Eine grüne Insel in der Agglomeration: Die «Rosenau» ist eine private Institution, die ein niederschwelliges Wohnangebot für Erwachsene mit psychischen Beeinträchtigungen und Unterstützungsbedarf bereitstellt. Das einstige Bauernhaus aus dem Jahr 1926, das auch schon als Kinderheim diente, wird von 6000 Quadratmetern Natur umrahmt. «Ins Leben aufblühen, das ist unser Motto», erklärt Institutionsleiter Hansjürg Huber und meint damit nicht nur das spriessende Grün des Parks. «Das bedeutet auch, dass wir einen positiven Beitrag an die Gesellschaft leisten möchten. Nachhaltigkeit ist für uns deshalb sehr wichtig. Wir wollen mehr bieten, als gefordert ist.»
Seit 20 Jahren verfügt das Heim über ein Managementsystem und ist ISO-9001-zertifiziert. Ausserdem sorgt seit den 80er-Jahren eine eigene Solaranlage mit Wärmeaufbereitung für umweltfreundliche Energie. Und als eines der ersten Schweizer Heime ist die «Rosenau» seit 14 Jahren CO²-neutral und seit 2006 mit dem Zertifikat von myclimate ausgezeichnet. Auf diesen Pioniererfolgen will sich der 51-jährige Heimleiter nicht ausruhen. «Wir brauchen neue Impulse, um uns weiterzuentwickeln.» Hansjürg Huber ist überzeugt, dass ein gutes Label eine Richtschnur sein muss, an der sich ein Betrieb in Richtung Zukunft orientieren kann. Ein solches Label zu finden, das auch noch zu den Ansprüchen und Gegebenheiten der «Rosenau» passt, sei nicht leicht gewesen. Fündig wurde man bei einem Label für die Hotel- und Beherbergungsbranche. «ibex fairstay fordert uns heraus. Das Label bietet einen Mantel, der all unsere bisherigen Zertifikate und Massnahmen umfasst», sagt Huber. «Zwar haben wir keine wechselnden Gäste, aber ibex fairstay zeigt am ehesten in die Richtung, in die wir wollen.»
Überdurchschnittlich nachhaltig
Damit ist die «Rosenau» das erste Heim in der Schweiz, das ibex fairstay anstrebt. Über 60 Hotels, Herbergen und Seminarzentren sind bisher mit dem Label zertifiziert, zudem wurden zwei Spitäler ausgezeichnet: die Klinik Schützen in Rheinfelden (AG) und die Klinik St. Pirminsberg in Pfäfers (SG). Die Geschäftsführerin von ibex fairstay, Anita Gschwind, freut sich über das potenziell neue Mitglied aus dem Heimbereich: «Bei den Verantwortlichen spürt man, dass sie es ernst meinen.» ibex fairstay existiert unter diesem Namen seit 2012. «Das Label wurde 1998 als damaliges Steinbock-Label von Bündner Betrieben in Davos initiiert, um die Wertschöpfung in der Region zu fördern und den Gästen ein authentisches Erlebnis zu bieten», erklärt Gschwind. Dieser Gedanke sei auch heute noch Kern des Labels. Die Geschäftsführerin betont: «Bei ibex fairstay braucht es ein starkes Engagement.» Es reiche nicht aus, «etwas für die Umwelt» zu machen und ein Qualitätsmanagement zu implementieren. ibex fairstay setzt auf «ein Qualitätsmanagement mit überdurchschnittlicher Verantwortung für ein nachhaltiges Handeln» und einen ganzheitlichen Prozess. So fokussiert das Managementtool auf Massnahmen in den fünf Dimensionen Management, Ökologie, Finanzen, soziale Balance sowie regionale Verankerung und Authentizität.
«Dass Überdurchschnitt liches gefordert wird, spornt uns an.»
«Dass überdurchschnittliches Engagement gefordert wird, hat uns natürlich sehr angesprochen», sagt der Institutionsleiter der «Rosenau». «Unsere bisherigen Massnahmen waren nicht nur ressourcenbezogen, sondern setzten auch in der Führung und im Management an.» Daher ist Hansjürg Huber überzeugt, dass das Heim für den Zertifizierungsprozess gut vorbereitet ist. Ziel sei es aber nicht, gleich im ersten Anlauf die höchste Auszeichnung «Platin» zu erlangen. Das Heim solle diese Stufe in einem mehrjährigen Prozess erreichen. Erste Anzeichen, wo die «Rosenau» nachhaltig steht, gab bereits der Onlinetest auf der Website von ibex fairstay. Hansjürg Huber erzählt: «Als wir das Label entdeckten, haben wir die rund 30 Fragen beantwortet und kamen auf einen mittleren Wert. Das hat uns angespornt.»
