Beverage 17.06.2019

VON DER KAFFEEBOHNE BIS ZUR KAPSEL

Thomas Schwegler und seine peruanische Frau Gisella Iriarte bauen im peruanischen Hochland Bio-Kaffee an, den sie in der Schweiz gleich selber vermarkten – unter anderem in kompostierbaren Kaffeekapseln.

«Wenn du Geld verdienen willst, dann lass es bleiben.» Das bekam Thomas Schwegler vor acht Jahren zu hören, als er und seine Frau Gisella Iriarte damit liebäugelten, Kaffeebauern zu werden. Doch davon liess sich das schweizerisch-peruanische Ehepaar nicht abhalten. Schwegler hatte zwar viel Erfahrung im Rohkaffeehandel, aber wenig Ahnung von der Produktion. Trotzdem stürzte sich das Ehepaar 2012 mit einer eigenen Kaffeefarm in Peru ins Abenteuer. «Wir sind ziemlich naiv herangegangen und haben unterschätzt, wie viel Zeit und Geld es braucht, eine Kaffeefarm aufzubauen», sagt Schwegler. Aufgegeben haben sie jedoch nicht. Und jetzt wollen Thomas und Gisella die Gunst der Schweizer Kaffeegeniesser mit ihrem Spezialitätenkaffee in Bio-Qualität erobern.
Ihre Farm «Tropical Mountains» liegt abgelegen in der Provinz Chanchamayo in der besten Anbauregion von Zentralperu mit subtropischen Bergwäldern. Bis in die Hauptstadt Lima sind es zwölf holprige Autostunden. Auf 1300 bis 1800 Metern Höhe bewirtschaftet das Ehepaar mit seinem Team momentan 36 Hektaren, 72 Hektaren umfasst die Farm insgesamt, in den nächsten Jahren soll die Anbaufläche erweitertet werden. Angebaut wird hauptsächlich Arabica und kleine Mengen Robusta. 25 Tonnen Rohkaffee wirft die Farm jährlich ab, wobei noch nicht alle Pflanzen Ertrag geben. Drei Jahre braucht nämlich ein frisch gepflanzter Kaffeestrauch, bevor zum ersten Mal Kaffeebohnen geerntet werden können.

Nachhaltigkeit und Transparenz

Wer sich als kleiner Kaffeeproduzent gegen die Grossen am Markt behaupten will, muss vor allem eines: sich von der Konkurrenz abheben. Thomas Schweglers Rezept lautet Nachhaltigkeit und Transparenz. Thomas und Gisella produzieren biologisch: Die Kaffeepflanzen wachsen im Schatten tropischer Bäume; so reifen die Beeren langsamer und die Aromastoffe können sich besser entfalten. Unkraut wird in mühsamer Handarbeit ohne Chemie bekämpft und die Bohnen werden von Hand gepflückt. Seit 2016 ist die Farm EU-Bio-zertifiziert. «Rein betriebswirtschaftlich betrachtet ist Bioproduktion eigentlich ein Fehlentscheid», sagt Schwegler. Mit konventioneller Produktion könnten sie doppelt so viel produzieren. Dennoch würde er sich wieder für Bio entscheiden. Aus Respekt gegenüber der Natur, und um die Böden nicht auszulaugen. Zudem sei «Bio» nach der Qualität, dem Geschmack und der Geschichte ihres Kaffees ein weiteres Differenzierungsmerkmal. Auch soziale Nachhaltigkeit ist Schwegler wichtig. Die Angestellten erhalten faire Arbeitsbedingungen und Löhne und ein kleiner Teil des Umsatzes fliesst in soziale Projekte im Dorf, etwa in den Bau einer Schule.

Transparenz verspricht Schwegler von «der Bohne bis zur Tasse». Auf Zwischenhändler oder die Kaffeebörse ist die Farm nicht angewiesen. Die geernteten Bohnen werden direkt auf der Farm geschält, fermentiert, gewaschen und getrocknet. Dann importiert sie Schwegler selber nach Europa, wo er sie weiterverarbeiten lässt. Auch ums Marketing und den Vertrieb kümmert sich Schwegler mit seiner Firma «Tropical Mountains» selbst. Für das Ehepaar heisst das: es sieht sich selten. Während sich seine Frau Gisella in Peru um die Farm kümmert, arbeitet Thomas die meiste Zeit des Jahres in Zug am Vertrieb und der Vermarktung des Kaffees. Zweimal jährlich reist er für mehrere Wochen nach Peru, zwischendurch besucht ihn seine Frau in der Schweiz.

