Drahtesel in Liebefeld
Business-Praxis Benjamin Schmid 22.08.2022

Der Drahtesel schafft Möglichkeiten für Menschen

Der Drahtesel in Liebefeld ist ein buntes und soziales Unternehmen, dessen Mitarbeitende seit 1993 Menschen auf dem Weg in den ersten Arbeitsmarkt begleiten. Zum Drahtesel gehört das Restaurant Dreigänger mit integriertem Secondhand-Kleiderladen.

Seit 30 Jahren ist das Ziel des Projekts Drahtesel, erwerbslose Menschen jeden Alters und jeder Herkunft möglichst rasch, erfolgreich und nachhaltig in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Neben befristeten Arbeits und Ausbildungsplätzen stehen erwerbslosen Menschen Coaching, Bewerbungs- und Bildungsangebote zur Verfügung. «Alle Einsätze finden in einem realen Arbeitsumfeld statt», sagt Agnes Hofmann, Leiterin des Drahtesels. Im Drahtesel arbeiten mehr als 90 Mitarbeitende für interne und externe Kundschaft und begleiten umweltschonend und ressourcenbewusst Stellenlose und Lernende auf rund 170 Einsatzplätzen.

Wo Arbeiten, Essen und Einkaufen ein Erlebnis ist
Im Januar 2018 eröffnete das Restaurant Dreigänger an der Waldeggstrasse in Liebefeld in der Gemeinde Köniz (BE). «Ein Ort, an dem man verweilen möchte», sagt Susanne Gronmayer, Leiterin des Dreigängers. Das öffentlich zugängliche Restaurant hat einen Secondhand Kleiderladen integriert und spricht mit seinem vielfältigen und aussergewöhnlich bunten Angebot eine Vielzahl von Menschen an. «Auf der Speisekarte stehen wöchentlich neue kreative und nachhaltige Angebote, welche von unserer Küchencrew liebevoll erarbeitet und täglich frisch zubereitet werden», informiert die Teamleiterin. Neben veganen, vegetarischen und Fleischgerichten können Gäste selbst gemachte Desserts geniessen. Im Dreigänger treffen Feinschmeckerinnen, Familien und Schnäppchenjäger aufeinander. Im Sommer wird einmal im Monat die Sommerbar betrieben, an der sich Menschen aus dem Quartier treffen, austauschen oder dem Sound von Livebands lauschen.

Im Secondhandladen Kleidungsstücke für spezielle Anlässe mieten
Die Kleider im Secondhandladen kommen von Privatpersonen, die sie für drei Monate im Angebot lassen. Werden die Kleider verkauft, erhalten die bisherigen Besitzerinnen oder Besitzer 50 Prozent des Verkaufspreises.

Textilrecycling neu gedacht
Beim Upcycling werden Abfallprodukte oder scheinbar nutzlose Stoffe in neuwertige Produkte umgewandelt, es kommt also zu einer Aufwertung. Die Wiederverwendung von bereits vorhandenem Material reduziert den Rohstoffbedarf.

Andernfalls können sie die Kleider zurückfordern oder dem Dreigänger überlassen. In der Umtauschbar besteht die Möglichkeit, besonders ausgefallene Kleidungsstücke für spezielle Anlässe bis zu einem Monat zu mieten. Bei der Rückgabe erhalten die Kundinnen und Kunden einen Grossteil des Betrags zurück, sonst gehört das Kleidungsstück ihnen. «Gespendete Kleider, welche aus der Mode geraten sind, erhalten innerhalb unseres Projekts ‹Nahtesel› einen neuen Schnitt oder werden zu Unikaten wie Haargummis, Portemonnaies und dergleichen verarbeitet », erklärt Susanne Gronmayer. Im Laden sind Kundinnen und Kunden anzutreffen, die sich mit der nachhaltigen Kleiderverwendung auseinandersetzen oder originelle Geschenke aus dem Upcyclingprojekt suchen.

Disco-Flohmi
Auf dem Kleiderflohmarkt im Dreigänger können sich Interessierte von der Musik treiben lassen und dabei neue Lieblingsstücke im Secondhandladen entdecken. Zudem gibt es an der Bar bis 23 Uhr Drinks und Snacks. Der nächste Kleiderflohmarkt findet am Donnerstag, 27. Oktober 2022, statt. Üblicherweise ist der Dreigänger von 9 bis 17 Uhr geöffnet.

Ökologische und soziale Nachhaltigkeit
Mit dem Bezug von regionalen, biologischen und Fairtrade Produkten will das Restaurant Dreigänger klein- und mittelständige Betriebe unterstützen und gleichzeitig die Lieferwege minimieren. «Unser Anspruch ist es, möglichst viel von den vorhandenen Zutaten verwerten zu können, interne und externe Ressourcen zu nutzen und weder Abfall noch FoodWaste zu erzeugen», sagt Susanne Gronmayer. Letzteres gelinge mit der Herstellung von Einmachprodukten oder der Kreation von Mittagsmenüs wie «No Food Waste» am Mittwoch und «Menu Surprise» am Freitag. Die Mitarbeitenden des Dreigängers sind bestrebt, Menschen in ihrer aktuellen Situation wahrzunehmen, ihnen eine sinnstiftende Arbeitsatmosphäre zu bieten und dadurch zu nachhaltigen Lösungen für den (Wieder-)Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt zu verhelfen.

Kompetenzen gezielt einsetzen und fördern
Mit der Unterstützung von Lernenden und den Teilnehmenden von Integrationsprojekten betreibt der Drahtesel zudem einen Veloladen mit Occasionsteile-Lager, Abteilungen für Garten-Handwerk, für Facility Service und für Büroberufe sowie eine Metall- und Medienwerkstatt.

«Wir bieten eine Arbeits- und Lernumgebung, um Menschen dort abzuholen, wo sie gerade im Leben stehen», sagt Susanne Gronmayer. «Die Ressourcen unserer Lernenden und Stellensuchenden versuchen wir in den Alltag einzufügen, zu stärken und zu fördern.» Darüber hinaus tragen Humor und Transparenz zu einem guten Arbeitsklima und zur Identifikation mit dem Unternehmen bei.

Meilensteine
Der Drahtesel nimmt im Oktober 1993 seine Tätigkeit unter der Leitung von Paolo Richter auf. Erwerbslose im Arbeitsintegrationsprojekt starten mit dem Aufbereiten von alten Velos für Afrika.
Für das nachhaltige und soziale Engagement erhält Paolo Richter 2009 den prestigeträchtigen Preis als «Swiss Social Entrepreneur» der Schwab Stiftung.
Im Januar 2018 werden der Dreigänger und der Fachbereich Garten-Handwerk eröffnet. Für sein Engagement erhält der Dreigänger den Prix-Lions 2019 des Lions Clubs Bern.
2020 wird der Fachbereich Medienwerkstatt eröffnet.
2021 wird der Fachbereich Betriebsunterhalt eröffnet und es wird mit dem Fachbereich Projekt Restwert – mit Arbeitsinhalten für Büroberufe – gestartet.

 

Autor: Benjamin Schmid