Arosa und Lenzerheide: Im Skigebiet funktioniert die Verbindung, politisch bleibt es kompliziert.
Hotellerie Stefan Kühnis 11.10.2018

Tourismus: So können Hoteliers mitentscheiden

Wer mehr Mitsprache will, bekommt sie auch, sagen Experten.

Viele Hoteliers hätten gerne mehr Mitsprache bei der Entwicklung ihrer örtlichen Tourismusdestination. Und es gibt durchaus Möglichkeiten. Wer mitreden möchten, muss sich allerdings auch dreinreden lassen.

Im Tourismus gibt es eine Trennung zwischen den Anbietern. Auf der einen Seite sind die Leistungserbringer wie Hotels, Museen, Restaurants, Bergbahnen und so weiter, auf der anderen jene Stellen, die mit der Vermarktung und Promotion einer Destination betraut sind. Damit unterscheidet sich diese Branche von anderen, zum Beispiel von der Industrie. Und daraus entstehen natürlich Spannungsfelder.

Wie sich der Tourismus – und damit vor allem auch die Hotellerie – an einem Ort entwickelt, hängt jedoch massiv von der Destinationsentwicklung ab. Darum scheint auch klar, dass die Hoteliers dabei sein müssen, wenn es darum geht, die Destination vorwärtszubringen. In ihrem ureigenen Interesse. «Hotels sind auch Vernetzer von verschiedenen Dienstleistungen in der Region», sagt Ernst Brugger, Präsident des Tourismusrats Graubünden. «Hoteliers sollten deshalb alles dafür tun, dass die Destination ein klares Ziel verfolgt und eine gemeinsame Strategie und ein wirksames Marketing hat.»

«Hoteliers sollten alles dafür tun, dass
die Destination ein klares Ziel verfolgt.»

Ernst Brugger
Präsident Tourismusrat Graubünden

Einander zuhören

«Im Tourismus schaut man oft auf das Negative, aber vieles funktioniert sehr gut», sagt Nicolas Olivier Mayer, Partner und Industry Leader im Hospitality & Tourism Centre of Excellence von PwC Schweiz. «Die Kommunikation findet bereits jetzt fast überall statt, meistens ist sie sehr robust. Ganz besonders in urbanen Zentren wie Zürich, Genf oder Basel gibt es eine echte Zusammenarbeit und die meisten Beteiligten sind mit ihrem Anteil am Kuchen zufrieden. Unter diesen Voraussetzungen kann man langfristig und strategisch an Projekten arbeiten.» In Zürich haben Hoteliers eine starke Rolle und wissen sich gut zu positionieren. In den Projekten sitzen alle Player an einem Tisch, es gibt klare Ziele und Strategien und man weiss, wie man seine Ressourcen einsetzen will. «Wenn es aber schlecht läuft – im Moment ist das vor allem in Bergregionen der Fall – beginnt ein Verteilkampf», sagt Mayer. «Oft hat man es dort verpasst, sich an die neue Welt und an veränderte Kundenbedürfnisse anzupassen. Dann kommt plötzlich der Ruf auf, mehr zusammenzuarbeiten. Was man aber eigentlich meint: Jeder einzelne will mehr Einfluss darauf haben, den grössten Teil des kleiner werdenden Kuchens zu sich zu bringen anstatt zum Nachbarn. Aus reiner Existenzangst entsteht eine angespannte Atmosphäre und die positive Kommunikation bricht zusammen. Wenn Hoteliers dann sagen, man höre nicht auf sie, muss man das auch umgekehrt betrachten: Diese Hoteliers hören nämlich auch nicht immer auf die Vermarktungsorganisation. ­Jedoch muss jeder, der mehr Einfluss haben möchte, sich auch öfter beeinflussen lassen.»

«Hoteliers sollten alles dafür tun, dass
die Destination ein klares Ziel verfolgt.»

Ernst Brugger
Präsident Tourismusrat Graubünden

Gäste, Werte und Daten

Aus der Sicht von Ernst Brugger vom Tourismusrat Graubünden ist es matchentscheidend, dass alle Beteiligten wissen, was sie miteinander erreichen wollen. «Wer das hinbringt, hat eine überdurchschnittliche Wachstumsrate und Wettbewerbsfähigkeit», sagt er. «Es gibt eine Reihe von Destinationen in der Schweiz, die das vorbildlich machen. Zum Beispiel Laax.»
In Laax ist Reto Gurtner als Präsident und Geschäftsleitungsvorsitzender der Weissen Arena Gruppe ein wichtiger Player. «Ein Hotelier möchte natürlich primär seine Betten füllen», sagt Gurtner. «Aber das reicht nicht. Niemand geht nur wegen einem Bett an einen Ort. Der Kunde muss ein Motiv haben, um in eine Region zu reisen. Deshalb muss man verstehen, für wen man ein Angebot ausarbeitet, also wer überhaupt unser Gast ist. Es braucht ein klares Profil. Doch das verstehen viele Destinationen nicht.» Wenn man seinen Gast kennt, stellt sich die Frage nach dem Wert eines Angebotes, sprich: Wie viel Zahlungsbereitschaft bringt der Gast mit, um ein Angebot zu nutzen? «Beispielsweise kann es für Gäste mit Familie und viel Gepäck sehr wichtig sein, im Ort einen Parkplatz reservieren zu können. Sie sind bereit, dafür auch etwas zu bezahlen.» Oder wenigstens eine App zu nutzen, mit der sich dieser Parkplatz reservieren lässt. Mit «Inside LAAX» hat der Ort eine Plattform geschaffen, die dem Gast viel hilft, aber auch dem Ort inklusive den Hoteliers. Mit der interaktiven App kann man nicht nur einen Parkplatz oder ein Hotelzimmer reservieren, Gäste können auch Punkte sammeln und Erfahrungen austauschen. So weiss man in Laax, was die Gäste wollen und kaufen und was sie gut finden – und kann das Angebot entsprechend ausrichten und ausbauen. Ohne Daten könne man nichts entscheiden, sagt Gurtner, sonst sei man Spekulant. Und: «Letztlich muss es allen Akteuren gut gehen. Haben die Hoteliers keine Gäste, haben alle anderen Anbieter im Ort wohl auch keine Kunden. Also geht es auch darum, wie wir den Hotelier noch wertvoller machen können.»

