung bei der Shiptec AG

Mit mehr als einem Jahrzehnt Erfahrung in diesem Bereich hat das Schwesterunternehmen der SGV massgeblich zur Entwicklung und Implementierung von Technologien beigetragen, welche die Effizienz steigern und die Umweltbelastung
minimieren. Das Unternehmen verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, um die Nachhaltigkeit in der Schifffahrtsindustrie zu fördern. Dieser umfasst drei zentrale Aspekte: effizientes Schiffdesign zur Minimierung des Energieverbrauchs, die Optimierung des Schiffsbetriebs durch Datenanalyse sowie die effiziente Nutzung alternativer Energien an Bord. Martin
Einsiedler, Leiter Planung und Entwicklung bei Shiptec, betont: «Unsere Mission ist es, innovative Lösungen anzubieten, die sowohl ökonomisch als auch ökologisch vorteilhaft sind.» 

Die Entwicklung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit Kunden und Hochschulen in laufenden Projekten. Diese Kooperation zwischen der SGV und Shiptec zeigt das gemeinsame Bestreben, nachhaltige Veränderungen voranzutreiben. «Durch die Zusammenarbeit mit der SGV konnten wir unsere technischen Lösungen direkt in der Praxis anwenden, was für beide Seiten sehr lehrreich war», erklärt Einsiedler. Shiptec liefert dabei nicht nur die notwendige technische Expertise, sondern auch innovative Antriebssysteme, die es ermöglichen, traditionelle Schiffe umweltfreundlich auszurüsten.

 

Die Technologien im Vergleich

Die Shiptec AG konzentriert sich insbesondere auf die Entwicklung von elektrischen Energie- und Antriebssystemen, welche oft die Basis für hybride Lösungen mit alternativen Energieträgern wie Batterien, Wasserstoff oder HVO (hydriertem Pflanzenöl) bilden. Jede Technologie bringt Vorteile und Herausforderungen mit sich. Die Tabelle oben zeigt einen direkten Vergleich. Die neuen Technologien stärken auch die Zukunftsfähigkeit touristischer Angebote. Elektrische und wasserstoffbetriebene Schiffe ermöglichen emissionsfreie Rundfahrten, was die Attraktivität für umweltbewusste
Reisende erhöht. Für Hoteliers und Reiseveranstalter ergeben sich dadurch neue Möglichkeiten, umweltfreundliche Erlebnisse zu vermarkten und ihre Region als umweltfreundliches Reiseziel zu positionieren. Martin Einsiedler von Shiptec betont: «Die Nachfrage nach nachhaltigen Reiseoptionen steigt stetig. Unsere Technologien helfen, diese Nachfrage zu bedienen und gleichzeitig die Umweltbelastung zu reduzieren.»

TechnologieBeschreibungVorteileHerausforderungen

Elektrische Systeme

Nutzung von Batterien und Elektromotoren zur Energieversorgung der Schiffsantriebe

Höchste Effizienz und vollständige Emissionsfreiheit bei Nutzung von Strom aus erneuerbaren Quellen. Leise und vibrationsarm

Eingeschränkte Reichweite und längere Ladezeiten, umfangreiche Ladeinfrastruktur

Wasserstoffsysteme  

Einsatz von Wasserstoff als Energiequelle, der in Brennstoffzellen elektrische Energie für den Schiffsantrieb
erzeugt – immer als Hybridsystem mit Batterien

Keine direkten Emissionen, höhere Energiedichte als Batterien, geeignet für längere Strecken und grössere Schiffe

Technische Herausforderungen bei Speicherung und Handhabung von Wasserstoff, hohe Anfangsinvestitionen

HVO-Systeme

Verwendung von hydriertem Pflanzenöl als Biokraftstoff, der in modifizierten Dieselmotoren verwendet wird

Reduzieren CO2-Emissionen deutlich im Vergleich zu herkömmlichem Diesel, können in bestehenden Motoren genutzt werden

