Gastronomie Benjamin Schmid 22.08.2022

Anton Mosimann: Koch mit Leib und Seele

«The last gentleman chef» hat schon an unzähligen Orten auf der Welt gekocht, hat Könige, Missen und Prominente mit seinen Kreationen begeistert und Hunderte Jungköche zu kulinarischen Höchstleistungen inspiriert. Im Gastrofacts-Interview erzählt er von alten und neuen Erfolgsrezepten.

Herr Mosimann, Ende 2021 sind Sie als Geschäftsführer zurückgetreten. Kommen Sie zur Ruhe?
Nach beinahe 60 Jahren in der Gastronomie habe ich die Geschäftsleitung des «Mosimann’s» in London an meine beiden Söhne übergeben. Diesbezüglich ist es ruhiger geworden. Da ich mich aber mit vielen Projekten beschäftige, habe ich immer noch viel um die Ohren. Meine Frau Kathrin und ich pendeln zwischen Montreux und London. Ich geniesse es, meinen Leidenschaften und Hobbys zu frönen. Wenn ich in der Schweiz bin, statte ich dem Museum am César Ritz College in Le Bouveret (VS) am Genfersee täglich einen Besuch ab. «The Mosimann Collection» beherbergt unter anderem meine Sammlung von rund 6000 Kochbüchern aus fünf Jahrhunderten, 265 private Schwarz-Weiss-Fotografien von Prominenten sowie meine gewonnenen Zertifikate und Goldmedaillen. Ich nehme mir viel Zeit für die Nachwuchsfachkräfte und gratuliere ihnen zum tollen Beruf, den sie ausgewählt haben. Ausserdem bekomme ich viele Anfragen für Interviews, werde gebeten, Vorträge zu halten oder eingeladen, bei Events zu kochen. Neben all den Aktivitäten geniesse ich die Zeit mit meiner Frau, lasse mich von anderen Kulturen inspirieren oder lüfte meinen Kopf bei einer Autorallye aus.

Wer ist Anton Mosimann?
Ich bin Koch mit Leib und Seele. Ich bin immer mit Freude bei der Arbeit, bin wissbegierig und neugierig. Schon in den 1950er-Jahren habe ich als Schulbub im elterlichen Restaurant mitgeholfen. Diese Passion hat sich durch mein ganzes Leben gezogen. Trotz meines Erfolgs und meinem guten Renommee war es mir wichtig, bescheiden zu bleiben, den Mitmenschen zu helfen und meine positive Grundeinstellung zu bewahren. Ich habe nie vergessen, wo und wie ich aufgewachsen bin, habe Vergangenes stets geschätzt und mich auf künftige Herausforderungen gefreut. Das Positiv bleiben und das Vorwärtsschauen wurden zu meinen Tugenden, zudem begegne ich den Menschen mit Respekt und auf Augenhöhe. Deshalb bringe ich dem Herrn, der die Strasse in meinem Quartier reinigt, jedes Mal, wenn ich joggen gehe, einen Kaffee mit.

Was waren die wichtigsten Stationen in Ihrem Leben?
Ich habe in vielen Küchen rund um den Globus gekocht. Nach meiner Lehre im «Bären» in Twann arbeitete ich in verschiedenen Hotels in der Schweiz, in Europa, Asien und Nordamerika. Insgesamt war ich in über 75 Städten in 42 Ländern tätig.

«Dass ich seit 40 Jahren für
das britische Königshaus
kochen darf, ist Herausforderung
und Ehre zugleich.»

 

Eine besondere Erfahrung, die bis heute nachhallt, machte ich 1970 als Küchenchef des Schweizer Pavillons an der Weltausstellung in Japan. Einerseits lernte ich auf dem Flug meine Frau Kathrin kennen, andererseits prägt mich die japanische Esskultur bis heute. Dass ich seit 40 Jahren für das britische Königshaus kochen darf, ist Herausforderung und Ehre zugleich. Auch wenn ich es nicht als Station in meinem Leben erachte, so wirkt es sich auf mein Leben aus und erfüllt mich nach wie vor mit Freude und Stolz.

