Gastronomie Tobias Fischer 14.10.2022

Das etwas andere Bienenhotel: The Alpina Gstaad

Die Biodiversität fördern und Wildbienen ein Zuhause geben: Das ist das Ziel der sogenannten Bienenhotels, die in Privatgärten weitverbreitet sind. Echte Hotels, die zum Wohl der Bienen beitragen, sind selten, aber es gibt sie. Zum Beispiel The Alpina Gstaad.

Zum Fünf-Sterne-Hotel The Alpina Gstaad zählen 56 Zimmer, 3 Restaurants und 7 Bienenstöcke. Die Bienen produzieren direkt im Hotelgarten Honig fürs Frühstücksbuffet und Wachs für die Küche des Gourmetrestaurants Sommet. Und nicht nur das: Sie sind auch eine Attraktion für die Hotelgäste. Ihnen bietet The Alpina Gstaad jeweils im Sommer einen 45-minütigen Bienenworkshop an. Die maximal zehn Teilnehmenden steigen in einen Imkeranzug und lassen sich vom lokalen Bienenzüchter Stefan Neuhaus in die Geheimnisse der Imkerei und der nachhaltigen Honigproduktion einführen.

«Das Wohl der Tiere
kommt vor dem Ertrag.»

Jasmina Kühne
Marketing & EarthCheck Coordinator
The Alpina Gstaad

 

Jasmina Kühne, Marketing Coordinator des Hotels, hat den Workshop besucht – und gestaunt: «Da arbeitet eine Biene die ganze Saison lang hart und produziert damit nur einen einzigen Teelöffel Honig.» Mit Fakten faszinieren und zum Denken anregen: Genau das ist das Ziel von The Alpina Gstaad, nicht nur, wenn es um Honigbienen geht, sondern generell im Bereich Nachhaltigkeit.

Begeistern statt belehren
«Achtvoller Luxus»: Dafür wolle sich das Hotel engagieren, aber eben nicht belehrend oder gar aufdringlich, erklärt Jasmina Kühne. «Interessiert sich jemand für unsere Aktivitäten und Überlegungen, erzählen wir gerne mehr darüber. Wenn nicht, ist es auch okay.» The Alpina Gstaad ist das erste und bislang einzige Schweizer Unternehmen mit der Gold-Zertifizierung von EarthCheck. Um diesen international anerkannten Standard zu erreichen und zu halten, muss das Hotel 350 Kriterien erfüllen und Jahr für Jahr zusätzliche Massnahmen umsetzen. «Die Bienenhaltung ist eine davon, und zwar im Bereich Ökosysteme », sagt Jasmina Kühne, die neben dem Marketing auch die EarthCheck-Massnahmen koordiniert.

Beim Honigertrag gibt es von Jahr zu Jahr grosse Unterschiede. «Mehr wäre immer willkommen», so Jasmina Kühne. «Aber wir können die Zahl der Bienenvölker nicht beliebig ausbauen, das Nahrungsangebot in unserem Garten ist begrenzt. Das Wohl der Tiere kommt vor dem Ertrag, das gilt auch in anderen Belangen.» Bleibt die Frage, wozu das Gourmetrestaurant Bienenwachs braucht. Antwort: für ein spezielles Fischgericht. Am Tisch des Gastes wird ein Forellenfilet mit heissem Wachs übergossen, so gegart und nach Entfernung des Wachses genossen. Auch hier setzt The Alpina Gstaad auf Faszination.

EIN SCHÖNER BLUMENGARTEN ALS BEITRAG
 

Ein wahrhaft süsser Traum: der Traum vom betriebseigenen Honig. Im Interview zeigt Markus Michel, Ressortleiter Bienenprodukte bei BienenSchweiz, den Weg zum eigenen Bienenhaus und zum guten Honig fürs Frühstücksbuffet auf.

Herr Michel, hinter uns liegt ein Hitzesommer, die Landwirtschaft hatte mit Trockenheit zu kämpfen. Wie geht es den Bienen und der Imkerei?
Im Vergleich zum ausserordentlich schwierigen Jahr 2021 war der Frühling 2022 in der Schweiz sehr gut. Wir hatten genug Regen und genug Nahrung für die Bienen. Die meisten Imkerinnen und Imker konnten eine schöne Honigernte einfahren.

«Man muss nicht unbedingt
einen Bienenstock zu Hause
haben, um der Natur etwas
Gutes zu tun.»

