Take-away und Lieferservice funktionieren auch auf Gourmetebene, wie diese Kreationen der Swiss Culinary Creators zeigen
Gastronomie Bettina Kälin 27.04.2022

Take-away: Gekommen, um zu bleiben

Take-away und Essenslieferungen waren während der covidbedingten Lockdowns für viele Restaurants eine Notlösung. Viele Gastronomen sind dadurch auf den Geschmack gekommen und bieten die Services weiterhin an.

Die Zahlen des Branchenverbands Gastrosuisse zeigen deutlich: Die Pandemie hat das Angebot im Take-away-Bereich verändert. 32,5 Prozent aller Gastrosuisse-Mitglieder stellten während der Lockdowns auf eine Take-away-Lösung um. Zuvor boten 3,5 Prozent der Betriebe Take-away und 1,7 Prozent einen Lieferdienst an. Die Angebote haben sich zwar vervielfacht, doch ein Grossteil der Restaurants stellte den Lieferservice nach dem Lockdown wieder ein. Laut einem Zwischenergebnis der aktuellen Mitgliederumfrage sind es aktuell 11 Prozent mit Take-away und 3,4 Prozent mit Lieferdienst.

Mit Vorsprung gestartet

Glück im Unglück hatte das Casa Novo in Bern. Das mit 14 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnete Restaurant befand sich mitten im Entwicklungsprozess, einen Delivery- und Take-away-Service aufzubauen, als im März 2020 der erste Lockdown die Gastrobranche erschütterte. Gastgeberin Hanna Rehmann erklärt, warum man das Angebot schon zuvor mit Take-away ausbauen wollte: «Pizza, Pasta und Döner konnte man in Bern schon immer bestellen, aber kulinarisch hochstehendes Essen nicht. Das war eine Marktlücke.» Die Vorarbeit gab dem Casa Novo einen Startvorsprung. «Wir konnten umgehend loslegen und waren mit unseren Gourmet-Take-away unter den Ersten in Bern», sagt Rehmann. Das Angebot lief so gut an, dass die Mitarbeitenden nicht in Kurzarbeit geschickt werden mussten.

Beim zweiten Lockdown war die Konkurrenz besser vorbereitet. Weitere Gourmetbetriebe hatten ihr Takeaway-Angebot aufgebaut. Zudem verfügte das Casa Novo über zu wenige mobile Mitarbeitende, um die Lieferungen zu garantieren. «So entstand das Casa Novo @ Casa», erzählt die Gastgeberin. «Wir boten vorbereitete Gerichte an, die mit wenigen Handgriffen zuhause fertig zubereitet wurden.» Der Vorteil: Fahrerinnen und Fahrer waren nicht mehr an einen fixen Zeitraum gebunden und konnten die Bestellung

«Die Plattformen bieten uns eine grössere Sichtbarkeit.»

Hanna Rehmann, Gastgeberin Casa Novo

flexibler liefern. Die Gerichte von Casa Novo @ Casa sowie saisonale Angebote wie Muttertagmenüs und Osterbrunch waren anfangs nur über den RestaurantWebshop erhältlich. Später arbeitete Casa Novo mit eat.ch, Uber und «Schneller Teller», einem Dienst der Berner Velokuriere, zusammen. «Zwar verlieren wir mit den Kommissionen einen Teil der Einnahmen», sagt Rehmann. «Aber dafür bieten uns die Plattformen auch eine grössere Sichtbarkeit.» Um Casa Novo @ Casa bekannter zu machen, setzen Hanna Rehmann und ihr Team einerseits auf lokale Bloggerinnen und Blogger und andererseits auf Newsletter, Social Media und Wettbewerbe. Und auch klassisch zum Telefon griff die Gastgeberin. «Wir hatten ja viel Zeit, also kontaktierten wir jene, die bereits im ersten Lockdown bestellt hatten.»

