«Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, nachhaltig zu denken und zu handeln und für eine gesunde Umwelt einzustehen», sagt Simon Glaus, Leiter Gastronomie des Alters- und Pflegeheims Im Brühl in Spreitenbach (AG). «Wir möchten regionale Lieferanten unterstützen und haben uns schon vor langer Zeit entschlossen, nur noch Schweizer Fleisch zu verwenden. Zwei Bauernhöfe, die quasi an unserer Strasse liegen, beliefern uns zudem mit selbst produzierten Lebensmitteln.»
Aber saisonal, regional und nachhaltig ist häufig nicht ganz so einfach, wie man sich das wünschen würde. Erstens kostet es oft mehr. Zudem bedeuten saisonale Produkte auch saisonale Einschränkungen, regionale Produkte können aufgrund ihrer Verfügbarkeit zur Herausforderung für Einkäufer werden. Und mit der Nachhaltigkeit ist es manchmal dermassen verzwickt und undurchsichtig, dass man daran scheitern kann. «Irgendwann stösst man an Grenzen», sagt Glaus, «ganz besonders bei der Transparenz von gewissen Produkten und Lieferanten.» Gerade verarbeitete Produkte kommen oft von internationalen Konzernen und dementsprechend kann auch die Zusammensetzung der Produkte sehr international sein. Transparent ist das selten.
«Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, nachhaltig zu denken und zu handeln.»
SECO-Projekt im Raum Zürich
Seit 2017 und noch dieses Jahr läuft im Metropolitanraum Zürich ein Projekt zur Förderung nachhaltiger und vermehrt regionaler Versorgung in der Gemeinschaftsgastronomie. Das Projekt wird im Rahmen des Pilotprogramms Handlungsräume Wirtschaft (PHR Wirtschaft) des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO umgesetzt. Der Fokus liegt auf Betrieben, die eine öffentliche Aufgabe erfüllen: Heime, Spitäler oder Schulen. Federführend ist Projektleiter Alfred Bänninger von AGRIDEA, einer Vereinigung für die Entwicklung der Landwirtschaft. «Natürlich sollte ein guter Lieferant bis zu einem gewissen Grad deklarieren, wo sein Produkt herkommt und wie es verarbeitet wurde», sagt er. «Wenn wir jedoch eine Beelong-Analyse machen, sehen wir auch, wie viele Produkte eben nicht klar deklariert sind.» Beelong ist ein Startup der Hotelfachschule in Lausanne und hat sich darauf spezialisiert, die Lebensmitteleinkäufe von Gemeinschaftsgastronomie-Betrieben zu analysieren und zu bewerten. Die Kriterien: Herkunft, saisongerechter Konsum, Produktionsweise (Labels), Klima- und Ressourcenwirkungen sowie Verarbeitungsgrad der Produkte.
Mittlerweile wurden im Projekt ein Dutzend Alterszentren und Spitäler mit über 10’000 eingekauften Produkten nach dieser Methode analysiert. Das ermöglicht den Betrieben einen präzisen, ehrlichen Blick auf die aktuelle Beschaffung von Lebensmitteln bezüglich Nachhaltigkeit. Damit können sie Verbesserungsmöglichkeiten diskutieren und festlegen. Besonders interessant ist eine solche Analyse, um die problematischsten Produkte zu erkennen – vor allem, wenn diese im Betrieb in bedeutenden Mengen verbraucht werden. Oft sind das verarbeitete Produkte und Getränke mit einer Herkunft, die nicht transparent oder ausserhalb von Europa ist. Diese Produkte könnten teilweise durch Schweizer Alternativen, Labelprodukte (Bio Suisse, IP-Suisse, Suisse Garantie, Fairtrade) oder durch hausgemachte Produkte ersetzt werden. Finden sich nachhaltige Alternativen, hat das eine grosse Hebelwirkung.
Für Simon Glaus war die Beelong-Analyse ein Hauptargument, um als Pilotbetrieb am Projekt teilzunehmen. «Das Geschäftsfeld ist so breit und man verwendet so viele Produkte, da fehlen die Zeit und die Möglichkeiten, um jedes einzelne Produkt genau zu durchleuchten», sagt er. Für ihn gebe es dabei immer wieder aufschlussreiche Erkenntnisse. Manchmal habe man das Gefühl, es gut zu machen, müsse sich dann aber eines Besseren belehren lassen. «Die ganze Logistik und was sonst dahintersteckt, sieht man zu wenig. Und man hinterfragt es auch selten bis ins Detail», sagt Glaus.
Weiterbilden und sensibilisieren
«Wir wollen Geschäftsführer, Gastronomieleiter, Einkäufer und Küchenchefs von Gemeinschaftsgastronomie-Betrieben sowie Entscheidungsträger aus Städten, Gemeinden, Ämtern, Politik und Organisationen sensibilisieren», sagt Alfred Bänninger. «Genauso wie Vertreter der Lebensmittel Wertschöpfungskette: landwirtschaftliche und gewerbliche Direktlieferanten, industrielle Lebensmittelverarbeiter und Gastrolieferanten.» Sensibilisiert werden soll beispielsweise über Schulungen, die einen Erfahrungsaustausch ermöglichen und zudem vermitteln, worauf genau zu achten ist, unter anderem bei Labels. Oft ist zu wenig bekannt, welche Herkunft und welche Produktionsbedingungen hinter einem Label stecken. «Wir achten beim Fleisch, Geflügel und Fisch stark auf Labels, beim Gemüseeinkauf entscheidet hingegen weniger die Produktionsart, sondern vielmehr die Regionalität und die Saisonalität», so Simon Glaus.