Umdenken im Heim
Über die Geschäftsstelle von ibex fairstay kann sich jeder interessierte Betrieb für den Zertifizierungsvorgang anmelden. Danach besucht die Geschäftsführerin die Anwärter persönlich. «Ich schaue mir die Bewerber vor Ort an, um zu spüren, ob sich unsere Überlegungen mit denen des Hotels beziehungsweise Heims decken», erklärt sie. Hansjürg Huber schätzte diesen Erstkontakt. «Frau Gschwind beantwortete unsere Fragen zum weiteren Vorgehen und dem Aufwand ganz offen», so Huber. «Da wurde uns schnell bewusst, dass es nicht wenig zu tun gibt.» Nachdem beide Parteien den Absichtsvertrag unterschrieben haben, erhält der Betrieb einen Fragebogen in Form einer Exceltabelle, um die Merkmale des Betriebs und erste Hinweise auf Verbesserungspotenziale zu erfassen. Teilweise umgesetzte oder geplante Massnahmen werden ebenfalls miteinbezogen. «Dieser Prozess soll vor allem sensibilisieren und zum Handeln anregen», betont Anita Gschwind. Auf Wunsch unterstützt ibex fairstay den Betrieb zudem mit einer Kick-off-Veranstaltung, ist für Fragen jederzeit erreichbar und bietet im Intranet weitere Unterlagen an, auch für interne Schulungen. Anhand des ausgefüllten Fragebogens werden Bewerber in einem nächsten Schritt durch externe Auditoren vor Ort unter die Lupe genommen. Am Ende entscheidet ein unabhängiges Komitee über die Zertifizierung. Diese dreifache Struktur sei sehr wichtig für die Glaubwürdigkeit des Nachhaltigkeitslabels, sagt die Geschäftsführerin. «Die Überprüfung durch Dritte ist das höchste Zertifizierungsprinzip, das sogenannte ISO Typ I.» Geplant war der Audit für das Heim Rosenau Ende Jahr, doch die Umstellungen während der Coronakrise haben das Tagesgeschäft sehr gefordert. «Das Leben ging zeitweise auf einer anderen Spur. Und das Label musste in den Hintergrund treten», erzählt Institutionsleiter Hansjürg Huber. Jetzt sei man mittendrin im Prozess. Eine Mitarbeiterin sammelt derzeit fleissig Nachweise und Informationen, um den Fragebogen auszufüllen. Da die «Rosenau» bereits über einige andere Labels verfügt, lassen sich deren Ergebnisse auf den Fragebogen übertragen und sorgen sogar für Zusatzpunkte. Doch einige Bereiche stellen die Heimleitung vor grössere Herausforderungen. Hansjürg Huber bringt ein Beispiel: «Eine Fluktuationsrate lässt sich beispielsweise leicht errechnen. Aber um den Anteil von regionalen Produkten bei den Gesamtlebensmitteln zu bestimmen, braucht es eine grössere Rechenleistung.» Wo Unklarheiten bestehen, sei man ständig mit ibex fairstay im Gespräch. Der Ursprung des Labels als Tool für Bündner Berghotels sei in den Fragen stellenweise deutlich spürbar. So sieht Hansjürg Huber vor allem im Bereich «Regionale Verankerung und Authentizität» beim Thema «Regionale Produkte und Tourismus» noch Klärungsbedarf. «Viele der Punkte beziehen sich auf die Hotellerie. Hier werde ich mit den Auditoren besprechen müssen, was dies genau im Heimbereich bedeutet. Lokale Spezialitäten haben bei uns natürlich nicht denselben Stellenwert wie bei einem Frühstücksbuffet im Hotel.»
«Der Prozess soll zum Handeln anregen.»
Mit Genuss und Sinn
Im Foodbereich sei jedoch unabhängig vom Label eine Anpassung geplant. So erklärt Hansjürg Huber: «Wir möchten mehr auf regenerative Lebensmittel setzen.» Das Ziel der regenerativen Landwirtschaft ist es, so zu wirtschaften, dass geschlossene Kreisläufe sowie langfristig nachhaltige Produktionssysteme entstehen. «Es geht darum, bewusster mit der Natur umzugehen», betont Huber. Die Standortbestimmung mit ibex fairstay laufe trotz hohen Aufwands sehr gut, freut sich Hansjürg Huber. Ihn motiviere besonders, dass das Verbesserungspotenzial ganz konkret sichtbar werde und die Labelverantwortlichen für Fragen offen seien. «Es gibt im Labeldschungel einige, bei denen sich die Massnahmen im Alltag eher schwer umsetzen lassen. Bei ibex fairstay ist das nicht der Fall. Die Fragen sind sehr praktisch orientiert und positiv herausfordernd.» Man merke, dass das Label vor allem auf das tatsächliche Engagement und weniger auf Marketingaspekte abziele.
«Die Fragen sind sehr praktisch orientiert und positiv herausfordernd.»
