Noch ist es still im «Rüden». Während draussen die Schaffhauser Altstadt vor Leben brummt, hört man in den Gemäuern des geschichtsträchtigen Gebäudes den antiken Holzboden knarzen. Gouvernante Biserka Bunic geht von Zimmer zu Zimmer und schaltet die TV-Geräte ein, damit nach dem Lockdown die Updates geladen werden. Ende Juni öffnet das Hotel wieder für Feriengäste und alles soll bereit sein. Es wird der letzte Monat von Biserka Bunic, bevor sie in Pension geht. Sie strahlt übers ganze Gesicht und freut sich, den Neubeginn noch mitzuerleben. «Die Motivation unserer Mitarbeitenden ist wirklich gross», sagt General Manager Marco Valmici. «Wir freuen uns alle, dass wieder Leben ins Sorell Hotel Rüden kommt.»
Tradition und Vision
«Das Hotel lebt, es ist nicht nur ein Haus zum Übernachten», ist der General Manager überzeugt. Den faszinierenden Geist des Ortes spürte der heute 42-jährige Toskaner schon bei seinem ersten Besuch des Rokokosaals. Vor rund fünf Jahren begleitete Marco Valmici seine Frau, Konzertpianistin Maho Yamada, mit dem Saxofon bei einer Soirée im «Rüden», obwohl er längst die Tätigkeit vom Musiker zum Hotelmanager gewechselt und viele Jahre Erfahrung in der Schweiz und in Italien hatte. Im prunkvollen Saal aus dem 18. Jahrhundert, umgeben von bewegter, lebendiger Schaffhauser Geschichte, wurde Valmici klar: «Dieses Hotel ist der richtige Ort für einen Generalisten wie mich.» Heute als General Manager will Marco Valmici die einzigartige Atmosphäre für alle Schaffhauser und Gäste erhalten. «Meine Vision ist es, das Rüden zur Stube von Schaffhausen zu machen.»
«Ein Gastgeber, der selber spielt, ist etwas Persönliches.»
Eine Stube, in die man jederzeit eintreten kann und willkommen ist. Wo gefeiert und musiziert wird – mit Kulturevents wie dem Jazzfestival, Musikabenden und Zunftanlässen. Auch der Gastgeber greift hin und wieder zum Saxofon, um Gäste zu unterhalten. Das habe sich aus einem Zufall ergeben, erzählt Marco Valmici und betont: «Ein Gastgeber, der selber spielt, ist etwas Besonderes, Persönliches.» Genau darum gehe es in seiner Vision. «Ich möchte weg von Anonymität und austauschbaren Erlebnissen, hin zu mehr Persönlichkeit und Authentizität.» Solch eine Authentizität entstehe, indem man die Traditionen weitertrage. «Eine grosse Freude ist jeweils der Zunftanlass, wenn die Zunftleute einmal im Jahr zu uns kommen.»
Die Wette gilt
Rund 20 Berufe zählen zur Zunftgemeinschaft Rüden. Krämer, Maler, Glaser, Wirte sind nur einige davon. Der Legende nach sind die Zunftmeister 1770 in einen Wettstreit um das schönste und grösste Zunfthaus getreten. «Noch immer ist das Haus zum Rüden das schönste in Schaffhausen», sagt Valmici nicht ohne Stolz. «Es wurde von einem Architekten aus Mailand designt, was man noch heute beim eindrucksvollen Eingang sieht.» Ganze zwei Drittel des Raumes nimmt die Haupttreppe ein, auf der sich der Zunftmeister einst den Bürgern präsentierte.
Der Prunk fand mit dem Einmarsch von Napoleons Truppen ein Ende. Das Haus zum Rüden wurde versteigert und wechselte über die Jahrhunderte mehrmals Besitzer und Verwendungszweck. «Hier befand sich schon ein Spielcasino, eine Pizzeria, eine Brockenstube und sogar ein Bekleidungsgeschäft.» In den 90er-Jahren wurde das Gebäude in seinem ursprünglichen Charakter wiederhergestellt und in ein Hotel verwandelt, der Rokokosaal renoviert und der originale Kronleuchter als Leihgabe aus dem Museum geholt. 2002 übernahmen die ZFV-Unternehmungen – zu denen die Sorell-Gruppe gehört – das «Rüden» als erstes Hotel ausserhalb von Zürich. Die Genossenschaft verankerte das Thema Nachhaltigkeit in den geschichtsträchtigen Mauern.
«Es geht uns nicht nur um Fakten, sondern vor allem um Herz und Ideen.»
Green Living – dank ISO
«Nachhaltig und langfristig zu denken, das passt zur Sorell-Gruppe. Es geht uns dabei nicht nur um Fakten, sondern vor allem um Herz und Ideen», sagt Marco Valmici. Besonders freut ihn, dass die Genossenschaft einen Grossteil des Gewinns in umweltfreundliche Massnahmen reinvestiert, so zum Beispiel für den Austausch der alten Glühbirnen durch LED-Lampen. Seit 2019 ist das Sorell Hotel Rüden zudem mit dem Zertifikat Green Living ausgezeichnet, einer Klassifikation des Branchenverbands HotellerieSuisse. Diese Spezialklassifizierung erhalten Hotels, die schonend mit ihren Ressourcen umgehen, Energie sparen, Mitarbeitende sensibilisieren und nachhaltige touristische Dienstleistungen anbieten. «Dank der ISO-Zertifizierung für unser Umweltmanagement haben wir Green Living bei unserer Standardüberprüfung von HotellerieSuisse beantragen können und auch erhalten», erklärt der General Manager. Der Marketingaspekt des Labels sei interessant, jedoch nicht Kern der Kommunikation. «Wichtiger ist für uns, Nachhaltigkeit im Tagesablauf der Mitarbeitenden und der Gäste einzubetten.»