«Niemand geht nur wegen
einem Bett an einen Ort.»

Reto Gurtner
Vorsitzender der Weissen Arena Gruppe

Biker oder Bären

Hoteliers haben also durchaus einige Argumente, um in der regionalen Tourismusorganisation auf Mitsprache zu pochen. Dabei sollten aber auch sie stets das Gesamtwohl der Region im Fokus behalten. Andreas Züllig, Präsident des Verbands hotelleriesuisse und Gastgeber im Hotel Schweizerhof in Lenzerheide, gewährt beispielsweise auch Gästen aus anderen Hotels Eintritt in das Hammam seines Hauses. «Das ist keine Konkurrenz, sondern wertet den ganzen Ort und unser Gesamtprodukt auf», sagt er. Auch für ihn steht die klare Fokussierung im Zentrum des Erfolgs einer Destination. «Wir müssen wissen, wofür wir stehen – und dort die besten sein», sagt er. «Wenn wir uns als Bikeregion definieren, investieren Hotellerie, Bergbahnen und Gemeinde in eine entsprechende Infrastruktur. Natürlich können nicht alle Destinationen die gleiche Zielgruppe ansprechen. In Arosa gibt es nun beispielsweise das Bärenland, das eine ganz andere Kundschaft anspricht.»

Nach Arosa führt inzwischen eine Bergbahn von der Lenzerheide aus. Dennoch sei eine tälerübergreifende Koordination noch immer schwierig in einem föderalistischen Land wie der Schweiz, sagt Züllig. «Für eine Gemeinde hört der Raum des Denkens und ­Bewegens an der Gemeindegrenze auf. Doch dem Gast ist das egal. Er interessiert sich nicht für Gemeinde-, Kantons- oder gar Landesgrenzen. Wir müssen noch mehr lernen, aus der Sicht des Gastes zu denken und zu handeln. Ein Biker will nicht in jedem Ort eine neue App herunterladen, um zu wissen, wo er biken, essen und übernachten kann. Deshalb braucht es auch für kleine Orte vermehrt sogenannte Shared Services. Nicht jeder Ort soll eine eigene Homepage oder App entwickeln müssen, sondern man kann diese gemeinsam beziehen und miteinander vernetzen. Ich denke, das ist die Zukunft. Jeder für sich, das wird künftig nicht mehr funktionieren.»

«Wenn jeder etwas in einen Topf wirft, können wir mit mehr Budget und mit mehr Power auftreten.»

Jürg Domenig
Geschäftsführer hotelleriesuisse Graubünden

Ob Laax oder Lenzerheide – Hauptsache Graubünden

Selbst wenn man sich von einzelnen Destinationen löst und das grosse Ganze betrachtet, bieten sich Möglichkeiten für Kooperationen. Zum Beispiel versucht sich der Kanton Graubünden in Fernmärkten wie Asien, den USA und den Golfstaaten vermehrt als eine einzige Destination zu präsentieren. «Diese Fernmärkte bedienen derzeit nur wenige, meist grössere und finanzkräftige Hotels», sagt Jürg Domenig, Geschäftsführer von hotelleriesuisse Graubünden. «Kleineren Häusern und Destinationen fehlen dafür häufig die finanziellen Mittel und die Ideen. Wir möchten diese nun zusammenbringen. Wenn jeder etwas in einen Topf wirft, können wir mit mehr Budget und mit mehr Power auftreten. In unserem ersten Salesprojekt Golfstaaten haben wir nun knapp 20 Hotels und zwei Destinationen zusammengebracht, verteilt über den ganzen Kanton. Alle Häuser haben eine eigene Geschichte und unterscheiden sich untereinander, aber alle haben die gleiche Idee und den gleichen Plan. In diesem Projekt werden wir nun auch mit einer Person, die in den Golfstaaten für den Kanton Graubünden weibelt, aktiv auf uns aufmerksam machen.»

Empfehlungen für Hoteliers

Was sollen Hoteliers nun also tun, um mehr mitreden zu können? Jürg Domenig empfiehlt beispielsweise, dass Hoteliers vermehrt auch an ungewöhnliche Kooperationen glauben – mit Hotels, die geografisch nicht unbedingt in der Nähe liegen. Für Reto Gurtner steht eher die Kollaboration im Zentrum, weniger die Kooperation. Man müsse nur jene Produkte miteinander verbinden, die Sinn machen und gewinnbringend sein können. Nicolas Olivier Mayer sieht mehr strukturierte Konsultation mit Projektgruppen und Verantwortlichen immer als Teil einer Lösung. Wer aber bei einer Entscheidung unterliege, müsse trotzdem mitspielen. Sonst entstehe ein jahrelanger Krebsgang, wie er in gewissen Bergregionen zu beobachten sei. Andreas Züllig wiederum plädiert vor allem für mehr Engagement: Wenn man beispielsweise im Gemeinderat oder im Vorstand einer Tourismusorganisation sei, habe man beste Möglichkeiten, mitzureden und mitzugestalten.

Kurz: Es braucht Innovation, Zusammenarbeit, Engagement und Zeit. Wer sich einbringt, kann mitreden. Und wer zuhört, wird auch gehört werden.