 

Geschichte der Kochsendungen
02.10.1924Die erste Radio-Kochsendung wird unter dem Titel «Good Food» ausgestrahlt. Die fiktive Figur Betty Crocker leitet durch die Sendung.
21.01.1937In der ersten TV-Kochshow «Cook’s Night Out» zeigt Marcel Boulestin bei der BBC in England neben der Zubereitung von Gerichten der klassischen französischen Küche auch einfachere Gerichte.
20.02.1953

Clemens Wilmenrod ist der erste deutsche Fernsehkoch und gilt als Erfinder des Toast Hawaii, des Arabischen Reiterfleisches und der gefüllten Erdbeere.

1960-1980Verschiedene Formate werden im Schweizer Fernsehen gezeigt: «Zuschauer kochen», «Koch-Stammtisch» mit Vico Torriani, «Menü des Monats» und «Kochen im Studio».
27.12.1994«Alfredissimo» geht auf Sendung: Im WDR kocht Alfred Biolek zusammen mit prominenten Gästen. Bis 2007 wurden 459 Folgen produziert. «Alfredissimo» löste einen andauernden Boom von Kochsendungen aus.
1997-1999Anton Mosimann kocht im Schweizer Fernsehen: Im SRF präsentiert der Spitzenkoch leichte, natürliche und vegetarische Menüs aus der Schweiz.
1999-2001«The Naked Chef» mit Jamie Oliver: In der Sendung versucht Jamie Oliver ohne grossen Aufwand mit einfachen Rezepten und Zutaten leckere Gerichte zu kochen.
2004-2010«al dente» ist die Kochsendung mit Köpfchen. Ob es durch den Magen geht oder den Kopf anstrengt: Bei « al dente» dreht sich alles rund ums Essen. Es gibt spannende Rezepte zum Nachkochen und ein kulinarisches Quiz zum Mitraten.
2011«Landfrauenküche» startet: In einem Kochwettbewerb stellen jeweils sieben Landfrauen und Bäuerinnen Küche und Spezialitäten ihrer Region vor.
2013-2019«SRF bi de Lüt – Männerküche»: In einem Kochwettbewerb bereiten jeweils fünf leidenschaftliche Hobbyköche ein Drei-Gänge-Menü zu, mit dem Ziel, Champion zu werden.
2015-2021«Eusi Landchuchi»: Ein Kochwettbewerb über die Sprachgrenzen hinweg mit sieben GastgeberInnen aus allen vier Landesteilen.
2022«MasterChef Schweiz»: In dieser Kochsendung kämpfen 24 ambitionierte Hobbyköche um den Titel «MasterChef Schweiz».

 

Wie hat sich Ihre Küche im Laufe der Karriere verändert?
Ich war ein Streber und wollte von den besten Köchen lernen. Meine Ausbildung absolvierte ich noch gemäss der traditionellen Lehre des französischen Meisterkochs Auguste Escoffier. Ich habe die Lehre noch einige Jahre praktiziert, bis ich in Rom die italienische Küche mit weniger Butter und Rahm kennenlernte. Wie erwähnt, ist meine Art zu kochen auch heute noch stark von der japanischen Küche beeinflusst. Wie ein Schwamm sauge ich neue Eindrücke, Methoden und Rezepte auf.

Was zeichnet für Sie einen guten Koch und Gastgeber aus?
Man muss immer voll dabei sein, leidenschaftlich und engagiert. Köche befriedigen mit ihrer Kreativität und dem guten Essen Gäste. Nur wer mit Freude bei der Arbeit ist, empfindet Glück und strahlt es aus. 

«Ich liebe es, Nahrungsmittel
zu essen, die ich noch nie
ausprobiert habe.»

 

Ob man um Mitternacht von Liz Taylor geweckt wird, weil sie Hunger hat, oder vor 130 Mitarbeitenden aus verschiedenen Ländern steht und ihnen den Ablauf erklärt – ein guter Koch begeistert, motiviert und inspiriert.

