
Wer ins Bretterhotel im Berner Oberland eincheckt, spürt sofort: Hier wird Reduktion gelebt, nicht bloss plakatiert. Das Hotel ist Teil der Trauffer Erlebniswelt, bekannt für ihre Holzspielwaren und ebenso bekannt für klare Prinzipien.
«Mini-Produkte gibt es
bei uns gar nicht.»

«Mini-Produkte gibt es bei uns gar nicht», sagt Direktorin Brigitte Trauffer. «So viele kleine Wegwerfprodukte aus Plastik wären für unser Hotel nie infrage gekommen.» Statt Duschhauben, Einweg-Slippers oder Wattepads stehen im Hotelzimmer grosse Pumpspender für Shampoo und Duschgel bereit. Wer etwas vermisst, kann es an der Rezeption bekommen – oder im hauseigenen Dorfladen. Auch der Umgang mit Gästewünschen ist pragmatisch und persönlich: «Wenn jemand etwas zum Nähen braucht, macht das unser Housekeeping oft einfach selbst. Ein Knopf ist schnell wieder angenäht», sagt Trauffer. Die Gäste zeigten dafür durchwegs Verständnis: «Wir erklären unsere Haltung offen – und das wird sehr gut aufgenommen. Kommunikation ist auch im Hinblick auf Umweltbewusstsein das Zauberwort», fasst Brigitte Trauffer zusammen.

Luxus mit Haltung
Gut 100 Kilometer vom Bretterhotel entfernt, mitten in der Zürcher Altstadt, liegt das traditionsreiche Widder Hotel. Hinter historischen Mauern trifft Luxus auf bewussten Verzicht. Neun Stadthäuser bilden das Ensemble, verbunden durch moderne Architektur. Der Anspruch? Komfort bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcen. Als Mitglied von The Living Circle – einer Schweizer Hotelgruppe mit vier eigenen Landwirtschaftsbetrieben – setzt das Boutiquehaus auf regionale Produkte und langlebige Lösungen, ohne den Komfortanspruch seiner internationalen Gäste zu vernachlässigen.

«Viele Gäste erwarten
bestimmte Standards.»
«Unsere Seifen kommen aus unserem landwirtschaftlichen Betrieb Terreni alla Maggia, verpackt in Glasdispensern», gibt General Manager Benjamin Dietsche ein Beispiel. Nähsets oder Schuhlöffel bestehen aus Holz oder biologisch abbaubaren Materialien. «Viele Gäste erwarten bestimmte Standards, besonders im Badezimmer. Diese Artikel werden tatsächlich benutzt, das sehen wir tagtäglich», so Dietsche. Andere Dinge wie Rasier-Kits gibt es dagegen nur auf Wunsch.
Mitarbeitende werden ab dem ersten Arbeitstag gezielt zum Thema Ressourcenschonung geschult. Einmal jährlich organisiert der Hotelverbund The Living Circle einen internen Informationstag, bei dem das Thema Nachhaltigkeit nicht zu kurz kommt.
Hygiene und Kommunikation
Die Responsible Hotels of Switzerland vereinen umweltbewusste Schweizer Hotels vom Berggasthof bis zum Fünf-Sterne-Resort. «Für uns bedeutet ‹ressourcenschonend› nicht weniger Service, sondern ein gleichwertiges – oft sogar besseres – Erlebnis», erklärt Geschäftsführerin Chantal Cartier.
«Eine frühzeitige Kommunikation
ist entscheidend.»

Wichtig sei, dass nachhaltige Lösungen höchste Hygienestandards erfüllen und den Komfort der Gäste wahren. Refill-Systeme mit geschlossenen Spendern oder lokal gefertigte Produkte könnten nicht nur die Umwelt schonen, sondern das Gästeerlebnis bereichern. Viele Mitgliedsbetriebe setzen laut Cartier auf waschbare Slipper oder geben bestimmte Artikel nur auf Wunsch ab. «Mit frühzeitiger Kommunikation zeigen wir, dass bewusster Ressourceneinsatz und hohe Servicequalität Hand in Hand gehen», so Chantal Cartier.

Strukturen statt Einzelmassnahmen
HotellerieSuisse unterstützt seine Mitglieder darin, Gästeartikel ressourcenschonend und zugleich serviceorientiert anzubieten. «Viele reduzieren gezielt – etwa durch das Nachfrageprinzip oder alternative Materialien», beobachtet Letizia Signorell, Projektmanagerin Entwicklung und Nachhaltigkeit bei HotellerieSuisse. Wichtig sei, dass das Konzept zur Zielgruppe passe – und gleichzeitig Ressourcen spare. Gerade jüngere Reisende verzichteten bewusst auf Einwegprodukte.
Seit Januar 2025 erlaubt die überarbeitete Hotelklassifikation der Hotelstars Union, die ein europaweit einheitliches Sternesystem entwickelt hat, zahlreiche bisher obligatorische Artikel, wie Slippers, nur noch auf Wunsch. «Das sensibilisiert Gäste und Betriebe gleichermassen», so Signorell.

«Best-Practice-Beispiele
haben Signalwirkung.»
Die Schweiz geht hier sogar noch weiter: Hotellerie-Suisse stellt den Mitgliedern Leitfäden und ein digitales Analyseinstrumentzur Verfügung, das zeigt, welche Massnahmen besonders wirksam sind. Das sogenannte Nachhaltigkeits-Framework liefert auch kurz-, mittel- und langfristige Ideen rund um Amenities. «Solche systematischen Ansätze helfen, die Abfallreduktion konkret umzusetzen – auch bei Gästeartikeln», sagt Signorell. Sie ist überzeugt: «Best- Practice-Beispiele haben Signalwirkung – sie zeigen anderen Betrieben, was möglich ist und motivieren zur Nachahmung.»