 

Im Sommer war die Situation dann sehr zweischneidig: In einigen Regionen sprach man von einem Spitzenjahr, in anderen war es so trocken und heiss, dass es keinen einzigen Tropfen Honig gab. Denn unter diesen Umständen trocknet der Nektar in den Blüten sehr schnell aus.

Der Dokumentarfilm «More than Honey», 2012 in den Kinos, illustrierte die Wichtigkeit der Bienen derart eindrücklich, dass viele gleich selbst Imkerin oder Imker werden wollten. Wie haben Sie diese Entwicklung erlebt?
Vor diesem Film gab es eine Phase, in der wir in der Schweiz eher weniger Bienenvölker und Imkerinnen und Imker zählten. Der Film bewirkte dann, dass alle etwas Gutes tun und zu Hause Bienen haben wollten. Das spürten wir stark. Unsere Verbände wurden mit Anfragen für den Grundkurs regelrecht überschwemmt. Allerdings: Einige der Absolventinnen und Absolventen sprangen wieder ab, als ihnen bewusst wurde, wie gross der finanzielle und zeitliche Aufwand für die Imkerei ist.

Und wie sieht es aktuell aus?
Wir sind in der glücklichen Situation, genügend Interessentinnen und Interessenten zu haben. Von BienenSchweiz aus versuchen wir aber zu kanalisieren: Für Menschen, die einfach Interesse an Biodiversität oder Insekten haben, bieten wir sogenannte Bienenschutzkurse an. Hier lernen die Teilnehmenden, was sie im eigenen Garten tun können, um Wildbienen zu fördern. Man muss ja nicht unbedingt einen Bienenstock zu Hause haben, um der Natur etwas Gutes zu tun. Das durch den Film ausgelöste grosse Interesse animierte uns dazu, Alternativen für sensibilisierte Menschen zu entwickeln. Wir Imkerinnen und Imker sind mit der gesamten Natur verbunden und fühlen uns auch gegenüber den Wildbienen verpflichtet.

INTERVIEWPARTNER
Der ausgebildete Imker, Betriebsberater und Betriebsprüfer ist Mitglied des Zentralvorstands von BienenSchweiz und Ressortleiter Bienenprodukte, wobei es naturgemäss hauptsächlich um Honig geht. Aktuell arbeitet Markus Michel an seinem Abschluss für den eidgenössischen Fachausweis Imker.

Was kann man denn für die Wildbienen tun? Wildbienenhotels installieren, wie sie mittlerweile in vielen Privatgärten zu sehen sind?
Wildbienenhotels sind immer etwas Gutes und schön anzuschauen. Doch solche Hotels bedienen nur einen Teil der gefährdeten Wildbienenarten. Alle anderen Bienenarten leben im Boden, im Sand, im Mörtel. Und noch wichtiger: Habe ich rundherum keine geeignete Blütentracht, kommen auch keine Wildbienen zu mir.

«Wildbienen fliegen lediglich
100 bis 300 Meter weit.»

Und hier sprechen wir von einem kleinen Radius: Wildbienen fliegen lediglich 100 bis 300 Meter weit. Es ist also ganz im Sinne der Sache, statt eines Steingartens eine Mager- oder Blumenwiese anzulegen und etwas Sand stehenzulassen. Dann ist das Bienenhotel sehr sinnvoll.

Der Einstieg in die Imkerei ist, Sie haben es erwähnt, mit einigem Aufwand verbunden. Was sollte man sich vorher überlegen?
Es fängt mit der immens wichtigen Frage an, wo die Bienenvölker einquartiert werden sollen. Den Standort muss man dem kantonalen Veterinäramt melden. Dieses prüft, ob der nötige Abstand zum nächsten Bienenvolk gewährleistet ist. Zudem muss ich abklären, ob der Standort vom Blüten- und damit vom Nahrungsangebot her geeignet ist und ob es Wasser in der Nähe hat. In der Stadt ist zu prüfen, ob man Nachbarinnen und Nachbarn gefährdet. Kurz: Wenn ich keinen geeigneten Standort habe, ist das Thema «eigene Bienen» erledigt. Falls es aber klappt, empfehlen wir vom Verband aus sehr, den Grundkurs zu besuchen – und davor den dazugehörenden Informationsabend. Es muss einem bewusst sein: Die Anschaffungskosten sind sehr hoch.

