Gastronomie Laetitia Reiner 03.10.2024

Hybrid-Food: Bunte Fusion auf dem Teller

Hybrid-Food sprengt kulinarische Grenzen, indem es Elemente verschiedener Küchen vereint und so zu überraschenden Geschmackserlebnissen führt. Gastrofacts beleuchtet, wie die Gastronomie den Trend aufgreift und neue Kreationen schafft.

Hybrid-Food mag zunächst wie ein weiterer Trend in der Welt der Gastronomie erscheinen. Doch es gibt gute Gründe, diesem Konzept besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Die einzigartigen und innovativen Kombinationen, die unter diesem Begriff entstehen, bieten spannende kulinarische Entdeckungen, die es wert sind, erkundet zu werden. Der renommierte Schweizer Foodscout, Richard Kägi, beschreibt Hybrid-Food nicht umsonst als «die Kombination von Zutaten und Zubereitungstechniken verschiedener Kulturen, die zu neuen und spannenden Geschmackserlebnissen führen.»

Die Herausforderung bei Hybrid-Food liege darin, die richtigen Aromen miteinander zu verbinden, sodass das Ergebnis nicht bloss ein Effekt ist, sondern auch geschmacklich überzeugt. Und zwar nicht nur jedes Element für sich, wie beim Food Pairing, sondern als Gesamtkunstwerk. Der Unterschied liegt darin, dass beim Food Pairing einzelne Komponenten kombiniert werden, während bei Hybrid-Food das gesamte Gericht aus einander fremden Zutaten und Zubereitungsarten zusammengestellt wird. Beispiele wie der «Ramen-Burger» oder Sushi mit einheimischen Seefischen zeigen, wie Hybrid-Food in der Schweiz erfolgreich umgesetzt wird.

 

«Seit Jahren entwickeln wir intuitiv Hybrid-Kreationen, ohne den Begriff Hybrid-Food zu kennen.»

Benedikt Voss, Küchenchef im Restaurant Regina Montium

Die Gastronomieszene zieht mit

Doch wie gehen Gastronominnen und Gastronomen in der Schweiz mit diesem neuen Trend um? Ist er überhaupt neu? Benedikt Voss, Küchenchef im Restaurant Regina Montium in Rigi Kaltbad, und sein Team wagen sich immer wieder an neue Kreationen, ohne den Begriff Hybrid-Food je gehört zu haben. «Im Laufe der Jahre geschieht dies bei uns intuitiv und automatisch», so Voss. Es sei eine Möglichkeit, im Team kreatives Neuland zu betreten. Ihre Definition von Hybrid-Food: Kindheitserinnerungen und klassische Gerichte mit Kochtechniken aus aller Welt kombinieren. Seit jeher. Die Inspiration, Elemente aus verschiedenen Küchen und Kulturen zu fusionieren, kommt laut Voss aus der globalen Vernetzung, die alle Lebensbereiche prägt. Die Globalisierung, sei es durch Reisen, die Verfügbarkeit von Lebensmitteln oder das Internet und Fachliteratur, eröffnet einen reichen Fundus an Einflüssen und Ideen. So entstand vor einigen Jahren auch die vegane Adaption des «Panhas» – eines traditionellen Metzgergerichts aus Nordrhein-Westfalen. Ursprünglich aus einer Mischung aus Wurstbrühe, Buchweizenmehl und Schweineblut hergestellt, hat das Küchenteam diesen knusprigen Buchweizenpudding neu interpretiert – mit Pilz-Consommé und gebratenen Pilzen. Die Gäste waren begeistert. «Unser Konzept der Terroir-Küche betont die Verwendung ausschliesslich Schweizer Rohstoffe, vorzugsweise aus der direkten Umgebung», so Jannik Moser, Souschef im Restaurant Regina Montium. Terroirküche bedeutet, dass bei der Zubereitung der Speisen grosser Wert auf die Herkunft der Zutaten gelegt wird. Produkte werden bevorzugt aus der Region bezogen, um die lokale Landwirtschaft zu unterstützen und die kulinarische Identität der Gegend zu bewahren. Moser kombiniert Schweizer Zutaten mit internationalen Kochtechniken um neue Gerichte zu kreieren. Nicht weniger originell zeigt sich die Restaurantkette «Oh my Greek». Mit ihren Restaurants und Take-aways in den grossen Städten der Schweiz setzt sie gezielt auf Hybrid-Food – ohne ihre griechischen Wurzeln zu vergessen.

