Gastronomie Stefan Kühnis 08.11.2019

"Vollgepackt mit gutem Zeug"

Ketchup hat eine gigantische Fangemeinde, aber einen zweifelhaften Ruf. Es steht für kulinarische Tiefflüge, ungesunden Fastfood, amerikanische Stillosigkeit. Connie Kelly hält voll dagegen. In neun Monaten und über hundert Versuchen hat sie ihr Schweizer Bioketchup entwickelt.

Ein Food-Start-up gründen. Das war die Idee von Connie Kelly, ihrem Mann John und den zwei Freunden Greg und Suze. «Ich wuchs in einem Haushalt auf, wo man immer gut ass. Einfach, aber gesund», erzählt Connie Kelly. Das hatte Einfluss auf ihre Berufswahl. Sie wurde Köchin und Ernährungswissenschaftlerin und gründete vor zehn Jahren eine
eigene Ernährungs- und Koch-Coaching-Firma. Dabei arbeitete sie häufig mit Familien zusammen und half ihnen, gesund zu kochen und Methoden zu finden, wie man Kinder dazu bringt, gesund zu essen. «Das ist die grosse Herausforderung», sagt sie. «Viele Lebensmittel irritieren Kinder einfach. Ich selbst ass als Kind zum Beispiel keine Randen, ich  schmeckte da nur Erde. Als Mutter und Ernährungswissenschaftlerin weiss ich, dass Kinder gewisse Lebensmittel eher probieren und akzeptieren, wenn eine Sauce dabei ist, die sie gerne essen. Saucen können dazu verleiten, anders zu essen.»

«Kinder probieren gewisse Lebensmittel eher, wenn eine Sauce dabei ist.»

Connie Kelly
Ketchup-Produzentin

Es war dem Team ganz klar, dass das Food-Start-up ein alltägliches Lebensmittel anbieten soll. Every Day, Family und Goodness, das waren die Stichworte. Sie wollten etwas  schmackhaftes machen und nur gute Zutaten drin haben. Als Connie und John Kelly mit ihren Kindern Jack und Vince während einer längeren Reise in Neuseeland waren, fiel der Groschen. «Ketchup ist dort auf jedem Teller, immer und überall. Es ist eigentlich eine eigene Foodkategorie», sagt Connie Kelly. «Auch in Europa und Nordamerika landet
es häufig auf den Tellern. Doch in Neuseeland gab es sogar Ketchup, das kaum Tomaten drin hatte, sondern ein furchtbares Gemisch aus Farbstoffen und Zucker war.» Als die Familie wieder zu Hause war, in Stäfa am Zürichsee, fing sie in der eigenen Küche an zu experimentieren. In Connie’s Kitchen also.

 

Mittagstisch als Testlabor

«Es sollte ein authentisches, gesundes, schmackhaftes und reichhaltiges Ketchup sein, vollgepackt mit gutem Zeug», erzählt Connie Kelly, «ein Naturprodukt mit Biolabel, ohne Zusatzstoffe, zugefügten Zucker, Fruchtsäfte oder Konzentrate, sondern mitsamt allen Ballast- und Mineralstoffen aus dem verwendeten Gemüse. Ein Ketchup, das Eltern ihren  Kindern mit gutem Gewissen auf den Tisch stellen können.» Sie liess also den Zucker und alle Konservierungs- und Verdickungsmittel weg, packte Obst dazu, Gewürze, Essig, um die Balance eines Ketchup zu erreichen – und war lange nicht zufrieden. «Es ist eine grosse Herausforderung, ein gutes Ketchup hinzubringen», sagt sie. «Es hat alle fünf Geschmacksrichtungen drin: süss, sauer, salzig, bitter und umami. Die müssen perfekt harmonieren.» Immer wieder kam es vor, dass sie zufrieden war und glaubte, die Harmonie erreicht zu haben. Doch drei Wochen später musste sie jeweils feststellen, dass sich der Geschmack völlig verändert hatte. Eben weil sie dem Naturprodukt keine Stabilisatoren oder andere Zusatzstoffe beigefügt hatte.

 

«Es ist eine grosse Herausforderung, ein gutes Ketchup hinzubringen.»
 

Connie Kelly

Neun Monate und mehr als hundert Rezepte lang ging das so. Sie veränderte nicht nur die Zutaten, sondern auch die Methoden. Sie röstete Tomaten im Ofen vor oder köchelte sie im offenen Topf. Es war ihr wichtig, dass ihr Ketchup sowohl Erwachsenen als auch Kindern schmeckt. Und oft sind es die Kinder, die entscheiden, ob ein Ketchup im Haushalt ist oder nicht. Also begann sie damit, die Freunde ihrer Söhne regelmässig zum Mittagessen einzuladen. Sie kochte und stellte dazu zwei bis drei Ketchups auf den Tisch. Das Feedback der Kinder half, sie kam dem richtigen Rezept immer näher. Als eines Tages sieben von acht Kindern fanden, dass ihr Ketchup besser schmecke als die anderen,
war für sie klar: Sie hatte das Rezept gefunden.