Für jeden Geschmack

Ursprünglich verkaufte «Tropical Mountains» ausschliesslich Kaffee von der eigenen Farm, sogenannten Single-Farm-Kaffee. «Unser hell gerösteter Terroir-Kaffee ‹Angelito› ist etwas für Experimentierfreudige, sehr eigen, mild, mit dezenter Fruchtnote», beschreibt Schwegler seinen Farm-Kaffee. «Die dunklere Röstung ‹Mafioso› enthält weniger Fruchtsäuren und ist kräftiger, mit feinen Schokoladennoten.» Die meisten Schweizer Kaffeetrinker seien jedoch geprägt durch die dunklen Röstungen aus Italien mit viel Robusta-Kaffee und Blends aus verschiedenen Ländern. «Diese Blends kommen meist runder daher, weil die besten Eigenschaften aus den jeweiligen Herkunftsländern kombiniert werden können», erklärt Schwegler. Deshalb kauft er Bio-Kaffee aus Kolumbien und Brasilien dazu, «von Bauern, die ich persönlich kenne». Den zugekauften Kaffee mischt er mit seinem eigenen zu vier Blends. «Damit haben wir für jeden Geschmack etwas.» In jeder Mischung steckten aber mindestens 50 Prozent Kaffee von der eigenen Farm.

Ein Zugeständnis an die Vorlieben der Konsumenten hat Schwegler auch bei den Kaffeekapseln gemacht. «Ich wollte eigentlich keine Kapseln verkaufen, weil ich sie unökologisch fand.» Aber die Kunden hätten danach verlangt. Heute bietet Schwegler seinen Kaffee nicht nur als Bohnen und gemahlenen Kaffee, sondern auch in kompostierbaren Kapseln an, die in Nespresso-Maschinen passen. «Dieses Segment wächst heute am stärksten.» Rösten und abfüllen lässt er den Kapselkaffee bei einem Spezialisten für kompostierbare Kapseln in Italien. Den übrigen Bohnenkaffee röstet ein erfahrener Röstmeister in Luzern.
Die Kapseln bestehen aus dem natürlichen Rohstoff Lignin und zersetzen sich im Gartenkompost. «Wichtig ist, dass der Kompost genügend Hitze produziert und die Kapseln zerkleinert werden, um genügend Angriffsfläche für Mikroorganismen zu bieten.» Alternativ können die Kunden die Kapseln sammeln und per Post an eine Kompostieranlage im Thurgau schicken, mit der «Tropical Mountains» zusammenarbeitet.

Detailhandel und Hotellerie

Schwegler verkauft seinen Kaffee zum einen über den eigenen Online-Shop. Zu kaufen gibt es ihn ausserdem seit längerem bei Globus und seit Anfang Mai auch in 200 Schweizer Bioläden und Reformhäusern. Zudem beliefert Schwegler mit eigenem und zugekauftem Rohkaffee kleine Kaffeeröstereien in ganz Europa. Mit allen Segmenten setzt Schwegler pro Jahr rund 60 Tonnen Kaffee um, wobei der Rohkaffeehandel 35 bis 40 Prozent ausmacht, die Kapseln etwa 30 Prozent.

Schwegler hofft, noch stärker im Detailhandel Fuss zu fassen. «Die Retailer bieten beim Kaffee im Premium- und Nachhaltigkeitssegment wenig an, diese Lücke möchten wir schliessen.» Mit einem Kapselpreis von rund 59 Rappen bewege sich «Tropical Mountains» im oberen Drittel des Preissegments. Wachstumspotenzial sieht Schwegler auch in der Zusammenarbeit mit Luxushotels und Firmen, die in ihren Hotelzimmern und Büros Kapselmaschinen haben, aber eine Alternative zu Alu- und Plastikkapseln suchen. Ihnen bietet «Tropical Mountains» einen besonderen Service: Die Kapselbehälter sind wiederbefüllbar, die Nachfüllkapseln liefert Tropical Mountains im wiederverwertbaren Stoffsack mit 100 oder 250 Kapseln. «Zero Waste ist das Ziel.»

Die Kapselbehälter selber, die mit ihrer Form an den ikonischen Bialetti-Kaffeekocher erinnern, sind aus pflanzlicher Stärke gefertigt und lassen sich ebenfalls kompostieren. Der Clou: Im Deckel ist ein Kaffeesamen eingelassen. «Damit kann jeder selber zum Kaffeebauern werden», schmunzelt Schwegler.

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