 

Pita trifft Pioniergeist

Alex und Nikolaos Sgouros, das dynamische Vater-Sohn-Duo hinter der beliebten Restaurantkette, nutzen ihre Plattform, um Hybrid-Food-Konzepte in einzigartige kulinarische Erlebnisse zu verwandeln. «Das Geheimnis unseres Erfolgs liegt in der Fähigkeit, traditionelle Gerichte neu zu interpretieren und mit internationalen Elementen zu kombinieren», so Alex Sgouros. Ein Beispiel ist das «Gyros-Club-Sandwich», eine aussergewöhnliche Fusion aus dem traditionellen «Pita Gyros» und dem westlichen «Club-Sandwich». Dabei verschmelzen traditionelle Elemente mit neuen Ideen und die Menüs werden auf ein Level gebracht, welches die Neugier der Menschen weckt und schlussendlich auch im Geschmack überzeugt. Die Familie Sgouros beobachtet laufend globale Food-Trends, um die eigene Speisekarte anzureichern. Diese Perspektive macht es möglich, einzigartige Gerichte wie Greek Caesar Salad mit Pita-Croûtons und Graviera-Käse oder Falafel im griechischen Pita-Brot mit Tzatziki zu entwickeln. Das sind Beispiele dafür, wie durch das Aufgreifen internationaler Trends und deren Anpassung an lokale Geschmäcker ein breiterer Kundenkreis angesprochen werden kann. Denn die Begeisterung bei den Menschen ist laut Alex Sgouros gross.

 

Es muss auch schmecken

Mit ihren kulinarischen Fusionen treffen Alex und Nikolaos Sgouros den Nerv der Zeit. Trends entstehen heutzutage oft online, und wie Foodscout Richard Kägi feststellt, wächst die Bedeutung der Kulinarik in sozialen Medien stetig. «Oft werden hohe Erwartungen geweckt, die auch geschmacklich erfüllt werden müssen, denn Bilder lügen bekanntlich oft», betont Kägi. Bei aller Liebe zur Innovation gilt also Vorsicht: Auch wenn ausgefallene Kreationen Aufmerksamkeit generieren, entscheidet letztlich der Geschmack darüber, ob die Gäste wiederkommen. Bei «Oh my Greek» ist der Entwicklungsprozess neuer Gerichte daher streng geregelt. Das Sgouros-Duo hat stets ein Auge auf kulinarische Trends. Entsteht eine vielversprechende Idee, beginnt die experimentelle Phase in der Produktionsküche. Hier wird mit verschiedenen Zutaten gespielt und der Geschmack akribisch verfeinert.

Gleichzeitig achten Vater und Sohn darauf, dass die Mise en Place, die Lagerung und die Zubereitung so optimiert sind, dass der Küchenbetrieb auch in Stosszeiten reibungslos läuft. Ein Gericht schafft es nur dann auf die Speisekarte, wenn es sämtliche Kriterien erfüllt und in allen Filialen gleich umgesetzt werden kann.

 

Authentisch bleiben

Der fortschrittliche Ansatz eröffnet auch das Potenzial, neue Zielgruppen zu erschliessen und die kulinarische Innovation voranzutreiben. Doch diese Chancen kommen nicht ohne ihre eigenen Herausforderungen. Wie Richard Kägi betont, stellt das Marketing eine erhebliche Hürde dar: Wie macht man neue Gerichte bekannt und überzeugt die Gäste davon, sie auszuprobieren? Da kommen sicher wieder die sozialen Medien ins Spiel. Alex und Nikolaos Sgouros sehen die Herausforderung insbesondere darin, ein lokales Publikum in ländlichen Regionen für neue Konzepte zu gewinnen, wo traditionelle Geschmäcker oft tief verwurzelt sind. Benedikt Voss und Jannik Moser vom Restaurant Regina Montium stehen vor der Aufgabe, kulturelle Erwartungen zu überwinden und internationale Techniken so einzusetzen, dass sie mit den lokalen Zutaten harmonieren. Dies erfordert eine sorgfältige Balance, um die Authentizität zu bewahren und gleichzeitig Neues zu wagen.

