In einer niederländischen Kleinstadt verwandelt ein Küchenchef mit einem 3D-Drucker alltägliche Produkte in kunstvolle Gerichte. Bald werden Foodprinter uns eine individuelle Ernährung schmackhaft machen.
Der Weg nach Wolvega führt einem Kanal entlang durch Blumen- und Gemüsefelder. Auf den Wiesen dösen Kühe, vor den strohgedeckten Gutshäusern weiden Pferde. Mehr als eine Autostunde von Amsterdam entfernt, erinnert das Städtchen mit seinen Backsteinhäuschen, seinen Kirchtürmen und seiner Windmühle an Gemälde holländischer Meister. Die Leute hier kennen sich, und alle kennen Jan Smink. Sein Vater und sein Bruder bewirtschaften in der nächsten Ortschaft den Bauernhof, auf dem er aufgewachsen ist. Mit 15 begann Jan in einem Restaurant Teller zu waschen. Nach zwei Wochen richtete er die Vor- und Nachspeisen an. «Zu Hause war ich immer im Gemüsegarten oder in der Küche», erinnert er sich. «Und meine Eltern sagten: Du musst das machen, was du willst.»
Der Meisterkoch
Nach der Schule arbeitet Jan in verschiedenen Küchen, sammelt Erfahrungen, wird Koch. Als ein Michelin-Restaurant ihn abwerben will, befördert ihn sein Arbeitgeber zum Souschef. Er ist 22 und hat 18 Leute unter sich. Zwei Jahre später schliesst er als bester Student die Meisterkochschule Sterklas ab. Im niederländischen Team nimmt er drei Mal am internationalen Kochwettbewerb um den Bocuse d’Or teil – sie erreichen Platz 7. «Bei 74 Teilnehmern und ohne Budget», sagt er nicht ohne Stolz. Sogar seine Hochzeit hat er dafür verschoben.
Ab 2013 arbeitet Jan Smink im renommierten «De Librjie» in Zwolle, aber sein Ziel ist ein eigenes Restaurant, und im September 2018 eröffnet der heute 30-Jährige dieses in Wolvega. «Ich empfange jeden Gast persönlich und diskutiere sein Menü mit ihm», sagt er. Im Gespräch wird aus einer saisonal wechselnden Liste von Gängen eine individuelle Speisefolge zusammengestellt, und manche Gerichte werden vor den Augen der Gäste von 3D-Printern ausgedruckt.
«Ich empfange jeden Gast persönlich
und diskutiere sein Menü mit ihm.»
Die Unternehmerin
Nina Hoff ist CEO und Mitbegründerin von byFlow. Ihr Bruder Floris half während seines Studiums im FabLab ihres Vaters aus, einer offenen Werkstatt, die moderne Produktionsmittel zur Verfügung stellt. Jedes Wochenende musste Floris die 3D-Drucker wieder flicken, bis er zum Schluss kam, dass er selbst einen besseren bauen kann. Während eines Praktikums am TNO, der niederländischen Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung, arbeitet Floris an einem System für Schokoladendruck. Danach entwickelt er seinen eigenen Drucker, den er mit Nutella testet. «Und so haben wir herausgefunden, dass man Pasten zum Essen drucken kann», sagt Nina Hoff lachend.
Ein erster Versuch, das pastendruckende Gerät zu vermarkten, scheitert. «Mein Vater und mein Bruder sind Ingenieure, keine Geschäftsleute», erklärt die 26-Jährige. Doch sie sind überzeugt von ihrem Produkt, und 2015 gründen sie mit Nina, die einen Managementabschluss hat, die Firma byFlow. «Mein Bruder ist der Erfinder, mein Vater der Visionär, und ich kann ein Unternehmen aufbauen», sagt die heutige Geschäftsführerin. Im Jahr 2016 eröffnet byFlow ein Restaurant in London, in dem alles 3D-gedruckt ist: Tische, Stühle, Teller und das Essen darauf. Die Medien sind begeistert, das Restaurant läuft gut, aber sie verkaufen weniger Printer als erwartet. Während einer Besinnungspause, in der sie sich durch die Reaktionen durcharbeiten, stellen sie fest, dass die Leute vor allem an Foodprinting interessiert sind. Und so beschliessen sie, sich darauf zu konzentrieren. «Es ist genau der gleiche Drucker», erklärt Nina Hoff, «aber wir verkaufen ihn nun als Foodprinter an Restaurants, Hotels, Bäckereien, Konditoreien, Schokoladeproduzenten, Cateringunternehmen, Lebensmittelentwickler.»
«Mein Bruder ist der Erfinder,
mein Vater der Visionär, und ich kann
ein Unternehmen aufbauen.»
Was man reintut
«Wir kochen gern, wir mögen Pasta, aber unsere Leidenschaft ist die Technologie, nicht das Essen», gesteht Nina Hoff. Frits, ihr Vater, stösst bei seinen Recherchen auf Jan Smink. Sie erinnert sich an Sminks ersten Besuch in der Firma: «Er druckte ein simples Design aus Butter auf einen hässlichen Teller und war begeistert. Er war sofort Teil der Familie.» Inzwischen hat Jan Smink eine Reihe von Rezepten für byFlow-Drucker entwickelt.
