Business-Praxis Janine Keller 26.04.2022

Hygiene im Restaurant: Lebensmittelinspektor im Interview

Hygiene und Sauberkeit in Grossküchen sind sein Metier. Walter Allenspach ist Lebensmittelinspektor im Kanton St. Gallen und testet Gastro- und Industriebetriebe in Sachen Lebensmittelsicherheit auf Herz und Nieren.

Die Augen wachsam, die Handgriffe routiniert und präzise. Walter Allenspach geht in einem St.Galler Gastrobetrieb seiner täglichen Arbeit nach. Man könnte es auch Berufung nennen. Mit prüfendem Blick und viel Elan untersucht er, ob die Oberflächen sauber, die Geräte gepflegt und die Lebensmittel fachgerecht gelagert sind. Ihm entgeht nichts. Seit 23 Jahren kontrolliert der gebürtige Rheintaler Restaurants, Spitäler, Heime und Industriebetriebe auf deren Lebensmittelsicherheit. Mittlerweile leitet er das Regionalbüro Buchs des Lebensmittelinspektorats des Kantons St.Gallen. 6000 Lebensmittelbetriebe unterstehen der Lebensmittelkontrolle des Ostschweizer Kantons. Die Inspektionen erfolgen unangemeldet. Im Gastrofacts-Interview erzählt Walter Allenspach von minuziösen Kontrollen, Laienfehlern und neuen Konsumententrends.

 

Herr Allenspach, Sie haben in Ihrer Karriere als Lebensmittelinspektor über 4000 Betriebe auf ihre Lebensmittelsicherheit geprüft. Gehen Sie selbst noch auswärts essen?

Ja, auf jeden Fall. Klar gibt es gewisse Betriebe, die ich aufgrund meiner Tätigkeit meide. Was mich mein Beruf jedoch gelehrt hat, ist, dass wir wirklich sehr viele gute Gastrobetriebe im Kanton St.Gallen haben, die bemüht sind, ihren Gästen ein gutes Produkt zu servieren.

Sie sind Lebensmittelinspektor, dann gibt es aber auch noch Lebensmittelkontrolleure. Was ist der Unterschied?

Kontrolleure prüfen einfachere Betriebe wie beispielsweise Restaurants, Verkaufsgeschäfte und Hofläden, während Lebensmittelinspektoren die Lebensmittelsicherheit grosser Industrien, Restaurants, Spitäler, Lebensmittelhändler oder -verarbeiter untersuchen und eingehende Krankheitsmeldungen abklären.

Wie besteht man als Betrieb Ihre Lebensmittelinspektion?

Eine Lebensmittelkontrolle beziehungsweise eine -inspektion läuft immer in denselben vier Schritten ab. Dabei stütze ich mich auf die Gesetzesgrundlagen und nie auf mein Gutdünken. Zuallererst findet eine visuelle Kontrolle statt. Hier prüfe ich, wie die Lebensmittel gekennzeichnet sind, ob das Ablaufdatum ersichtlich ist und eingehalten wird oder wie gepflegt und sauber die Küchengeräte und Arbeitsflächen sind. Danach nehme ich die Infrastruktur unter die Lupe. Lässt sich mit den baulichen Voraussetzungen das

«Ich stütze mich immer auf die Gesetzesgrundlagen und nie auf mein Gutdünken.»

 

Angebot des Betriebs bewältigen? Jedes Kriterium gleiche ich mit den Vorgaben der entsprechenden Gesetzgebung ab. Es folgt der Check der Selbstkontrolle der verantwortlichen Personen. Das betrifft die Dokumentation von beispielsweise der Temperatur oder den Lagerbeständen. Schliesslich prüfe ich die betriebsinterne Qualitätskontrolle. Wird der Reinigungsplan für die Filteranlage eingehalten oder tropft irgendwo Öl herunter? Das wäre ein Indiz für das Gegenteil. Zudem nehme ich natürlich Lebensmittelproben, die in unserem Labor untersucht werden.

 

Und wenn eines dieser Kriterien nicht den gesetzlichen Ansprüchen entspricht?