Wie hoch denn?
Wir sprechen von mehreren tausend Franken – für Kästen, Anzug, Werkzeug, vielleicht Futtersirup, Honigwaben etc. Wer Honig ernten will, braucht zusätzlich eine Honigschleuder, Abfüllkessel, Gläser ... Am Anfang ist das also eine grosse Investition. Ich imkere seit 2006 und bin noch nicht in den schwarzen Zahlen. Mein Lohn ist der Spass an der Imkerei. Natürlich freuen wir uns über alle, die imkern und die sich bewusst darauf einlassen. Auch der Zeitaufwand ist zu bedenken. Die Arbeit richtet sich nach dem Wetter und nicht nach den persönlichen Freizeitplänen. 

Wie gross ist der Zeitaufwand?
In der Hochsaison, von Frühling bis Sommer, ist er gross. In dieser Zeit muss man die Bienen regelmässig kontrollieren und beobachten. Man muss schauen, dass der Bienenschwarm nicht abschwärmt. Und wenn er doch davonzieht, muss man ihn wieder einfangen – der Schwarm ist ja das Kapital. Später folgt das ganze Prozedere mit dem Honig. Honig herausnehmen und schleudern braucht viel Zeit. Ruhiger ist es im Herbst und Winter. Dann widmen sich Imkerinnen und Imker der Reinigung und schauen, dass die Völker stark und gross genug in den Winter gehen.

Als Hotel- oder Gastronomiebetrieb Bienen halten und Honig produzieren: Ist das eine gute Idee?
Wenn das jemand seriös macht, ist es selbstverständlich zu befürworten. Ich persönlich sehe einige Herausforderungen, zum Bespiel, dass man nicht einfach Bienenkästen neben das Gartenrestaurant stellen kann. Die Bienen wollen Ruhe, und umgekehrt ist zu vermeiden, dass jemand – im schlimmsten Fall ein Allergiker – gestochen wird. Ganz so einfach ist es also nicht.

«Ich empfehle unbedingt
die Zusammenarbeit mit
einem lokalen Imker oder
einer Imkerin.»


Ich empfehle deshalb, und eben auch aus Zeitgründen, unbedingt die Zusammenarbeit mit einem lokalen Imker oder einer Imkerin. Gastronomie- und Hotelbetriebe können mit einem schönen Blumengarten zum gemeinsamen Projekt beitragen und die Honiggläser mit ihrem Etikett versehen.

 

Was zeichnet den Schweizer Bienenhonig aus?
Der Schweizer Honig ist qualitativ wunderbar – nicht zuletzt dank der strengen Vorschriften im Lebensmittelgesetz und in den Ausführungsbestimmungen. Schweizer Honig gibt es in verschiedenen Qualitäten: Wir haben das Biolabel, regionale Labels und von apisuisse, dem Dachverband der Schweizer Bienenzüchtervereine, gibt es als Toplabel das Goldsiegel. Hier unterwerfen sich Imkerinnen und Imker einem höheren Qualitätsstandard und einem Kontrollprogramm. Dieses Label geniesst hohes Ansehen. 

 

Zwei Drittel des in der Schweiz konsumierten Honigs kommen aus dem Ausland. Was lässt sich über diesen Honig sagen?
Auch hier stimmt die Qualität. Gerade der Honig, der von Lebensmittelverarbeitern importiert wird, ist qualitativ einwandfrei. Aber wie in anderen Märkten haben wir mit Fälschungen zu kämpfen. Honig ist eines der meistgefälschten Produkte weltweit! Allerdings haben wir in der Schweiz und in Mitteleuropa dank unserer Kontrollmechanismen wenig damit zu tun. 

«Setzen Sie auf
lokalen Honig!»

 

Und auf welche Art wird Honig gefälscht?
Einerseits gibt es Honige, die zum Beispiel mit Zucker oder Reiszucker gestreckt sind. Andererseits gibt es falsche Herkunftsdeklarationen. Diese lassen sich per Laboranalyse aufdecken. Und in Übersee sind Giftstoffe teils ein Problem. Dort gelten für die Ausfuhr nach Europa zwar strenge Regeln, im Inland jedoch nicht.

Zum Schluss: Ihr Honigtipp für Hotel- und Gastronomiebetriebe?
Setzen Sie auf lokalen Honig! Das macht logistisch wie ökologisch am meisten Sinn – und Konsumentinnen und Konsumenten schätzen das Persönliche. Ich glaube, jede Gastronomin und jeder Hotelier findet in der Umgebung ein paar Imkerinnen und Imker, die Lust auf eine Zusammenarbeit haben. Zu erwähnen ist auch, dass jeder Honig im Geschmack anders ist und seine ganz individuelle Note hat – ähnlich wie bei gutem Wein.