Heime & Spitäler Nadia Qaud 30.04.2021

Im Spital und Heim wieder tief durchatmen

Neue Wege zu reiner Luft und feinem Duft: Wie Luftreiniger und Aromatherapie das Immunsystem von Patientinnen und Patienten stärken.
 

Nicht immer riecht es berauschend im Spital oder Altersheim, aber auch dort muss dicke Luft nicht zum Alltag gehören. Von der Luftfilterung bis zur Luftbefeuchtung und der Anreicherung der Luft mit Aromastoffen und Düften gibt es zahlreiche Wege, um die Luftqualität zu verbessern. Wenn nicht nur die Luft austrocknet Trockene Luft in beheizten Gebäuden im Winter: Dieses Phänomen spürt man nicht bewusst, aber es hat einen immensen Einfluss auf unser Wohlbefinden. Ob im Gesundheitswesen oder im Privatgebäude, die mit der kalten Jahreszeit verbundene trockene Luft entzieht dem Körper an exponierten Stellen Feuchtigkeit. Nasenschleimhaut, die Bronchien oder Augen trocknen aus. Man wird von Kopf- oder Halsschmerzen geplagt, die Augen brennen oder tränen.

«Ich will nicht mitkommen, da riecht es so komisch.»

Ein oft geäusserter Satz aus Kindermund.

Juckreiz, Hautallergien oder Lethargie können weitere Symptome sein. Eine feuchte Nasenschleimhaut hält bakteriellen oder viralen Angriffen besser stand deswegen ist die Einhaltung einer Mindestluftfeuchte von 40 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit äusserst wichtig.

Luftfeuchtigkeit und Aerosole

Vor Covid-19 hat die Allgemeinheit nur wenig über die Übertragung von Viren durch Aerosole gewusst. Aber man weiss, dass bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 40 bis 60 Prozent die ausgehusteten Aerosole schneller aus der Luft auf den Boden absinken. Eine aktuelle Studie des US-amerikanischen National Institute for Occupational Safety & Health (NIOSH) belegt, dass die Verbreitung des Grippevirus über die Luft bei einer Luftfeuchtigkeit von über 40 Prozent deutlich eingedämmt ist.

Die Raumluftqualität in Innenräumen ist ein entscheidender Faktor bei der Bekämpfung des Coronavirus. In schlecht belüfteten Räumen kann sich das Risiko von Ansteckungen erhöhen. Um die Aerosolbelastung zu senken, empfiehlt es sich, häufiger zu lüften. Wenn keine kontrollierte Lüftung im Gebäude eingebaut ist, sollte man drei- bis viermal täglich für ungefähr fünf Minuten eine Stosslüftung durchführen. Aber aufgepasst: Durch das Stosslüften sinkt die Luftfeuchtigkeit enorm schnell. Um die minimalen 40 Prozent relative Luftfeuchtigkeit wiederherzustellen, muss aktiv befeuchtet werden. Auch eine Kombination von Luftreinigung und Befeuchtung kann sinnvoll sein. Dabei sollte aber der Luftreiniger möglichst hoch oben platziert werden, um die in der Luft enthaltenen Keime und Schadstoffe möglichst effizient von den Köpfen der Bewohnerinnen und Bewohner wegzuführen. Im Gesundheitswesen ist Luftreinigung und -befeuchtung nicht nur Komfort, sondern unter diesen Aspekten fast ein Muss, denn dies schützt Ärztinnen und Ärzte, Pflegepersonal, Kranke und Heimbewohnende und alle, die zu Besuch kommen.

Es gibt noch einen weiteren Grund, warum trockene Luft gefährlich ist. Im Winter springen manchmal die Funken, ausgelöst durch elektrostatische Aufladung. Im Operationssaal kann dies gefährlich werden, wenn die unerwarteten Ministromschläge während der OP auftreten und das Personal erschrickt. Mit höherer Luftfeuchte reduziert sich das Funkenspringen und das offengelegte Körpergewebe des Patienten trocknet bei langandauernden Operationen weniger aus.

«Bei der Gebäudetechnik ist langfristig die Energieeffizienz matchentscheidend.»

Werner Adler CBDO von Condair

Verdampfen, vernebeln oder verdunsten?