 

Eine Chance für alle

Ihr Fazit: «Delivery ist nicht rentabel, aber es hat unseren Mitarbeitenden eine Beschäftigung ermöglicht. Das war gerade auch für unsere Lernenden sehr wichtig.» Und nicht nur der Kontakt im Team blieb erhalten, auch bei den Gästen blieb man dank Casa Novo @ Casa im Gespräch. Dafür ist Hanna Rehmann sehr dankbar. «Wir haben zum Glück viele langjährige Stammgäste, die uns mit ihren Bestellungen unter die Arme gegriffen und uns unterstützt haben.» Die Nachfrage nach kulinarisch hochstehenden Gerichten sei zwar da, aber die Preisgestaltung verlangte Rehmann einen grossen Spagat ab. «Wir mussten preislich attraktiv bleiben und miteinbeziehen, dass der Gast ja selbst noch fertig kochen und abwaschen muss. Aber gleichzeitig wollten wir auch nicht nur Pasta mit Pesto anbieten», erklärt die Gastgeberin. «Es galt, die passenden Gourmetgerichte zu finden, die man auch als Laie gut zubereiten kann.» Das Angebot durfte nicht zu raffiniert und zu schwierig sein, sollte aber dennoch nicht vom üblichen Standard von Casa Novo abweichen.

Nach der Teilöffnung wurden auf der Restaurantterrasse die gleichen Gerichte serviert, die man auch bei Novo @ Casa bestellen konnte. «Dadurch mussten wir keine zusätzlichen Waren einkaufen und konnten besser auf Schwankungen reagieren», so Rehmann. Die Deliverykanäle nutzte das Casa Novo eine Zeit lang weiter, bis der Aufwand neben dem Betriebsalltag zu gross wurde. Geblieben ist hingegen das Take-away-Angebot. Die Tagesgerichte können weiterhin online bestellt und abgeholt werden. «Gourmet als Take-away ist eine Gratwanderung, die man aber unbedingt machen sollte», ist Hanna Rehmann überzeugt. «Take-away spricht ein anderes Kundensegment an, das man ohne das Angebot nicht erreichen würde.» Es sei schön, auch Gästen in Quarantäne oder im Homeoffice eine Möglichkeit für ein hochwertiges, edles Abendessen zu bieten.

Mit Plan vorgehen

Eine gute Kalkulation und Planung seien sehr wichtig, wenn man mit Take-away starten möchte, weiss Hanna Rehmann. «Lohnt es sich wirklich? Hat man die personellen Ressourcen und das Fachwissen? Wie möchte man die Gerichte vertreiben? Privat oder mit Partnern?» All das müsse man im Voraus klären. Sie rät zudem, bei grossen Anschaffungen wie Takeaway-Geschirr und Wärmeboxen sparsam zu sein und zuerst die Nachfrage zu prüfen. «Man sollte wirklich zuerst abwägen und nicht nur auf den Takeaway-Zug aufspringen, weil es alle machen.»

«Es braucht einen verlässlichen Partner für Take-away und den Lieferdienst.» Das ist der wichtigste Rat von David Vagelpohl. Der Food- & Beverage-Direktor des Fünfsternehotels Baur au Lac in Zürich hatte im März 2020 einen rasanten Einstand in sein neues Amt und musste gleich auf besagte Partnerschaften zurückgreifen. «Innerhalb von fünf Werktagen haben wir einen Bestell- und Lieferservice auf die Beine gestellt», erzählt David Vagelpohl. «Wir haben zwar schon einen punktuellen Lieferservice zu speziellen Anlässen wie Thanksgiving oder dem Valentinstag angeboten, aber das, was wir während des ersten Lockdowns aufgebaut haben, war wesentlich professioneller und grösser.» Die Infrastruktur gewährleistete smood, ein Schweizer Lieferdienst. «Den Partner mit an Bord zu holen, das war eine langwierige Suche», sagt Vagelpohl. «Die Plattform sollte den Ansprüchen unserer Gäste gerecht werden.» Diesen Qualitätsanspruch galt es auch bei der Take-away-Ausstattung zu berücksichtigen. «Wir wollten uns nachhaltig aufstellen und haben uns für Betriebsmaterial aus Zuckerrohr und Holzbesteck entschieden.»

 

Steile Lernkurve

Die Infrastruktur alleine macht jedoch noch keinen Take-away. Sämtliche Prozesse in der Küche und im Service mussten neu festgelegt werden. David Vagelpohl erinnert sich: «Alle Kolleginnen und Kollegen waren in Kurzarbeit. Statt fünfzig Köchen standen nur zwei am Herd.» Dank der Langzeitgäste lief der Betrieb weiter, doch die personellen Ressourcen mussten gut koordiniert werden. «Der Zimmerservice hat sich um die Annahme der Bestellungen gekümmert, die Küche um die Produktion. Und den administrativen Teil habe ich übernommen», erzählt der F&BDirektor. Dazu gehörten auch Doppelchecklisten, die Vagelpohl am Ende erneut überprüfte. «Es gibt nichts Schlimmeres, als eine falsch gelieferte Bestellung. Deshalb haben wir möglichst viele Kontrollelemente mit eingebaut.» Zudem wurden neue Kassen sowie Buchhaltungsinstrumente implementiert und das Marketing ins Rollen gebracht. Viele Prozesse und die Infrastruktur bereits waren da, aber das Ganze sei Neuland für alle gewesen. «Die Lernkurve ging steil nach oben.»