Gäste miteinbeziehen
Was das genau bedeutet, zeigt Marco Valmici in einem niedrigen Seminarraum im Zwischengeschoss. «Die Bausubstanz ist sehr gut, die Wände sind einen Meter dick», erklärt er. «Wir arbeiten eng mit dem Denkmalschutz zusammen und haben ein sehr gutes Verhältnis, denn bei einem historischen Haus muss man immer Kompromisse eingehen.» Konkret: Klimaanlagen lassen sich hier rein technisch gar nicht einbauen. Der General Manager öffnet eines der kleinen Fenster zur Seitenstrasse. «Das hier ist unsere Klimaanlage.» Jeweils im Sommer seien die Bewertungen auf Tripadvisor und Co. in die Tiefe gestürzt, wenn die Zimmer zu heiss wurden. «Seit zwei Jahren kommunizieren wir offen und bitten die Gäste, mit uns Verantwortung zu übernehmen, indem sie nachts lüften und tagsüber die Storen schliessen.» Das funktioniere sehr gut. Nicht nur die Bewertungen sind seither stabil, auch die Gäste sind engagiert dabei. Marco Valmici erklärt es sich so: «Dass wir für unsere Gäste glaubwürdig und transparent sind, ist ein grosser Vorteil.»
«Wir arbeiten eng mit dem Denkmalschutz zusammen.»
Die Seminar- und Tagungsräume und die Lage mitten in der Altstadt ziehen viele Geschäftsleute ins Sorell Hotel Rüden, aber auch Familien und Veloreisende sind unter den Gästen anzutreffen. «Wir sind nicht der richtige Ort für Massentourismus, dafür sind wir schlicht zu klein», sagt Marco Valmici und klingt dabei ganz zufrieden. Es geht rauf in die Gästezimmer im 3. Stock. Hier, wo im 18. Jahrhundert das Gesinde lebte, sind nun individuelle Zimmer eingerichtet. «Die Architekten haben jede Ecke ausgenutzt und dabei viele Metall- und Gusselemente eingebaut, die an die Zünfte erinnern.» Auch hier soll das authentische Erlebnis im Vordergrund stehen. Gouvernante Biserka Bunic schaltet gerade das letzte TV-Gerät aus. Alles ist bereit für den Neuanfang.
Nachhaltigkeit ist mehr als Stromsparen
Gerade in einem so geschichtsträchtigen Haus ist Nachhaltigkeit mehr als Stromsparen – es ist ein gemeinsames Ziehen am selben Strick. Das stellt Marco Valmici täglich fest. «Unsere Mitarbeitenden stehen für das Hotel ein und sind Teil seiner persönlichen Atmosphäre. Unsere Werte zu leben, das ist nachhaltig.» Die Mischung aus altem Kern und modernen Ideen mache Spass und sei der richtige Weg für den Neustart, argumentiert der General Manager. Er sei zwar kein Soziologe, aber überzeugt: «Die Suche nach dem Persönlichen, dem Bodenständigen, das Erleben vor Ort: So etwas verschwindet nicht von heute auf morgen. Die Gäste kommen deshalb wieder. Ich freue mich schon darauf, das Hotel in die Zukunft zu begleiten.»
«Ich freue mich darauf, das Hotel in die Zukunft zu begleiten.»
Was genau ist «Green Living»?
Die Auszeichnung «Green Living» ist eine Spezialisierungsklassifikation des Branchenverbands HotellerieSuisse. Hotels im 1- bis 5-Sterne-Bereich können die Klassifizierung erhalten, wenn ihr Nachhaltigkeitsengagement bereits mit einem Label von Dritten bestätigt wurde. HotellerieSuisse anerkennt für «Green Living» folgende Labels: Bio-Hotel, EarthCheck (assessed), EcoEntreprise, EMAS, EU-Umweltzeichen, GRI (+), ibex fairstay, ISO 14001, STEP, Travellife (silver), Valais Excellence, Green Key, Certified Green Hotels, eco hotels certified (ehc)
«Die genauen Bestimmungen geben die einzelnen Labels vor», erklärt Michèle Luzi, Fachspezialistin Klassifizierung von HotellerieSuisse. «Bei allen ist es jedoch so, dass ein Hotel ganzheitlich Lösungen auf den drei Ebenen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie und Soziales – umsetzen muss, um ausgezeichnet zu werden.» Alle Betriebe mit der weiterführenden Spezialisierung «Sustainable Living» erhalten «Green Living» automatisch dazu.
ISO 14001
Das Sorell Hotel Rüden in Schaffhausen hat die «Green Living»-Klassifikation dank der Zertifizierung mit ISO 14001 erhalten. Die international gültige Industrienorm legt die Mindestanforderungen für ein Umweltmanagementsystem fest.
Die Ziele von ISO 14001:
- Abfall, Abwasser und Emissionen reduzieren
- Durch den gezielten Umgang mit Ressourcen Kapital einsparen
- Umwelt-Haftrisiken verringern
- Umweltbewusstes Verhalten bei Mitarbeitenden fördern
Die Norm stellt keine absoluten Anforderungen an die Umweltleistung, sondern erfordert die Einhaltung von selbst auferlegten Verpflichtungen.
Sorell Hotel Rüden | |
Name | Sorell Hotel Rüden |
Ort | Schaffhausen |
Zimmer | 30 |
Mitarbeitende | 15 |
Ausstattung | 6 Tagungsräume, Café, Eintritt ins benachbarte Fitnesscenter |
Besonderheiten | Rokokosaal, Kuppelraum, Blick auf die Altstadt |
Geschichte | Das Gebäude wurde 1700 von der Zunft zum Rüden errichtet. Es ist heute Teil der historischen Stadtführung Schaffhausens. |