Zur Luftbefeuchtung gibt es verschiedene Systeme: Verdampfung, Vernebelung oder Verdunstung. Bei der Verdampfung wird Wasser erhitzt und als hygienisch einwandfreier Dampf eingebracht. Bei der Vernebelung werden kleine Wasserpartikel in die Luft gesprüht. Dabei ist die Verwendung von sauberem Trinkwasser und eine regelmässige, gründliche Wartung sehr wichtig. Die Verdunstung ist deutlich kostengünstiger und, weil weniger Primärenergie aus der Steckdose benötigt wird, aus ökologischen Gesichtspunkten auch nachhaltiger.

Seit 70 Jahren bietet die Firma Condair in Pfäffikon (SZ) Luftbefeuchtungslösungen an. Werner Adler, CBDO von Condair: «Für alle, die skeptisch sind, ob eine höhere Luftfeuchtigkeit wirklich positive Einflüsse auf die Gesundheit hat: Ein langfristiger Test mit Einem Mietgerät, wochenweise oder über die ganze Wintersaison, verspricht dem Spital beziehungsweise Altersheim nachhaltige Gewissheit», sagt Werner Adler. Er fügt an: «Bei der Gebäudetechnik ist langfristig auch die Energieeffizienz matchentscheidend.»

Vielfältige Luftreinigungsmethoden

Eine Methode der Luftreinigung in Klimaanlagen ist die Luftwäsche mit Wasser, quasi ein künstlicher, partikelreinigender Regen. Eine weitere Methode ist der Sonne nachempfunden, denn beim Einsatz von UV-Strahlung in einer bestimmten Wellenlänge können Bakterien an der Reproduktion gehindert werden. In manchen Klima- oder Lüftungsanlagen sind Filter im Einsatz. HEPA-Filter (High Efficiency Particulate Air) werden überall da eingesetzt, wo es auf hohe Keim- und Partikelarmut ankommt: im Krankenhaus, Flugzeug oder bei der Medikamentenproduktion. HEPA-Filter scheiden Teilchen einer Grösse zwischen 0,001 und 100 Mikrometern ab. Staub, Bakterien, Pilze und Viren können so mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,98 Prozent aus der Luft entfernt werden.

Da wir Menschen keine Sinnesorgane besitzen, mit denen wir die Keime in der Luft feststellen können, nutzen wir unseren Geruchssinn, um die Reinheit der Luft zu bewerten. Bei einem muffigen, schimmligen Geruch droht Gefahr oder ungeniessbares Essen, ein wohlriechender Duft verheisst das Gegenteil. Man fühlt sich wohl und entscheidet unbewusst: Hier will ich sein, hier will ich bleiben. Neben der Luftbehandlung lassen sich auch das Wissen um Düfte und unser Riechorgan nachhaltig für Heime und Spitäler

«Wie wir uns fühlen oder verhalten, hängt zum grossen Teil von unserer Nase ab.»

Regula Rudolf von Rohr Aromatherapeutin

nutzen. Duftessenzen, die auf natürlichem Weg hergestellt wurden, werden immer häufiger im Gesundheitswesen genutzt. Sie wirken nicht nur auf die Nase, sondern auch unsere Psyche wird durch Düfte beeinflusst. Dies ist Jahrtausende altes Wissen: Schon die alten Römer wurden von den Römerinnen mit zarten Düften von wohlriechenden Ölen und aromatischem Räucherwerk betört.

Wohlfühlduft im Altersheim

«Ich will nicht mitkommen, da riecht es so komisch.» Eltern, die ihre quengeligen Sprösslinge zum Besuch von Oma oder Opa im Altersheim überreden wollen, kämpfen oft gegen diesen Satz an. Welches Kraut gegen den Geruch gewachsen ist und wie man es duftend zum Einsatz bringt, wissen erfahrene Aromatherapeuten. In der Schweiz gibt es drei Ausbildungsinstitute für Aromatherapie, die auch Kontakte zu praktizierenden Aromatherapeuten vermitteln: die Schweizerische Schule für Aromatherapie, SfA in Belp (BE), das SELA-Zentrum in Köniz (BE) und die farfalla akademie in Uster (ZH). Der Mensch nimmt vieles bewusst oder unbewusst über den Duft wahr. Noch bevor wir eine Sache sehen können, riechen wir sie. Regula Rudolf von Rohr, Aromatherapeutin und Präsidentin der PsychAroma CH Fachgruppe, ist Co- Autorin des Buches «Riechen und Fühlen», bietet psychiatrische Aromatherapie an und hat die Fachverantwortung für Aromapflege in den Universitären Psychatrischen Kliniken in Basel. Zudem bietet sie Inhouse-Schulungen für Aromapflege in Altersund Pflegeheimen in der Nordwestschweiz. Sie erläutert: «Wir erkennen Menschen, Räume oder Dinge über deren Duft wieder. Wie wir uns fühlen oder verhalten, hängt zum grossen Teil von unserer Nase ab. Düfte beeinflussen nicht nur unser Verhalten oder Entscheidungen, auch die Konzentration oder Erinnerungsleistung kann mit bestimmten Aromen gesteigert werden.»

