Der Weinbau der Schweiz befindet sich seit einigen Jahren im Wandel. Der Trend geht klar zurück zur Natur. Die Winzer Olivier Mounir und Philipp Grob sowie die Winzerin Anne-Claire Schott haben sich schon vor Jahren bewusst dem nachhaltigen Winzern verschrieben. Sie sind Pioniere in ihrem Fach und setzen sich dafür ein, nicht nur hervorragende Weine zu produzieren, sondern auch unsere Umwelt zu schützen und die Zukunft des Weinbaus nachhaltig zu gestalten.
Cave du Rhodan – aus Tradition der Zeit voraus
Für Olivier Mounir vom Weingut Cave du Rhodan war bei der Übernahme des Weinguts vor 15 Jahren von Anfang an klar: Es ist Zeit, der Natur etwas zurückzugeben. In der mittlerweile dritten Generation hatte Mounir klare Ziele vor Augen: «Wir wollten mit möglichst wenig Ressourcen hervorragenden Wein produzieren. » Inspiriert hat ihn Jacques Granches, der erste Biodynamiker im Wallis. Biodynamik ist eine nachhaltige Landwirtschaftsmethode, die auf natürlichen Rhythmen und dem Einfluss des Kosmos basiert. Winzerinnen und Winzer verwenden spezielle Praktiken, um den Boden zu beleben, die Pflanzen zu stärken und den Einfluss des Mondes auf das Wachstum zu berücksichtigen. Dies soll die Qualität der Trauben verbessern und die umweltfreundliche Weinproduktion fördern. Danach richtete sich Mounir von Anfang an.
Nachhaltigkeit nach dem Vier-Säulen-Prinzip
Dabei steht «Bio» beim Weingut Cave du Rhodan nicht im Mittelpunkt. «Der Wein sollte schmecken und die Natur bei der Produktion möglichst wenig belasten.
«Wir wollten mit möglichst wenig Ressourcen hervorragenden Wein produzieren.»
Wenn er bio ist – umso besser», so Mounir. Das Vertrauen seiner Kundinnen und Kunden ist ihm wichtiger als Zertifizierungen, die er aber durchaus vorzuweisen hat: All seine Reben sind bio.inspecta-zertifiziert. Er fokussiert sich auf das grosse Ganze: Das heutige Denken und Schaffen des Weinguts basiert auf einem vierstufigen Säulenprinzip. Dabei ist Nachhaltigkeit ebenso wichtig wie die Bemühungen um Qualität und die Realisierung eines angemessenen Gewinns. Mounir betrachtet gesellschaftliche und soziale Verantwortung als integralen Bestandteil der Unternehmensphilosophie. Darüber hinaus ergänzt die emotionale Komponente, die unter anderem für eine transparente und aktive Kommunikation von Nachhaltigkeitsleistungen steht, seinen Gesichtspunkt. Eine Komponente, die seinem Weingut im Jahr 2014 den ZKB Nachhaltigkeitspreis der Zürcher Kantonalbank einbrachte.
Mounir ist ein Mann der Taten. Vor 15 Jahren hat er sich mit seiner Familie zum Ziel gesetzt, die organische Substanz in seinem Boden wieder aufzubauen und hat diese von 0,8 auf beachtliche 5 bis 7 Prozent erhöhen können. Sein vielseitiges Engagement in Sachen Biodiversität zahlt sich ebenfalls aus. Spezielle
Der Wein sollte die Natur
möglichst wenig belasten.
Wenn er bio ist – umso besser.
Flächen dienen als Lebensraum und Rückzugsort für Insekten. Schafe, die in den Weinbergen weiden, tragen zur natürlichen Düngung bei. Darüber hinaus engagiert sich Mounir in Kooperationen mit Naturparks wie dem Regionalen Naturpark Pfyn im Wallis, um spezielle Programme zur Erhaltung der Tierwelt und zur Förderung von bedrohten Arten wie Schmetterlingen umzusetzen. Nicht zuletzt setzt er auf Wärmepumpen, Landmaschinen mit Elektroantrieb und Fotovoltaikanlagen. Das Gesamtbild ist stimmig und gefällt seinen Kundinnen und Kunden.
Die Weinproduktion im Wandel
Sein langfristiges Denken und Handeln, die Philosophie hinter seinen Weinen schätzen viele Gastronomen. Sie wollen ihn und seine Produkte kennenlernen und betrachten Wein nicht nur als Getränk, sondern als eine Geschichte, die sie ihren Gästen erzählen können. Die Tatsache, dass immer mehr Winzerinnen und Winzer in der Region in die gleiche Richtung gehen und auf biologische Weinproduktion umstellen, bestärkt ihn in seiner Vision.
Dieser klare Trend Richtung gesunder Boden und ressourcenschonender Weinbau wird vor allem von jüngeren Winzerinnen und Winzern vorangetrieben. Die steigende Nachfrage nach Bio-Wein und der Druck von Seiten der Gastronomie verstärken diesen Trend.