Von Stäfa in die Produktion und auf den Tisch
Dann ging es darum, das Produkt in grösseren Mengen herzustellen, was in der eigenen Küche in Stäfa natürlich nicht möglich war. Und damit begann das Pröbeln von vorne. «Wir fanden schon während unseren Tests einen Hersteller, der mit Biolebensmitteln arbeitet und auch Saucen produziert», erzählt Connie Kelly. «Aber der hatte ganz andere Prozesse. Wir mussten wieder vieles anpassen und ausprobieren. Gewisse Zutaten, die der Hersteller in Bioqualität und in den nötigen Mengen besorgen kann, schmecken leicht anders. Das war sehr spannend, aber es dauerte nochmals einige Monate, bis auch das richtig eingestellt war.» Dann musste eine Flasche ausgesucht werden, eine Etikette wollte designt sein. Was einfach klingt, war wieder ein langer Prozess. Eine Hilfe war, dass es im Team zwei echte Experten in genau diesen Fragen gibt: John und Greg haben beide mehr als 15 Jahre in der Lebensmittelindustrie gearbeitet, im Marketing und Markenaufbau. Die Rezeptur stand also, die Produktion lief, das Ketchup wurde in ausgewählte Glasflaschen abgefüllt und mit schönen Etiketten versehen, aber noch stand das Produkt nicht auf den Tischen. Wie also konnte man das neue Connie’s Kitchen Ketchup an den Mann, an die Frau und vor allem an die Kinder bringen? «Wir gingen anfangs von Tür zu Tür, klopften an und stellten uns und das Ketchup vor. Wir baten die Leute, es zu probieren und uns wissen zu lassen, was sie davon halten», erzählt Connie Kelly. «Das haben wir ein Jahr lang gemacht, erfolgreich, aber natürlich auch limitiert im Raum Zürich. Heute arbeiten wir mit ein paar tollen Partnern zusammen und vertreiben das Ketchup schweizweit, sind in über 150 Läden vertreten und natürlich haben wir auch einen Onlineshop. Man findet das Ketchup immer häufiger auch in Restaurants, obwohl wir noch gar nicht auf diesen Bereich zugingen. Die Gastronomen kamen auf uns zu. Sie hörten davon und interessierten sich dafür. Ein Beispiel ist das Urban Fork in Zürich. Die bieten gute Burger und Pommes an, dazu wollten sie auch ein gutes Ketchup haben.» Der Schweizerhof in Lenzerheide stelle Connie’s Kitchen inzwischen auch auf den Tisch, und auf die Wintersaison hin würden es auch weitere Betriebe anbieten. «Wir haben deshalb Gastroversionen entwickelt, zum Beispiel in kleineren Gläsern und als Nachfülloptionen. Wir merken, dass auch Restaurants heute stark umdenken. Sie möchten nicht einfach nur das gute, lokale Biofleisch anbieten, sondern unter anderem ein gutes, lokales Ketchup hinstellen.»
 

Die Zauberformel
Italienische Pelati, Kürbis, Äpfel, Datteln, Randen, Knoblauch, Balsamico, Piment, Meersalz. Das ist alles, was drin ist. Man könnte es also ganz leicht nachmachen. Doch so einfach das klingt, so schwierig ist es. «Ich bin Köchin und kann viel, aber das war schon eine ganz andere Dimension», sagt Connie Kelly. «Ich konnte mir anfangs nicht vorstellen, wie herausfordernd das ist und wie lange es dauern wird. Wohl auch deshalb sind wir der einzige Biohersteller, der ohne Zucker und mit ganzem Obst und ganzem Gemüse
Ketchup macht. Umso stolzer sind wir darauf.» Das Bio-Knospe-Label lag dem Team ganz besonders am Herzen. «Das ist zwar aufwändig und nicht immer einfach, aber wir wollten das unbedingt schaffen», erzählt sie. «Das Label ist ziemlich strikt, soziale und nachhaltige Aspekte fliessen sehr weit ein. Uns war zum Beispiel wichtig, dass die Datteln aus Tunesien nicht nur Bio sind, sondern auch unter fairen Bedingungen angebaut werden. Und natürlich muss man ganz besonders rund um die Verfügbarkeit der Zutaten sehr gut planen und reagieren. Seit einem halben Jahr gibt es das Ketchup in einer Jalapeñosvariante, also eine leicht scharfe Version. Die Jalapeños, die in der Schweiz angebaut werden, können dieses Jahr wegen des kühlen und nassen Frühlings erst mit einem guten Monat Verspätung geerntet werden.»

«Wir sind der einzige Biohersteller, der ohne Zucker und mit ganzem Obst und Gemüse Ketchup macht.»


Connie Kelly

Die ersten Flaschen Connie’s Kitchen Ketchup wurden im August 2018 verkauft. Über aktuell produzierte Mengen könne sie gar keine verlässliche Auskunft geben, da es fast täglich massiv mehr würden, sagt Connie Kelly. «Wir wachsen wie verrückt.» Bereits arbeitet sie an einem nächsten Projekt. In spätestens zwölf Monaten will sie mit einem weiteren Produkt bereit sein. «Ich verrate noch nichts, aber es soll natürlich wieder die gleichen Werte vertreten: gesund, reichhaltig, schmackhaft, Bio – ohne Zucker, Konzentrate oder Zusatzstoffe.»

 

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Stefan Kühnis

Autor: Stefan Kühnis