Haben Sie ein Lieblingsrezept?
Ich habe viele Lieblingsrezepte. Wenn ich reise, gehe ich immer auf den Markt, spreche mit den Händlerinnen und Bauern, um mehr über die lokale Küche und ihre Produkte zu erfahren. Danach bin ich bereit, Neues zu versuchen. Hauptsache ist: lokal, frisch und mit Respekt zubereitet. Ich liebe es, Nahrungsmittel zu essen, die ich noch nie probiert habe. Wenn sie mir munden, nehme ich sie später in meine Küche auf. Ich freue mich, Erfahrungen zu machen, Neues zu lernen und alte sowie neue Rezepte aufzunehmen, sie zu adaptieren und nach meinem Gutdünken zu verbessern. Oft werde ich gefragt, ob ich Allergien habe. Dann antworte ich stets: Ja, ich habe eine Allergie gegen FoodWaste.

Was ist Ihnen wichtig im Leben?
Freude, Gesundheit und glücklich zu sein. Das gilt nicht nur für mich selbst, sondern auch für meine Liebsten. Ich bin immer positiv und bin noch nie aufgestanden und habe gedacht: Heute habe ich keine Lust. Schon früh war es mir wichtig, etwas zu erreichen. Umso dankbarer bin ich heute, es geschafft zu haben.

«Ich bin noch nie
aufgestanden und habe
gedacht: Heute habe
ich keine Lust.»

 

Es bedeutet mir viel, andere Menschen zu motivieren und junge Köche an meiner Erfahrung teilhaben zu lassen. Es ist mir wichtig, mich mit anderen Menschen auszutauschen, neue Erfahrungen zu sammeln und mir Wissen anzueignen. Darüber hinaus ist meine Familie mein Lebensmittelpunkt.

 

Worüber ärgern Sie sich und was bringt Sie zum Lachen?

Statt mich zu ärgern, versuche ich meine Mitmenschen zu verstehen. Allerdings mag ich keine Menschen, die viel kritisieren und nur Negatives suchen. Ich bin grosser Fan von Musicals, denn sie verschaffen mir einen Ausgleich zum Alltag. Ich mag die Geselligkeit, bin fröhlich und humorvoll. Es gefällt mir ebenso in lustigen Erinnerungen zu schwelgen, wie mich an der Komik einer Situation zu erfreuen. Lachen ist für Körper und Geist gesund.

 

Sie waren selbst Fernsehkoch – was ist Ihnen in Erinnerung geblieben?
Die BBC lud 1985 die 18 besten Köche der Welt ein, um ein Menü zu kochen. Nach dem Dreh meinte der Regisseur, dass er eine grössere Herausforderung für mich parat hätte: Mit 10 Pfund live im TV für eine Familie zu kochen.

 

«Ob im Sport, in der Musik
oder der Kultur – überall gibt
es Superstars. Wieso also
nicht auch bei den Köchen?»

 

Zwei Monate später war ich unterwegs und die Kochsendung «Anton goes to Sheffield» war geboren. Nach der ersten Sendung, bei der ich Wirsing nicht wie die Frau des Hauses vier Stunden, sondern nur drei Minuten kochte, erhielt die BBC über 65’000 Anfragen für das Rezept. In den 1990er Jahren begab ich mich mit Kurt Aeschbacher auf eine kulinarische Schweizerreise, bei der wir die lokale Küche vorstellten. Mit regionalen Produkten vereinfachte ich traditionelle Rezepte – und machte sie kreativer, leichter und bekömmlicher.

 

Sind Fernseh-Kochshows mehr Fluch oder Segen für die Branche?

Wenn Kochsendungen seriös geplant sind, dann ist ihr Einfluss positiv zu werten. Nicht so, wenn die Köche einen schlechten Eindruck hinterlassen, fluchen oder unhygienisch arbeiten. Dank den Sendungen hat der Beruf grundsätzlich an Wert gewonnen und auch die Gesellschaft isst bewusster und gesünder. Auch ich selbst habe mit meinen Sendungen an Popularität gewonnen.

 

Wie erklären Sie es sich, dass Köche heute wie Superstars behandelt werden, obwohl früher der Spruch «Wer nichts wird, wird Wirt» die Runde machte?
Ob im Sport, in der Musik oder der Kultur – überall gibt es Superstars. Wieso also nicht auch bei den Köchen? Wenn es sich jemand verdient, dann hat es seine Berechtigung. Nicht zuletzt wegen der TV-Produktionen hat das Image des Berufs stark an Attraktivität gewonnen.