Anne-Claire Schott Weine – «Aroma der Landschaft»
Auf dem Weingut von Anne-Claire Schott steht die Biodynamik im Mittelpunkt. Die Winzerin hat sich leidenschaftlich dieser Art des Weinbaus verschrieben. Entsprechend ist auch ihr Weinangebot. Schott bietet zwei Weinlinien an: die Demeter-zertifizierten Rot- und Weissweine sowie Naturweine aus ihrer «Aroma der Landschaft»-Linie. Diese trüben und mazerierten Weine sind alles andere als traditionell, erfreuen sich in der Gastronomie aber grosser Beliebtheit. Schotts Weg zu dieser mittlerweile erfolgreichen Weingeschichte ist dabei eher ungewöhnlich: Nach ihrem Bachelorstudium in Kunstgeschichte und Soziologie brauchte sie etwas «Handfestes» und übernahm schliesslich den Betrieb von ihren Eltern. Ihr Studium hat aber grossen Einfluss auf ihre Arbeit als Winzerin. Heute arbeitet sie mit Künstlerinnen und Künstlern zusammen, die ihre Weine aus der «Aroma der Landschaft»-Linie mit passenden Bildern und Texten schmücken – die Nachhaltigkeit dabei immer im Blick.
Die biologische Landwirtschaft ist hier selbstverständlich
Möglichst alles von Hand, ohne synthetische Pestizide und chemische Düngemittel, ergänzt mit dem Erhalt der Bodengesundheit und der Förderung der Artenvielfalt. «Für mich ist der nachhaltige Weinbau selbstverständlich », so Schott. Diese unterstreicht sie mit der Demeter-Zertifizierung ihrer Rot- und Weissweine. Die Zertifizierung ist weltweit anerkannt und gilt als eine der strengsten und ganzheitlichsten Formen der Zertifizierung für biologische Landwirtschaft. Mit ihrem Naturwein geht Schott noch weiter. Naturwein ist vielmehr eine Bewegung, die sich für gemeinsame Weinbereitungsregeln einsetzt, die auf minimale
griffe im Weinberg und im Keller abzielen. Dies um die natürlichen Eigenschaften der Trauben zu bewahren. Dieser Wein legt weniger Wert auf Standardisierung und kann in Geschmack und Stil variieren. Als Mitglied beim Verein «Schweizer Naturwein» setzt sich Schott aber für eine klare Definition von Naturwein ein, damit in Zukunft eine klare Linie herrscht und genau nachvollziehbar ist, wann ein Wein auch ein Naturwein ist.
Die Natur liegt ihr am Herzen. Darum ergänzt Anne- Claire Schott die biodynamischen Standards von Demeter mit weiteren Umweltschutzmassnahmen. Sie verwendet Spritztees, ätherische Öle und Pflanzenextrakte zur Unterstützung der Pflanzen. Zudem pflanzt sie Obstbäume und fördert die Biodiversität, indem sie verschiedene Pflanzen und Kräuter in den Weinbergen wachsen lässt. Auch Olivier Savoy von der Vereinigung Schweizer Weinhandel sieht die Biodiversität als massgebliche Komponente zum unternehmerischen Fortbestand von Weinbetrieben. «Biodiversität macht Weinberge robuster gegen äussere Bedrohungen wie Krankheitserreger, erhält die Bodenfruchtbarkeit und erhöht die Wasserspeicherkapazität.»
Naturweine finden Anklang
chotts Mühen zahlen sich aus, denn vor allem in der hochwertigen Gastronomie, die grossen Wert auf Herkunft, saisonale Zubereitung und Schweizer Zutaten legt, finden die Demeter-Weine grossen Anklang.
«Für mich ist der nachhaltige
Weinbau selbstverständlich.»
Naturweine scheinen nach wie vor eine Nische zu sein, sind aber in Restaurants mit leidenschaftlichen Sommeliers, die ein Interesse an Naturweinen haben, sehr beliebt. Diese Restaurants schaffen für ihre Gäste eine unvergleichliche Geschmackserfahrung. Anne-Claire Schott ist davon überzeugt, dass Bioweinbau zur neuen Normalität wird. Die gestiegene Nachfrage und die Erfahrungen zeigen, dass es möglich ist, rentable Bioweine zu produzieren, die schmecken
Weinbau Grob – wild und spontan
Philipp Grob vom Weinbau Grob erklärt sein Winzerdasein mit Schicksal, wobei das Interesse für den Weinbau immer vorhanden war. Nach einigen freiwilligen Einsätzen bei diversen Winzern, unter anderem auch beim Natur-Winzer Hans-Peter Schmidt von Mythopia, entstand ein Wein, der Mut und Lust auf mehr machte. Im Jahr 2019 war er dann stolzer Inhaber von Parzellen in seiner Wohngegend in St. Gallen. Sein Keller, wo die Trauben zu Wein werden, liegt auf dem Stadtgebiet, gleich hinter der Kathedrale. Dort erfolgt die gesamte Verarbeitung – von A bis Z von Hand. Einzig eine kleine Weinpresse kommt zum Einsatz.