Höhere Kosten im Vergleich zu fossilem Diesel, Verfügbarkeit von Bio-Rohstoffen kann begrenzt sein

Hybridsysteme

Kombination aus Batterien und einem alternativen Kraftstoff wie Diesel, Wasserstoff oder Methanol

Erhöhen die Flexibilität und Reichweite durch Kombination verschiedener Energiequellen, ermöglichen eine Emissionsreduktion bis hin zu null Emissionen (z. B. in Verbindung mit Wasserstoff)

Komplexe Technik und anspruchsvolles Management verschiedener Energiequellen

 

 

Thurgau Travel: Flussreisen mit Weitblick

Der Schweizer Flussreisenanbieter Thurgau Travel setzt gezielt auf umweltfreundliche Massnahmen, um seine Reisen zukunftsfähiger zu gestalten. Mit Hybridantrieben, die konventionelle Dieselmotoren mit Batterien und Solarzellen kombinieren, setzt das Unternehmen auf moderne Technologien, um Emissionen zu senken und Ressourcen effizient zu nutzen. Dazu trägt auch ein fortschrittliches Wärmerückgewinnungssystem bei, das warme Luft effizient wiederverwendet und gleichzeitig frische Luft in die Räumlichkeiten der Schiffe fliessen lässt.

«Nachhaltigkeit bedeutet für uns, jeden Aspekt unseres Angebots laufend zu hinterfragen.»

Daniel Pauli-Kaufmann, Geschäftsführer von Thurgau Travel

Zudem sind alle Schiffe von Thurgau Travel mit Landstromanschlüssen ausgestattet, wodurch die Motoren in den Häfen abgeschaltet werden können – eine Massnahme, die sowohl die Luftqualität als auch die Lebensqualität der Anwohnenden deutlich verbessert. «Für uns ist Nachhaltigkeit mehr als ein Schlagwort», erklärt Daniel Pauli-Kaufmann, Geschäftsführer von Thurgau Travel. «Wir hinterfragen unsere Aktivitäten ständig und orientieren uns an ökologischen, wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Grundsätzen.» 2024 veröffentlichte das Unternehmen als erster Schweizer Flussreiseveranstalter überhaupt einen Nachhaltigkeitsbericht.

Mehrere Schiffe des Reiseunternehmens wurden mit dem Green Award ausgezeichnet. Der Preis wird an Schiffe verliehen, die besonders hohe Standards in Sachen Sicherheit, Umweltfreundlichkeit und effizienter Betriebsführung erfüllen. Thurgau Travel hat unter anderem durch den Einsatz von Motoren der Stage-V-Klasse, die mit AdBlue zur Reduktion von Stickoxiden betrieben werden, sowie durch die Möglichkeit der Landstromversorgung zu den Auszeichnungen in Gold, Silber und Bronze beigetragen.

 

 

UNTERSTÜTZUNG AUF KURS: MIT DEM VSSU

Der Verband Schweizer Schifffahrtsunternehmen (VSSU) stärkt die Zusammenarbeit in der Schweizer Schifffahrtsbranche und fördert nachhaltige Innovationen. Seine Hauptinitiativen umfassen drei Bereiche. Netzwerk und Wissenstransfer: Regelmässige Tagungen und Austausch über umweltschonende Technologie. Swisstainable-Programm: Förderung von nachhaltigem Tourismus in Zusammenarbeit mit Schweiz Tourismus. Interessenvertretung: Lobbying für die Klimaziele des Bundes und aktive Mitarbeit in Kommissionen des öffentlichen Verkehrs.

«Unser Ziel ist es, die Branche als Ganzes voranzubringen und die Klimaziele des Bundes gemeinsam zu erreichen.»

Thomas Mühlethaler, Geschäftsführer der Bielersee-Schifffahrts-Gesellschaft AG und Mitglied im VSSU