 

KULINARISCHE INSPIRATIONSQUELLEN

Es dampft und zischt. Mit ihrer linken Hand schwingt die Köchin gekonnt die Kelle, mit der rechten legt sie das Veggie-Schnitzel in die Bratpfanne. Gleichzeitig erklärt sie die folgenden Arbeitsschritte und weist beiläufig daraufhin, dass ihr Teflonpfannen mehr zusagen als solche aus Keramik.

 

Heute strahlt fast jeder TV-Sender eine Kochshow aus, denn die Sendungen erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Am Anfang des Booms war mit Anton Mosimann auch ein Schweizer Spitzenkoch im Fernsehen zu sehen. In den 1980er- Jahren brachte er den Beruf den Zuschauerinnen und Zuschauern in England und in den 1990er-Jahren denen in der Schweiz näher. Seit der Jahrtausendwende nimmt die Zahl der Kochsendungen im Fernsehen rasant zu und ihre Einschaltquoten steigen stetig.

Dem Starkoch über die Schulter blicken
Waren die Kochsendungen der 1970er- und 1980er- Jahre darauf ausgerichtet, die Lebensmittelvielfalt zu zeigen und damit das Publikum auf den internationalen Geschmack zu bringen, rücken seit den 2000er- Jahren Sterneköche, beziehungsweise Prominente, die kochen, ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Beim Blick über die Schulter der «Koch-Popstars» wird suggeriert, man lerne hier so zu kochen, wie die ganz Grossen.

«Kochshows im Fernsehen
erfreuen sich seit Jahren
grosser Beliebtheit.»

Nik Hartmann
Co-Leitung der Abteilung Eigenproduktion
TV National bei CH Media

Sendungen wie «Bumann, der Restauranttester» ergründen die Frage, wie man ein erfolgreiches Restaurant führt. Hilfebedürftige Gastronomen können sich bewerben und berühmte Köche mit Restauranterfahrung geben Tipps oder greifen direkt in den Restaurantbetrieb ein. Die höchsten Zuschauerquoten erreichen allerdings Kochsendungen im Wettbewerbsformat wie «Landfrauenküche», «Mini Beiz, dini Beiz» oder «MasterChef».

 

Kochshows sind seit den Anfängen des Fernsehens eine beliebte Zutat im Tagesprogramm. Während einige Sendungen nur vorübergehenden Ruhm erlangten, gehören andere seit Jahren zum Programm. Um der Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen, könnten viele Formate noch mehr Tipps zu Kochtechniken und Lebensmitteln sowie Anregungen zu einer nachhaltigen, ökologischen und fleischlosen Küche vertragen.

 

Unterhaltung, Know-how und Karriere Sprungbrett

«Kochshows erfreuen sich seit Jahren grosser Beliebtheit», weiss Nik Hartmann, Co-Leiter der Abteilung Eigenproduktion TV National bei CH Media. «Mit der Lancierung von ‹MasterChef Schweiz› wollten wir an den Erfolg vergangener Kochformate anknüpfen und 3+ eine weitere gastronomische Note verleihen.» Bei ‹MasterChef Schweiz› vermittelt der Sender ausserdem viel Koch-Know-how und das Format bietet den Kandidatinnen und Kandidaten ein Karriere Sprungbrett. Mit insgesamt über 1,2 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern erreichte die Kochshow den besten Start eines TV-Kochformates im Schweizer Privatfernsehen in den letzten 10 Jahren. Es verwundert daher nicht, dass eine weitere Staffel folgen wird. Auch wenn Nik Hartmann dazu keine Details verraten möchte.

 

«Für Hobbyköchinnen
und -köche ist es spannend,
anderen über die Schulter
zu schauen.»

Nik Hartmann


Es gibt mehrere Gründe, wieso Kochformate derart beliebt sind: Weil Kochen etwas Alltägliches ist, setzen sich viele Menschen damit auseinander. Für Hobbyköchinnen und -köche ist es zudem spannend, anderen über die Schulter zu schauen und deren Können mit dem eigenen zu vergleichen, und nicht zuletzt sind Kochsendungen auch kulinarische Inspirationsquellen.

 

Autor: Benjamin Schmid