«Wir wissen alle, dass der grösste Teil unseres Essens aus Maschinen kommt», sagt Nina Hoff, «aber wir wollen alle, dass unser Essen direkt vom Garten auf den Tisch kommt.» In Jan Sminks Restaurant stehen die 3D-Drucker gut sichtbar auf einer Theke. «Wenn ich mit Leuten über 3D-Food spreche, meinen sie, das sei alles künstlich. Aber es sind genau die gleichen Zutaten.» Er kocht grundsätzlich mit Produkten aus der Region, und bei etwa der Hälfte seiner Gerichte kommen 3D-Drucker zum Einsatz. «Was man reintut, kommt auch wieder raus.» Der Printer ändert nichts an der Qualität, aber er erlaubt Formen zu kreieren, die von Hand nicht geschaffen werden könnten. Natürlich geht das nicht ohne Übung. «Ist die Paste zu dick, druckt es nicht, ist sie zu flüssig, auch nicht. Wenn man nur ein paar Buchstaben drucken will, kann man das mit fast allem tun. Aber sobald es eine gewisse Höhe haben soll, muss die Konsistenz stimmen. Mit Suppe funktioniert das nicht.»
«Wir kochen gern, aber unsere Leidenschaft
ist die Technologie, nicht das Essen.»
Deshalb entwickelt byFlow nun eine eigene Software. Mit dieser kann ein Bild, zum Beispiel aus dem Internet, hochgeladen werden. Das Programm bestimmt dann, ob es druckbar ist – und wenn ja, in wie vielen Schichten. Und es gibt Hinweise, wie die Paste zusammengesetzt sein muss. «Es ist für Leute gedacht, die nicht gewohnt sind, mit Technologie zu arbeiten», erklärt Nina Hoff, und in den Küchen gebe es viele davon. Vor allem beim Design brauchen ihre Kunden Hilfe, und die Beispiele auf der Firmenwebsite reichen von einfachen Gittermustern für Guacamole bis zu einer Leonardo-da-Vinci-Büste aus Butter.
«Wenn ich mit Leuten über 3D-Food spreche, meinen sie, das sei alles künstlich.»
Was herauskommt
Seit Anfang 2018 bietet der Gewürz- und Saucenproduzent Verstegen in Rotterdam Patronen mit Pasten an, die Jan Smink für 3D-Drucker entwickelt hat. Daneben arbeitet er an Rezepten für Patientinnen und Patienten, die schlecht schlucken können. Auch zur besseren Verwertung von Lebensmitteln kann der 3D-Druck eingesetzt werden. Nina Hoff erzählt von Rezepten für altes Brot, und im Moment laufen Versuche mit Fleisch: «Viele Leute fragen: Warum soll man Fleisch drucken? Das fragen wir uns auch. Aber es geht nicht um das Fleisch, das wir beim Metzger kaufen, sondern um die Teile, die heute gar nicht verwendet werden.» Erste Tests zeigen, dass Köche bereit sind, zehnmal mehr zu bezahlen, wenn dieses qualitativ zwar gute, aber unansehnliche Fleisch in eine Patrone gefüllt wird, und sie damit einen «verrückten Snack» ausdrucken können. Mit dem richtigen Design, so Jan Smink, bringt man auch Kinder zum Essen. Der Gemüsebrei wird einfach als Comicfigur ausgedruckt. «Ich mache das für meinen Sohn, und er isst alles.»
In seinem Restaurant setzt Jan Smink die Drucker zur Personalisierung seiner Gerichte ein, zum Beispiel wenn jemand ein Jubiläum feiert oder um ein Unternehmenslogo zu drucken. Vor allem aber geht es ihm darum, seine Gäste mit kunstvoll gestalteten Tellern zu verblüffen. «Es muss etwas passieren am Tisch. Mit dem 3D-Drucker kann ich meine Gäste überraschen, und das ist wirklich wichtig für mich.»
Ein Werkzeug der Zukunft
Weder Jan Smink noch Nina Hoff sind der Meinung, dass bald in jedem Haushalt ein Foodprinter stehen wird, obwohl dieser mit einem Verkaufspreis von 3300 Euro erschwinglicher ist als andere Küchengeräte. «Der 3D-Drucker», so Nina Hoff, «ist nicht der neue Mikrowellenherd. Aber er ist ein Werkzeug der Zukunft.» Immer mehr Leute müssen oder wollen sich an spezielle Diäten halten. Bald wird jeder etwas anderes essen, und es wird Unternehmen geben, die auf den individuellen Bedarf abgestimmte Ernährung herstellen. Diese kann in eine Patrone gefüllt und mit dem Drucker einfach und rasch in eine ansprechende Form gebracht werden. «Vor einem Jahr brauchten wir für einen Teller mit 30 Gramm Essen zehn Minuten, nun machen wir das in drei.»
In Jan Sminks Restaurant waren die Wochenenden schon vor der Eröffnung bis Weihnachten ausgebucht. Aber das ist nur der Anfang. «Man muss immer besser werden», sagt er. Auch Nina Hoff ist dieser Meinung. «Wir müssen mehr lernen. 3D-Foodprinting macht einen Küchenchef nicht überflüssig, aber es erlaubt, faszinierende Erfahrungen zu schaffen. Und was beim Essen schlussendlich zählt, ist die Erfahrung. Es geht um die Leute, nicht um die Maschine, die es gemacht hat.»