Gastronomie Damian Oettli 30.08.2019

Überfischung: WWF Schweiz gibt Tipps für Nachhaltigkeit

Die Fischbestände in den Weltmeeren nehmen rapide ab. Die Gastronomie könne wesentlich zur Reduktion der Probleme beitragen, schreibt Damian Oettli vom WWF Schweiz in seinem Gastbeitrag. Seine Tipps: Fische aus Schweizer Gewässern wählen, Fisch als Delikatesse betrachten und strikt auf Nachhaltigkeitskriterien achten.

Die Weltbevölkerung nimmt zu und mit ihr die globale Nachfrage nach Fisch. Die Welternährungsorganisation FAO spricht von über 90 Millionen Tonnen Fischen, die jährlich aus den Meeren geholt werden. Die jahrzehntelange Überfischung der Meere hat viele Bestände an den Rand des Kollapses gebracht. 90 Prozent aller Fischbestände müssten heute geschont werden, stattdessen werden sie weiter intensiv befischt. In den europäischen Gewässern ist die Situation besonders schlimm: Im Mittelmeer und im Schwarzen Meer werden 62,2 Prozent der Bestände als überfischt klassifiziert. Dramatisch wirkt sich auch der Beifang auf Fischbestände aus – also die Fische, welche die Schiffsbesatzungen nicht fischen wollen, die aber trotzdem tonnenweise in den Netzen der schwimmenden Fabriken landen. Weiteren Druck übt die illegale Fischerei aus. Dazu zählen Fische, die mit unerlaubtem Fanggerät, zu Sperrzeiten, in Schutzgebieten, ohne Lizenzen oder über die erlaubten Mengen hinaus gefangen werden. Die illegale Fischerei weltweit wird auf 26 Millionen Tonnen im Wert von 8 bis 20 Milliarden Euro geschätzt.
 

TIPPS FÜR DIE GASTRONOMIE!
Die Gastrobranche kann massgeblich zur Senkung der Umweltprobleme durch den Fischkonsum beitragen. Und zwar indem sie beim Einkauf auf Fische aus umweltverträglichen Quellen setzt.

Fische aus Schweizer Gewässern sind beispielsweise immer eine gute Wahl. Für Zuchtfische empfiehlt der WWF Fisch mit den Labeln Bio und ASC, für Wildfische jene mit dem Label MSC. Alle drei Label stehen für Umweltstandards, sind aber kein Allheilmittel und können die Plünderung der Meere alleine nicht stoppen. Ein Fischangebot sollte daher sparsam zusammengestellt und immer als Delikatessgericht angeboten werden.

Einkaufsverantwortliche der Gastrobetriebe sollen beim Lieferanten hartnäckig nachfragen, ob und welchen Nachhaltigkeitskriterien ein Produkt entspricht. Wichtig auch: Nur so viel Fisch und Meeresfrüchte einkaufen, wie wirklich gebraucht wird.

Weitere Tipps: Das Angebot auf der Speisekarte auf wenige Fischarten konzentrieren, dafür die anbieten, die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Letzteres ist tendenziell bei den bekannten Arten der Fall, bei denen sich die Wertschöpfungsketten besser überprüfen lassen. In der Küche gibt es weitere Möglichkeiten. Zum Beispiel kleine Portionen servieren und dafür die Möglichkeit für einen Nachschlag anbieten. Das verhindert Foodwaste. Und immer die ganzen Tiere verwerten, auch die weniger edlen Teile davon. Aus Fischkarkassen lässt sich beispielsweise ein Fond herstellen, der für andere Fischgerichte als Basis dient.

WWF Schweiz

Kein Fisch mehr im Wasser
Bis Mitte des 21. Jahrhunderts könnte, so eine Studie kanadischer Wissenschaftler, die gesamte kommerzielle Fischerei komplett zusammenbrechen – falls die Menschheit so weiter macht wie bisher. Als Königsweg aus der Fischereikrise und als Antwort auf die steigende Nachfrage nach Fisch werden daher Fischfarmen auch Aquakulturen genannt bewertet. Während der Anteil von wildgefangenem Fisch in den letzten Jahren quasi gleichgeblieben ist, wuchs der Anteilvon Fisch aus Fischfarmen kontinuierlich auf rund die Hälfte des Konsums an. Doch auch Fischfarmen tragen zur Plünderung der Ozeane bei, denn in ihnen werden grosse Mengen Wildfisch verfüttert. Zudem verdrängen die Farmen wertvolle Lebensräume wie Mangrovenwälder, die Kinderstuben heranwachsen der Speisefische. Der Grossteil der weltweiten Aquakulturen findet in sogenannten offenen Systemen statt. Diese verursachen grosse Umweltschäden, wenn Chemikalien, Nahrungsreste, Fischkot und Antibiotika in die Flüsse und Meere gelangen.

«Auch Fischfarmen tragen zur Plünderungder Ozeane bei.»
 

Es führt kein Weg an einem sorgsameren Umgang mit der Ressource Fisch vorbei. Und zwar auch bei uns in der Schweiz. Denn mit mittlerweile 8,7 Kilogramm Fisch und Meeresfrüchten pro Kopf und Jahr ist unser Konsum innert 25 Jahren um 60 Prozent angestiegen. 98 Prozent dieses Bedarfs decken wir mit Waren aus dem Ausland, etwa die Hälfte der Fisch- und Meeresfrüchteimporte gelangt in die Gastronomie.
 

«Etwa die Hälfte der Fisch- und Meeresfrüchteimporte gelangt in die Gastronomie.»
 

Fischessen hat übrigens auch etwas mit sozialer Gerechtigkeit zu tun. Weil Fisch für sehr viele Menschen ihre Existenz bedeutet, nämlich Nahrung und Arbeit. Werden diese Menschen in Zukunft noch genügend Fisch haben, um ihre Grundbedürfnisse zu decken? Und dürfen wir zulassen, dass Verteilungsungerechtigkeiten und Ressourcenknappheit zu Lasten der Ärmsten gehen, nur weil wir unsere Gewohnheiten nicht ändern wollen? Diese Fragen gehen Konsumenten, Detailhandel und Gastronomie etwas an.

 

NACHHALTIGKEIT GEHT ÜBER DIE KÜCHENTÜR HINAUS!
Wie bei anderen Werten gilt auch bei der Nachhaltigkeit: Gemeinsam gelebt, trägt sie dazu bei, dass alle Mitarbeitenden in einem Unternehmen am selben Strang ziehen. Nachhaltigkeit muss im Betrieb solid verankert sein. Ansonsten gibt es ein Glaubwürdigkeitsproblem. Das beginnt bei der Chefin, die die Verantwortung für eine praxisnahe und wirksame Nachhaltigkeitsstrategie trägt. Die Umsetzung erfolgt durch die Mitarbeitenden aller Bereiche und muss regelmässig geschult, diskutiert und weiterentwickelt werden. So leben sie den Gedanken weiter und übertragen ihn auf Geschäftspartner und Kunden. Ein einfaches Vorschlagswesen kann helfen, die kreativen Ideen der Mitarbeitenden oder der Gäste zu nutzen, um neue Nachhaltigkeitsideen im Betrieb zu testen und zu verankern.

WWF Schweiz

VON:
Damian Oettli