Im Einklang mit der Natur
Für Philipp Grob ist nachhaltiger Weinbau eine Philosophie, die von Handarbeit und minimaler technischer Intervention geprägt ist. In seinen Augen bedeutet Nachhaltigkeit, den Weinbau in Einklang mit der Natur zu betreiben, indem er auf Maschinen verzichtet und stattdessen auf traditionelle, schonende Methoden setzt. Der gesamte Produktionsprozess erfolgt mit grösster Sorgfalt und ohne den Einsatz elektrischer Geräte wie Pumpen oder Abfüllanlagen. Die Gärung erfolgt auf natürliche Weise, dank der in den Trauben vorhandenen Hefen, und es werden keine Schönungsmittel oder andere Zusätze hinzugefügt. Grob setzt auf schonende Methoden, um die Umwelt zu schützen. Er mäht nur, wenn es nötig ist, verzichtet auf schwere Maschinen, um die Bodenverdichtung zu minimieren und arbeitet im Einklang mit den Rhythmen des Mondes und der Gestirne. Darüber hinaus stärkt er die Reben mit Teeaufgüssen aus Pflanzen wie Ackerschachtelhalm, Kamille, Schafgarbe, Löwenzahn und Brennnessel. Das Ergebnis dieser nachhaltigen Herangehensweise sind lebendige, naturbelassene Weine, die die Essenz der Trauben auf einzigartige Weise widerspiegeln.
«Der Verzicht auf den Einsatz
von Schwefel ist eine weitere
wichtige Entwicklung.»
Steigende Nachfrage
Diese spannenden Weine entgehen der Schweizer Gastronomie nicht. Fünfundneunzig Prozent seiner Weine verkauft Grob in der Schweiz – und die Nachfrage steigt stetig. Für Grob ist die Zukunft des Weinbaus von einer klaren Verschiebung hin zu nachhaltigen und ökologischen Praktiken geprägt. Immer mehr Winzerinnen und Winzer stellen ihren Betrieb auf Bio um und setzen verstärkt auf spontane Gärung. «Der Verzicht auf den Einsatz von Schwefel ist eine weitere wichtige Entwicklung», so Grob. Diese Massnahmen sind Teil eines breiten Trends, der auf gesündere Weinbaupraktiken abzielt. Dem Naturwein gehört klar die Zukunft.
Herausforderung Klimawandel
Auch vor dem Weinbau macht der Klimawandel nicht halt. Winzerinnen und Winzer werden zu einem Umdenken gezwungen. Dazu haben Schott, Mounir und Grob verschiedene Anpassungsstrategien entwickelt. Sie alle setzen auf Begrünung und versuchen, in trockenen Jahren Schatten in den Weinbergen zu schaffen. Philipp Grob konzentriert sich darauf, die Bodenfeuchtigkeit zu bewahren, insbesondere in Zeiten der Trockenheit. Seine Strategie umfasst weniger Mähen und das Niedertrampeln von Bewuchs zwischen den Reben, um den Boden vor zu schnellem Austrocknen zu schützen. Olivier Mounir spricht die steigenden Alkoholgehalte in Weinen aufgrund des Klimawandels an und betont die Schwierigkeit, das Gleichgewicht zwischen Frucht, Aromatik und Alkohol aufrechtzuerhalten. Die Wahl der richtigen Rebsorte und Bewirtschaftungsmethode ist entscheidend, um den Veränderungen des Klimas entgegenzuwirken. Es darf laut Mounir auch mal eine südafrikanische Rebsorte sein: «Die Anpassungsfähigkeit der Winzerinnen und Winzer ist entscheidend, um diese neuen Herausforderungen zu bewältigen und nachhaltige Lösungen zu finden.»
Erleben und Verstehen
Die Weinexperten und -journalisten Benjamin Herzog und Dominik Vombach von «Schöner Saufen» vermitteln Kursteilnehmenden das nötige Wissen und sensorische Fähigkeiten, um selbstbewusst in der Welt des Weins zu agieren. Dabei liegen ihnen Naturweine besonders am Herzen.
Welche Kurse zum Thema «nachhaltiges Winzern» bieten Sie an?
eim Kurs «Schöner Saufen: Naturwein» dreht sich alles um Naturweine, die mit möglichst wenigen oder gänzlich ohne Behandlungsmittel hergestellt werden. Im Kurs wird diese Produktionsphilosophie beleuchtet.
Welche Vorteile bieten Ihre Kurse den Teilnehmenden in Bezug auf den Genuss und das Verständnis nachhaltiger und biologischer Weine?
Wir zeigen auf, welche Vorteile der biologische Anbau gegenüber dem konventionellen Anbau hat. Studien belegen zum Beispiel, dass die Traubenqualität durch den biodynamischen Anbau messbar steigt. Das spricht für sich.
Welche Trends sehen Sie in Bezug auf nachhaltige und biologische Weine, und wie spiegeln sich diese in Ihren Kursangeboten wider?
Nachhaltigkeit ist vor allem seit Covid-19 ein grosses Thema in der Weinbranche. Ausgelegt wird der Begriff jedoch sehr unterschiedlich. Wir können beobachten, dass der Anteil an Biowinzern stetig steigt. Sie geben hauptsächlich die Weinqualität als Grund für die Umstellung an.