Auch das Baur au Lac stand vor der Frage, welche Gerichte der Brasserie Baur’s sich für Take-away eignen. «Wenn ein luftiges, in Butterschmalz ausgebackenes Wiener Schnitzel eine halbe Stunde

«Der Zimmerservice hat sich um die Annahme der Bestellungen gekümmert.»

David Vagelpohl Food- & Beverage-Direktor Baur au Lac

eingepackt unterwegs ist, leidet die Qualität», weiss Vagelpohl. «Wir wollten diese soweit wie möglich gewährleisten.» Der Aufwand lohnte sich. Ab der zweiten Woche von Baur’s @Home stiegen die Bestellungen an, die Osterzeit brachte einen erneuten Schub. «Die Resonanz der Gäste war klasse und wir haben viele neue Stammgäste gewonnen. Sie waren froh, dass wir sie in der schwierigen Zeit zuhause erreichen konnten», freut sich David Vagelpohl. «Die sehr positiven Sternebewertungen auf der Plattform zu sehen, hat uns sehr motiviert.»

 

Aufwand und Nutzen

2020 verbuchte Baur’s @Home rund 1300 Bestellungen, 2021 waren es sogar 2400 Bestellungen. An Thanksgiving gingen rund 60 Truthähne mit 15 Lieferwagen auf die Reise. «Wir haben das Produkt stetig weiterentwickelt, die Menükarte angepasst und das Angebot sehr facettenreich gestaltet, unter anderem mit Cocktails aus unserer Bar», erklärt sich David Vagelpohl einen Teil des Erfolgs. «Zusätzlich haben wir einen Webshop mit Baur-au-Lac-Produkten aufgebaut, um unseren Gästen möglichst viel von hier bis zuhause anzubieten.» Gerade werde der Takeaway-Button im Webshop getestet, mit dem man beispielsweise ein Champagner-und-Kaviar-Package reservieren kann. Der Take-away- und Lieferservice im Gourmetrestaurant Pavillon wurde pausiert, da die Preiskalkulation aufwändiger und komplexer sei. Im Gegensatz zum Take-away der Brasserie Baur’s wurden die Gerichte kochfertig geliefert und mussten zuhause fertiggestellt werden. «Wir haben einige Erfahrungen gemacht, das Angebot war aber noch nicht überzeugend. Wir konzentrieren uns im Gourmetbereich jetzt auf saisonale Anlässe wie Weihnachten oder Valentinstag.»

Trotz des vereinzelten Erfolgs konnten die Ausfälle in der Branche auch mit Take-away und Essenslieferungen nicht wettgemacht werden. «Der Umsatz lag 2021 bei fast der Hälfte der Betriebe unter 10 Prozent des Vorjahresumsatzes», sagt Daniela Kimmich von Gastrosuisse. Der Branchenverband empfehle dennoch, Take-away und Essenslieferungen als

«Der Preis kann bei Food-Delivery nicht beliebig hoch angesetzt werden.»

Daniela Kimmich, Kommunikationsspezialistin Gastrosuisse

ergänzende Absatzkanäle zu prüfen. «Die modernen Lebens- und Konsumgewohnheiten, demographische Entwicklung, fortschreitende Digitalisierung und nicht zuletzt die Pandemie führen zu einer stetig ansteigenden Nachfrage nach Food-Delivery.» Der Service lohne sich nur, solange der Nutzen grösser sei als der Aufwand. Kimmich gibt zu bedenken: «Der Preis kann bei Food-Delivery nicht beliebig hoch angesetzt werden, auch wenn die Kosten für das Einweggeschirr, die Lieferung, allfällige zusätzliche Gebühren für das Aufschalten und die Teilnahme auf der Plattform im Endpreis eingerechnet sein müssen.» Für einen Grossteil der Betriebe waren die Angebote nur eine temporäre Lösung, da sie das Angebot nicht kostendeckend betreiben konnten.