Business-Praxis Tobias Fischer 08.11.2019

Gesund für Mensch und Planet

Wie schafft man es, bis 2050 alle Menschen auf der Welt gesund zu ernähren und gleichzeitig die Umwelt zu schützen? Die Antwort von 37 Wissenschaftlern heisst «Planetary Health Diet» und verlangt eine radikale Umstellung unserer Essgewohnheiten.

Die 37 Wissenschaftler kommen aus 16 Ländern und aus verschiedensten Disziplinen, etwa aus der Ernährungswissenschaft und der Klimaforschung. Als EAT-Lancet-Kommission suchten sie nach einer Möglichkeit, bis im Jahr 2050 die etwa 10 Milliarden Menschen auf der Erde gesund und umweltgerecht zu ernähren. Gestützt auf umfassende Literaturrecherchen, anerkannte Ernährungsempfehlungen und Ergebnisse der Gesundheitsforschung entwickelten sie eine Lösung dafür: die Planetary Health Diet, den nachhaltigen Speiseplan der Zukunft. Und dieser unterscheidet sich deutlich von dem, was wir heute essen.

«Passt perfekt für Flexitarier»
Die Menschen in Europa müssten den Konsum von Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen mehr als verdoppeln, die Menge an Zucker dagegen auf weniger als die Hälfte reduzieren (siehe Infografik Seite 72). Fleisch wird gemäss Planetary Health Diet nicht komplett aus dem Speiseplan gestrichen, aber stark begrenzt. Pro Kopf und Tag liegen 43 Gramm Fleisch drin, davon 7 Gramm rotes Fleisch. «Sieht man genau hin, passt der Speiseplan perfekt für sogenannte Flexitarier, die nur ab und zu Fleisch essen», schreibt das deutsche Bundeszentrum für Ernährung dazu. «Wer sich zum Beispiel alle zwei Wochen ein kleines Steak gönnt, liegt noch im Rahmen der Empfehlungen.» Das Ganze sei ein Modell, das sich nicht kurzfristig in die Praxis umsetzen lasse. Wie sieht man das beim Schweizer Gottlieb Duttweiler Institute (GDI), das in seinem «European Food Trends Report» ebenfalls auf die Planetary Health Diet eingeht?

Christine Schäfer, GDI-Researcherin und Co-Autorin des Reports, sagt: «Die Planetary Health Diet zeigt, dass es theoretisch machbar wäre, die Weltbevölkerung gesund und gleichzeitig umweltgerecht zu ernähren. Die praktische Umsetzung wäre jedoch sehr schwierig.» Hier sieht Christine Schäfer vor allem zwei grosse Hindernisse. Zum einen die Schwierigkeit, das Konsumverhalten zu ändern. «Menschen lassen sich nicht gerne vorschreiben, was sie tun und essen sollen», sagt sie im Gespräch mit Gastrofacts. Der Fleischkonsum sei ein besonders heikles Thema. Daszeige sich jeweils bei der Lancierung neuer veganer Produkte. «Einige Menschen fühlen sich alleine durch die Existenz solcher Produkte angegriffen.»

«Einige fühlen sich alleine durch die die Existenz veganer Produkte angegriffen.»


Christine Schäfer
Researcherin
GDI Gottlieb Duttweiler Institute

«Beispiellose Zusammenarbeit wäre nötig»
Die zweite grosse Schwierigkeit sieht sie auf der Herstellerseite. «In der Lebensmittelproduktion wäre ein massiver Umbau nötig, und das weltweit.» Erforderlich wären laut GDI-Report zum Beispiel internationale Grenzwerte für die Produktion von klimaschädlichen Gasen, für die Verwendung von nitrat- und phosphathaltigen Düngemitteln, für den Frischwasserverbrauch und die Landnutzung sowie Bestimmungen für den Erhalt der Biodiversität. Um das zu erreichen, bräuchte es laut laut GDI eine «beispiellose internationale Zusammenarbeit», eine «Great Food Transformation». Und das scheine heute doch ziemlich utoptisch, sagt Christine Schäfer. «In Zeiten von Handelsstreitigkeiten und Flüchtlingskrisen verfallen viele Länder ins Gärtchendenken und verfolgen zuallererst ihre eigenen Interessen. Daran ändern auch die Proteste der Klimajugend und die Wahlsiege der grünen Parteien nichts.»

Auch wenn sich die Planetary Health Diet also nicht einfach eins zu eins umsetzen lässt, bewegt sich doch einiges in diese Richtung. So ergänzen auch globale Lebensmittelkonzerne und Gastroketten ihre Sortimente laufend mit neuen fleischlosen Produkten, die Forschung rund um Laborfleisch wird vorangetrieben. «Handel und Gastronomie könnten die Planetary Health Diet zum Anlass nehmen, Hülsenfrüchte und Nüsse als gesunde Proteinlieferanten anzupreisen», sagt Christine Schäfer. Vermutlich sei die Planetary Health Diet aber noch zu wenig bekannt, um als Marketingmittel eingesetzt zu werden. Doch das kann sich ändern. Bereits präsentieren Blogger und Foodjournalisten rund um die Welt Rezepte und Selbsterfahrungsberichte zu diesem Konzept. So hat die norwegische Küchenchefin Lise Finckenhagen einen Wochenplan entwickelt, auf dem neben Gemüsepizza zum Beispiel auch eine Nudelsuppe mit Poulet sowie Chili Con Carne mit Blumenkohl stehen.
 

Tobias Fischer

Autor: Tobias Fischer