«Wir achten beim Fleisch, Geflügel und Fisch stark auf Labels.»
Was ist regional und saisonal?
Regional und saisonal einkaufen hat natürlich auch Grenzen. «Grundsätzlich empfehlen wir, Produkte möglichst aus der Nähe einzukaufen», sagt Alfred Bänninger. «Beim Einkauf sollte die Herkunft in dieser Reihenfolge Priorität haben: Region, Kanton, Schweiz, Europa, Welt. Die Beschaffung ist vereinfacht gesagt nachhaltiger, je näher die Produktion und der Anbau eines Produktes liegen. Der Einkauf regionaler Produkte trägt auch zur Erhaltung des wirtschaftlichen und sozialen Gefüges der Regionen bei – Bauernbetriebe, Bäckereien, Metzgereien und Käsereien. Dabei muss immer die Verfügbarkeit eines Produktes berücksichtigt werden. Bei Obst und Gemüse gilt es die Saisonalität zu beachten. Lagergemüse, welches im Winter aus den Lagern genommen wird, ist ebenfalls saisongerecht.»
«Wenn jemand im Februar Spargeln will, gibt es die bei mir nicht.»
Simon Glaus begegnet dem Faktor Verfügbarkeit immer wieder, wenn er seinen Menüplan zusammenstellt. Geht es um die Saisonalität, ist er ziemlich strikt. «Natürlich gibt es da Einschränkungen. Wir versuchen stets, so viele saisonale Produkte wie möglich zu verwenden und diese so wenig wie nötig mit anderen zu ergänzen», sagt er. «Man muss einen vernünftigen Mix finden. Wenn jemand im Februar Spargeln will, gibt es die bei mir nicht, denn Spargeln aus der Region sind im Februar schlicht nicht verfügbar. Es braucht etwas Kreativität und gewisse Einschränkungen
sind unumgänglich, aber auf alles zu verzichten ist auch nicht realistisch.» Etwas mehr reduzieren müsse man allerdings den Fleischkonsum, sagt Glaus: «Man kann die Menschen mit kreativen vegetarischen Gerichten dazu bewegen, auch einmal auf Fleisch zu verzichten. Und wir müssen mehr hinterfragen – nicht nur die einfache Produktdeklaration und Herkunft anschauen, sondern das Produkt und die Produktionsart detaillierter betrachten.»
Preiskalkulation als Knacknuss
Eine weitere Herausforderung sei es, diese Bemühungen nach aussen zu kommunizieren, erklärt Glaus. «Wichtig ist, das Bewusstsein des Endkonsumenten zu fördern. Natürlich beeinflusst der höhere Einkaufspreis den Verkaufspreis. Man muss die Preise also so kalkulieren, dass die Gäste am Schluss auch bereit sind, sie zu bezahlen. Biofleisch kann ich nicht in den Wochen-Menüplan integrieren, es liegt preislich auf zu hohem Niveau. Aber ich möchte nun den ganzen Fischeinkauf, in unseren Augen ein sehr kritischer Bereich, auf rein schweizerischen Zuchtfisch umstellen. Ich rechne dafür mit Mehrkosten von mehreren tausend Franken im Jahr. Das muss ich ins Budget aufnehmen und so absegnen lassen. Es ist nur ein einzelner, eigentlich kleinerer Posten, der sich in den Warenkosten jedoch bemerkbar macht. Doch das lässt sich sehr gut vermarkten und ich habe einen Lieferanten gefunden, der uns den Fisch in der gewünschten Menge und Qualität liefern kann. Die Nachfrage nach solchen Produkten steigt, und das merken auch die Anbieter.»
Nachfrage soll Angebot fördern
Natürlich sind auch die Schweizer Produzenten in diesem Projekt sehr wichtig. Heime und Spitäler sollen möglichst direkt regionale Produkte beschaffen können. Das ist für einen kleinen Betrieb einfacher, als wenn es um grosse Volumen geht. «Wir untersuchen, welche Fragen und Hindernisse die lokalen Produzenten umtreiben», sagt Alfred Bänninger. «Wir möchten Mehr beispielsweise prüfen, ob die vermehrte Zentralisierung
des Einkaufs mehrerer Betriebe, verbunden mit öffentlichen Ausschreibungen zur Lebensmittelbeschaffung, den regionalen, direkten Einkauf behindert. Und ob es nötig ist, dazu Verbesserungen vorzuschlagen.» Primär sei das Ziel des PHR-Projektes, einen Pull-Effekt zu erreichen. Also dass die Nachfrager nachhaltigere, regionale und saisonale Produkte wollen und ihr Einkaufsverhalten entsprechend ändern. In der Folge passen sich die Lieferanten und die ganze Lieferkette dieser Veränderung an und stellen nachhaltigere, regionale Produkte zur Verfügung. Um das zu erreichen, müssen die Betriebe im Einkauf aber stärker sensibilisiert sein und konsequent mehr Transparenz bei der Produktedeklaration verlangen – also Druck machen und notfalls gewisse intransparente Produkte nicht mehr einkaufen.
«Wir untersuchen, welche Fragen und Hindernisse die lokalen Produzenten umtreiben.»
Übrigens: Der Faktor Schweiz an sich muss gar nicht teurer sein. Eine Studie von AGRIDEA hat gezeigt, dass die Verwendung von Schweizer Produkten (der Marke Suisse Garantie) in den Menüs nicht teurer ist als jene von Importprodukten.