Tabuthema Inkontinenz

Über Inkontinenz schweigt man sich aus, aber sie plagt zahlreiche Bewohnende in Altersheimen. Urintropfen können zu unangenehmen Ausdünstungen Selbst der Einsatz von Windeln, Einlagen und wasserdichten Slips reicht nicht immer. Da im Alter der Geruchssinn nachlässt, merken die Betroffenen den Geruch oft nicht selbst. Regula Rudolf von Rohr sagt: «Bei einem strengen Uringeruch empfehle ich einen frischen und stimmungsaufhellenden Duft.» Neben hygienischen Massnahmen kann man mit der Verdampfung oder Vernebelung von natürlichen Aromastoffen diesem Geruch entgegenwirken. Die Vernebelung gilt als energiesparender und deshalb nachhaltiger als die Verdampfung. Die Wahl der Methode sei jedoch von der Gesamtsituation abhängig, erklärt die Aromatherapeutin. «In einem ersten Schritt sollten unangenehme Gerüche neutralisiert und anschliessend der Raum beduftet werden.» Regula Rudolf von Rohr betont: «Beim Duft ist weniger oft mehr. Ein Raumduft soll positive Gefühle auslösen, aber nicht dominant sein. Ich empfehle, alle Düfte dezent zu verwenden und nur so intensiv wie nötig zu dosieren – quasi ein nachhaltiger Dufteinsatz.»

Beduftung im grossen Stil

Duftverteilsysteme können an die Lüftungs- oder Klimaanlage angeschlossen werden und so einen gleichmässigen Duft verbreiten. Aromastoffe haben unterschiedliche Wirkungen auf den menschlichen Körper: aufweckend, belebend, konzentrationsfördernd, entspannend, beruhigend. Manche Verteilsysteme verfügen über Steuerungen, um je nach Uhrzeit unterschiedliche Duftnoten einzuspeisen. Mit Vorteil kommen am Morgen anregende und am Abend entspannend wirkende Düfte zum Einsatz. Wenn das Spital oder Heim keine Belüftungsanlagen besitzt, können lokale Duftverteiler eingesetzt werden. Dieses System hat den Vorteil, dass man je nach Raum unterschiedliche Düfte nutzen kann. In der Lobby, im Frühstücksraum, im Fernsehzimmer oder in Behandlungsräumen lassen sich Nasen von Bewohnerinnen und Bewohnern erfreuen. «Ob Zitrone, Orange, Grapefruit oder Bergamotte – Zitrusdüfte sind ebenso ideal für die Raumbeduftung wie Nadeldüfte. Zitrus- und Nadeldüfte können vielfältig kombiniert werden. Ich selbst sehe davon ab, alle Räume zu beduften und bevorzuge einen Dufteinsatz, der auf jede Person, ihr Dufterleben und ihre aktuelle Situation abgestimmt ist», so Regula Rudolf von Rohr.

Aromatherapie bei Demenz

Ein Schlüssel zu unserem Gedächtnis sind Geruchsund Geschmackssinn, denn die Erinnerung daran, wie es «schmöckt», ist im Gehirn meist für immer verankert. Jeder Mensch hat ein Duftgedächtnis. Ereignisse, Düfte und Gefühle werden kombiniert abgespeichert. Ein positiv abgespeicherter Duft kann wohlige Gefühle in Menschen hervorrufen. Aromatherapeutin Regula Rudolf von Rohr empfiehlt stimmungsaufhellende und anregende Düfte, die auch die Gehirnleistung stärken können und präzisiert: «Dies trifft zum Beispiel auf Rosmarin und Melisse zu. Melisse ist zwar beruhigend, macht aber den Kopf wach. Zitrone oder Grapefruit haben eine ähnliche Wirkung.» Düfte können unterschiedlich appliziert werden. Neben der Raumbeduftung lässt sich der Duft mit Waschungen, Einreibungen, Kompressen oder Fussbädern übertragen. Wie das Schnuffeltuch von Linus, dem besten Freund von Charlie Brown, kann man auch aromatisierte Tüchlein verwenden, um apathische Demenzkranke anzuregen oder bei Anspannung und Stresssituationen zu beruhigen.