Alle Mängel werden erfasst, egal wie klein sie sind. Wenn wir Abweichungen vom Schweizerischen Lebensmittelgesetz feststellen, werden diese als Beanstandung erfasst. Es wird eine Verfügung aufgesetzt, wonach der Betrieb innert einer Frist die Mängel beheben und zudem eine Gebühr bezahlen muss. Danach folgt allenfalls eine Nachkontrolle. Bessert sich das Resultat über mehrere Folgekontrollen nicht, kann es zur Strafanzeige und im schlimmsten Fall zu einer Betriebsschliessung kommen.

Ist das oft der Fall?

In meinen 23 Jahren als Inspektor ist das zum Glück nicht oft vorgekommen. Wenn es einmal doch passiert, ist das immer sehr belastend für alle Beteiligten. Hinter einer Betriebsschliessung stehen nicht selten ein Familienschicksal, persönliche oder finanzielle Schwierigkeiten. Das tut mir auch nach 23 Jahren noch weh.

Worauf müssen Betriebe besonders achtgeben, dass es nicht zur Betriebsschliessung kommt?

Ich beobachte in der Branche einen markanten Anstieg von Quereinsteigern, die oft mangelhafte Fachkenntnisse mitbringen – insbesondere im Takeaway-Bereich. Oftmals fehlt das Know-how im Umgang mit Lebensmitteln. Es werden beispielsweise zu viele Fleischwaren eingekauft und die Leute wissen dann nicht, wie sie mit der Verbrauchsfrist umgehen müssen. Eine Überlagerung entsteht und das Essen verschimmelt.

Welche anderen Veränderungen haben Sie in den letzten zehn Jahren beobachtet?

Die Verpflegungsangebote haben sich verändert, nicht zuletzt in den vergangenen zwei Jahren durch Corona. Lieferdienste und Take-away-Optionen sind gefragter denn je. Zudem gestalten sich die Öffnungszeiten von Restaurants heute anders als noch vor zehn Jahren, als man den ganzen Tag warme Küche anbot. Zudem sind natürlich mehr private Essensanbieter dazugekommen. Hofläden sind gang und gäbe, aber auch beispielsweise Hobby-Tortenbäckerinnen und -Tortenbäcker gibt es immer mehr.

 

Werden private Lebensmittelanbieter anders auf die Lebensmittelsicherheit geprüft?

Nein, Privatküchen werden genau nach demselben Schema geprüft wie Gastroküchen. Auch bei einer häuslichen Herstellung muss ein Betriebskonzept für die gesamte Produktion bis zur Auslieferung vorgelegt werden. Die meisten privaten Hersteller sind wirklich sehr gut aufgestellt, um das individuelle Arbeitsvolumen zu bewältigen. In der Regel verschwinden Private jedoch so schnell wie sie aufgetaucht sind.

Gibt es nach 23 Jahren noch Überraschungen im Beruf?

Das Schöne an meinem Beruf ist seine Vielseitigkeit und der Kontakt zu verschiedensten Menschen. Ich sehe in Lebensmittelindustrien, Alprestaurants, Altersheime und Spitäler rein. Aber auch Musikfestivals, Tattoostudios oder die Produktion von kosmetischen Artikeln unterstehen dem Lebensmittelschutz und werden von uns geprüft. Zudem unterstützen wir Architektinnen und Architekten bei der Erarbeitung von Baugesuchen, wovon der Bereich Lebensmittelsicherheit ein wichtiger Teil ist. Langweilig wird es mir definitiv auch nach dieser langen Zeit nie.

Bleibt man objektiv, wenn man die Besitzerinnen und Besitzer schon jahrelang kennt?

Auf jeden Fall. Jeder Betrieb wird gleich kontrolliert – egal, wie gut man sich kennt. Es geht immer um die Sache und deshalb wahrt ein guter Lebensmittelinspektor seine Objektivität. Wir nehmen beispielsweise keine Mittagessen an, denn eine gesunde Distanz ist in unserem Beruf das A und O.

 

Weitere Links:

Auf Kontrollkurs

Autorin: Janine Keller