Hybrid-Food könnte also eine spannende Zukunft haben. Benedikt Voss und Jannik Moser sehen sogar eine «allumfassende Weltküche» als mögliche Entwicklung. Während Richard Kägi die koreanische Küche und Zutaten wie Gochujang-Chilipaste als kommende Trends prognostiziert, betonen Alex und Nikolaos Sgouros, wie wichtig es ist, Traditionen zu bewahren und gleichzeitig von anderen Kulturen zu lernen.

Woher kommt dieser kulinarische Trend, der traditionelle und neue Geschmackswelten miteinander verbindet? Sandra Brandt der Kern & Sammet AG und Lukas Casanova der Hiestand Schweiz AG gewähren Einblicke in die Ursprünge und die praktische Umsetzung von Hybrid-Food.

 


 

«Es muss nicht immer exotisch sein, sondern einfach schmackhaft.»

Lukas Casanova, Head of Brand Management Coup de pates & la carte

Eines der bekanntesten Beispiele für Hybrid-Food ist der Cronut, erfunden im Jahr 2013 von Dominique Ansel in New York. Diese Mischung aus Croissant und Donut hat international grosse Popularität erlangt. Dort hat Hybrid-Food wahrscheinlich seinen Ursprung. Lukas Casanova, Head of Brand Management bei Hiestand, sieht in Hybrid-Food eher eine natürliche Entwicklung, die durch die Globalisierung beschleunigt wurde. Kulturelle Verschmelzungen sind nichts wirklich Neues, aber moderne Bezeichnungen wie «Fusion» oder «Hybrid-Food» geben dem Trend einfach neue Namen.

Hiestand springt nicht auf jeden Trend auf, denn Lukas Casanova wie auch Sandra Brandt, Geschäftsführerin bei Kern & Sammet, sind sich einig: Backwaren sind eher traditionelle Lebensmittel. Doch in Zeiten von Social Media war es einen Versuch wert, etwas «anderes» auszuprobieren. So entstand auch der Cailler-Branche-Gipfel, der nach 20 Jahren einer der beliebtesten und meistgegessenen Schoggigipfel der Schweiz ist. Das war schon vor der Geburtsstunde des Cronut in New York.




 

«Die Kreation muss nachhaltig ansprechend sein.»

Sandra Brandt, Geschäftsführerin der Kern & Sammet AG

Sandra Brandt teilt ihren etwas kritischeren Blick auf den Hybrid-Food-Trend. Sie sieht es als Herausforderung, auf einem Markt zu bestehen, der ständig nach Neuheiten verlangt, die oft nur kurzlebig sind. «Hybrid-Food muss nicht nur neu, sondern auch nachhaltig ansprechend sein», betont Brandt. Die Kern & Sammet AG hat mit Hybrid-Food experimentiert und in der Vergangenheit bereits Bruffins auf den Markt gebracht. Momentan bietet ihr Kooperationspartner Bakery Bakery, die erste komplett vegane Bäckerei der Schweiz, ein Crookie an – ein veganes Kern & Sammet-Laugengipfel mit einer veganen Cookie-Füllung. Die Kern & Sammet AG selbst setzt weiterhin mehrheitlich auf bewährte Geschmacksrichtungen, die langfristigen Erfolg versprechen.

Die Einführung neuer Hybrid-Food-Produkte erfordert nicht nur Kreativität, sondern auch strategisches Marketing. Casanova und Brandt betonen beide die Bedeutung von Marktanalysen und Kundenfeedback. Lukas Casanova sieht in der ständigen Kommunikation mit Gastronominnen und Gastronomen und dem direkten Feedback von Endverbrauchern einen wesentlichen Faktor für den Erfolg. Brandt hingegen warnt vor zu hohen Erwartungen und betont die Wichtigkeit von Qualität und Authentizität.