Düfte haben auch eine orientierende Botschaft. Wenn es zu bestimmten Tageszeiten immer gleich duftet, gibt dies eine Tagesstruktur vor. Man denke nur an den morgendlichen Kaffeeduft, und schon ist man halb wach. Wenn das Zimmer immer gleich duftet, kann dies den Weg in die eigenen Räumlichkeiten weisen, wenn andere Erinnerungsstützen bei Demenzkranken nicht mehr greifen.

Do-it-yourself-Beduftung

«Für eine sichere und sinnvolle Anwendung von Duftölen braucht es Fachwissen», betont Regula Rudolf von Rohr. Dieses könne man je nach Anwendungsgebiet in Kursen und Weiterbildungen erwerben. Auch die richtige Technik ist wichtig. Denn Vorsicht: Duftlampen mit einem Teelicht darunter können einen Feueralarm oder gar Brand auslösen. Deswegen wurden von zahlreichen Herstellern neue, ungefährliche Beduftungsmethoden entwickelt. Vernebler mit Ultraschalltechnologie reinigen zusätzlich die Luft mit Ionen und sind besonders leise. Andere Hersteller kombinieren Aromadiffusoren mit stimmungsvoller LED-Beleuchtung in wechselnden Farben. Platzsparend sind Duftstecker für die Steckdose oder Minigeräte mit USB-Anschluss.

Immunsystem stärken mit ätherischen Ölen

Studien belegen die antivirale Wirkung diverser Inhaltsstoffe von ätherischen Ölen. Duftöle können auch das Immunsystem stärken. Die wirksamsten Virenbekämpfer werden aus dem Kampferbaum, Eukalyptus, Teebaum und Thymian gewonnen, alle haben einen hohen Terpineolgehalt. Prof. Jürgen Reichling und sein Team von der Universität Heidelberg veröffentlichten bereits 2009 eine vergleichende Studie zu diesem Thema. Bewährt sind auch Öle, die von einheimischen Nadelhölzern wie Weisstanne, Fichte oder Latschenkiefer stammen. Die Kombination mit dem ätherischen Öl der Zitrone kann beim Gesundwerden und Gesundbleiben helfen. Für Kinder und ältere Menschen empfiehlt sich Thymian (Chemotyp Linalool) als mildes, ätherisches Öl.

Geruchssinn des Menschen

Wir Menschen besitzen 20 bis 30 Millionen Riechsinneszellen. Die sind platzsparend verpackt in der Riechschleimhaut der oberen Nasenhöhle, auf einer Fläche von nur 5 cm². Aus jeder Zelle ragen 5 bis 20 Härchen mit Geruchsrezeptoren heraus, die auf Duftmoleküle aus der Atemluft reagieren. Wie das funktioniert? Es gibt bis zu 350 Arten Geruchsrezeptoren, die nur auf bestimmte Duftmoleküle reagieren. Wie ein Schlüssel ins Schloss dockt das Duftmolekül beim entsprechenden Härchen an. Gerüche werden blitzschnell im Gehirn verarbeitet und das vegetative, unbewusst arbeitende Nervensystem reagiert gleich mit. Giftige Gase, verdorbenes Essen, kontaminiertes Wasser: All das könnte unserem Körper sonst schaden und muss rasch detektiert werden. Bei angenehmen Gerüchen fühlt man sich wohlig, bei Essensgerüchen läuft einem gar das Wasser im Munde zusammen. Und wenn es nicht so fein duftet, möchte man am liebsten den Raum verlassen. Ohne es zu wollen, fühlt man sich dann richtig unwohl. Unser Riechorgan hat eine spannende Funktion – es kann die Ausschüttung von Neurotransmittern adaptieren und sich an Aussenreize anpassen. So gelingt es uns, Gerüche wegzufiltern und wir nehmen störenden Mief nach kurzer Zeit nicht mehr so intensiv wahr.

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VON:
Nadia Qaud