Geschäftsführerin Anita Gschwind: «Der Kriterien- und Massnahmenkatalog fokussiert auf Dienstleistungen aus der Beherbergungsbranche. Hier gibt es weniger vorgegebene Prozesse als beispielsweise in der Industrie. Jede Buchung ist anders, jeder Gast ist anders.» Generell stehe auf der Ebene «Soziales» der Mensch im Mittelpunkt. «Gemeint sind damit nicht nur Gäste oder Bewohnerinnen und Bewohner, auch Mitarbeitende, Produzenten, Lieferanten – ja die ganze Bevölkerung soll bei den nachhaltigen Lösungen berücksichtigt werden.»
Mehr als ein Türsticker
Dem Marketing dienlich ist ibex fairstay dennoch. So erhoffen sich die Verantwortlichen der «Rosenau», ihren nachhaltigen Weg in Richtung Zukunft auch gegen aussen aufzeigen zu können. «Wir möchten kommunizieren, dass wir über alle Ebenen hinweg nachhaltig denken. Mit dem Label ist das einfacher», sagt Hansjürg Huber. Und auch Anita Gschwind bestätigt: «Die Zertifizierung dient auch dazu, einen Standard zu deklarieren, der einen Wert hat. Dieser Wert schafft Zulauf von Gästen, die sich einen Betrieb bewusst nach nachhaltigen Kriterien aussuchen.» Nachhaltigkeitsaspekte würden sich perfekt für eine gute Geschichte eignen, die mehr bringe als der Labelsticker an der Eingangstür. Anita Gschwind ist überzeugt, dass sich der Trend für bewusstes Reisen und die Sensibilisierung innerhalb der Bevölkerung für umweltfreundliche Themen in den kommenden Jahren noch verstärken werden. «Mit ibex fairstay gehen die Betriebe diesen Schritt voraus. Ausserdem bietet das Thema ein grosses Sparpotenzial und hilft, langfristig zu überleben.»
«Mit ibex fairstay gehen die Betriebe einen Schritt voraus.»
Denn das ibex-fairstay-Zertifikat lohne sich auf vielen Ebenen. Die Geschäftsführerin gibt einige Beispiele: «Das Engagement kann dazu beitragen, dass die Fluktuationen der Mitarbeitenden sinken und erfahrene Fachleute gehalten werden können. Oder der Wasserverbrauch reduziert werden kann.» Die Erstzertifizierung ist zwei Jahre gültig. Danach wird der Betrieb alle drei Jahre rezertifiziert. «Es ist enorm wichtig, dass das Zertifikat regelmässig und von neutraler Stelle überprüft wird, damit sich die Betriebe auch weiterhin nachhaltig entwickeln können.» Um das Engagement der Partner zu würdigen und gegen aussen zu kommunizieren, verleiht die Labelorganisation seit diesem Jahr erstmals den «Best of ibex fairstay»-Preis. Alle Betriebe, die sich in den letzten zwölf Monaten erfolgreich (re-)zertifizieren konnten, wurden für die Verleihung berücksichtigt. 2020 ging der Preis für das nachhaltigste Mitglied an die Jugendherberge in St. Moritz (GR).
«Heime engagieren sich sehr für die Nachhaltigkeit.»
Chance zur Innovation
«Heime sind sehr sensibilisiert und engagieren sich sehr für die Nachhaltigkeit», betont Hansjürg Huber. «Labels waren bis anhin für das Tagesgeschäft einfach nicht relevant.» Der Institutionsleiter der «Rosenau» hofft, dass sich das ändern wird. Die Herausforderung für ibex fairstay sei es nun, neben der «Rosenau» auch weitere Heime anzusprechen. Denn das würde der Heimszene die Möglichkeit geben, sich weiterzuentwickeln. «Vielleicht käme es sogar zu einer Hebelwirkung», philosophiert Huber. Anita Gschwind ist offen: «Heime sind gerne willkommen und wir haben bereits weitere Anfragen erhalten.»
Weitere Vorteile von ibex fairstay
- Das Label ibex fairstay pflegt Partnerschaften zu anderen bekannten Nachhaltigkeits-Zertifizierungen wie etwa den Klassifizierungen von Hotellerie Suisse, myclimate «Cause We Care» (siehe auch Gastrofacts N° 30 ). Die Partner anerkennen das Managementtool von ibex fairstay bei der Vergabe von eigenen Auszeichnungen.
- Das Buchungsportal bookdifferent.com listet zertifizierte Betriebe in der Kategorie «Nachhaltigkeit » auf höchster Ebene.
- Seit 2020 können sich die Betriebe gleichzeitig mit ibex fairstay und dem internationalen TourCert-Label auszeichnen lassen.
Institution Rosenau | |
Motto | Rosenau – ins Leben aufblühen |
Ort | Egg (ZH) |
Zimmer | 53 Zimmer im Haupthaus, 4 Wohnungen im Dorf |
Mitarbeitende | 28 Mitarbeitende in 16 Vollzeitstellen |
Besonderheit | Lebensfreiräume, Individualität und Freiwilligkeit sind wichtige Stützpfeiler für den Aufenthalt der Bewohnenden. |