Bei Gerichten liegt das Umweltfreundliche oft nahe, zum Beispiel mit regionalen und saisonalen Zutaten
Gastronomie Tanja Millius 15.08.2023

ETH Zürich: Nachhaltige Gastronomie & innovative Gerichte

Das Thema Nachhaltigkeit wird in der Gastronomie immer wichtiger. Ein Projekt der ETH Zürich hat Vorzeigecharakter: Seit 2022 wird genau beobachtet,was in den Warenkörben der ETH-Caterer landet und was auf die Teller kommt. Ziel ist es, den CO2-Fussabdruck zu reduzieren.

Die ETH Zürich hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Netto-Null-Treibhausgase bis 2030. Laut einer Schätzung aus dem Jahr 2017 macht die Ernährung circa 3 Prozent der gesamten durch die ETH verursachten Treibhausgasemissionen aus. «Unser Ansatz ist jedoch: Jede Tonne zählt!», erklärt Isabelle Castagna, Projektleiterin Nachhaltige Gastronomie bei der ETH Zürich. Im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen könne gerade beim Thema Ernährung jede und jeder einen Beitrag leisten. «Ernährung ist ein sehr emotionales und sichtbares Thema und eignet sich deshalb gut, um die ETH-Angehörigen für das Thema Klimaschutz zu sensibilisieren und zu informieren», so Castagna.

«Ernährung ist ein sehr emotionales und sichtbares Thema.»

Isabelle Castagna
Projektleiterin Nachhaltige Gastronomie bei
der ETH Zürich

Nachhaltige Gastronomie

«Im Projekt untersuchen wir die Warenkörbe der 17 teilnehmenden Verpflegungsbetriebe auf dem ETH- Campus», erklärt Isabelle Castagna. Im Fokus stehen eine klimafreundliche Ernährung, die Förderung der Biodiversität und die Ressourcenschonung in der Lebensmittelproduktion. Ausserdem sind eine sozial und ethisch vertretbare Lebensmittelproduktion, eine gesunde und ausgewogene Ernährung der Gäste und ein effizientes Abfallmanagement wichtig.

Ziel ist eine nachhaltigere Hochschulgastronomie. «Aus meiner Sicht ist eine Verpflegungseinrichtung dann nachhaltig, wenn im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten ein Maximum an Nachhaltigkeit erreicht wird. Zum Beispiel wenn konsequent GASTRONOMIE 25 Verbesserungen im Einkauf angestrebt werden, die Herkunft der Lebensmittel überprüft und gegebenenfalls angepasst wird», so Castagna. Zu einem nachhaltigen Betrieb gehört für sie denn auch nicht nur, dass ein gewisser Prozentsatz an vegetarischen Menüs angeboten wird oder nur Fair-Trade-Produkte auf den Teller kommen. «Es geht um einen stetigen Verbesserungsprozess.»

 

Menüwahl beeinflusst ökologischen Fussabdruck

«Als Faustregel gilt: Ein vegetarisches Gericht belastet das Klima im Durchschnitt dreimal weniger als ein Gericht mit Fleisch, vegane Gerichte schneiden sogar noch besser ab», betont Isabelle Castagna. Dies bestätigt auch der aktuelle Nachhaltigkeitsbericht der Menu and More AG, der grössten und nachhaltigsten Anbieterin von Kinder- und Jugendverpflegung in der Schweiz. Vor allem tierische Produkte wie Fleisch, Milch und Eier tragen zur CO2 -Belastung eines Menüs bei, heisst es im Bericht.

«Ein vegetarisches Gericht belastet das Klima im Durchschnitt dreimal weniger als ein Gericht mit Fleisch.»

Isabelle Castagna

So verursacht die Produktion von Rindfleisch 17-mal mehr Treibhausgase als die von Tofu und 150-mal mehr als die von Kartoffeln. Auch Milchprodukte, insbesondere Käse, verursachen ein Vielfaches an CO2-Emissionen im Vergleich zu pflanzlichen Alternativen.

Für Isabelle Castagna kommt es aber nicht nur auf die Wahl eines pflanzlichen Gerichts an. «Wir können auch versuchen, Gerichte mit mehr saisonalen als exotischen Produkten zu wählen oder bei Fleischgerichten Poulet statt Rindfleisch zu nehmen.» Neben der Menüauswahl im Restaurant geht es aber auch um das Catering, zum Beispiel bei einer Veranstaltung, und die Getränkeauswahl. Denn der gesamte Warenkorb der Caterer wird im Projekt berücksichtigt.

Nachhaltigkeitskriterien für Caterer

Für die 17 Betriebe, die am «Projekt Nachhaltige Gastronomie» teilnehmen, gibt es insgesamt 17 Nachhaltigkeitsziele. Vier davon müssen auf jeden Fall umgesetzt werden. Jedes Jahr kommen weitere Kriterien hinzu, die es zu erfüllen gilt. Zu den wichtigsten Kriterien gehören die Reduktion von Treibhausgasemissionen, der Einkauf von nachhaltigem Fisch und nachhaltigen Meeresfrüchten, von Produkten aus fairem Handel und von Produkten mit hohen Tierschutzstandards. Ein weiteres wichtiges Thema ist die ökologische Produktion. «Grundsätzlich geht es darum, Transparenz bei den Produktdaten zu schaffen und Nachhaltigkeitsstandards am Markt einzufordern », betont Castagna. «Nur wenn die Gastronomiebetriebe auch konsequent nachhaltige Produkte oder Zutaten nachfragen, kann das Angebot entsprechend stimuliert werden.» Die Verpflegungspartner der ETH geben halbjährlich eine Selbstdeklaration ab, einmal im Jahr gibt es eine Bilanz. «Wenn die Caterer die Jahresziele erreicht haben, erhalten sie einen symbolischen Bonus, den sie, zum Beispiel für ein Mitarbeiterfest, als Dankeschön für die Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit einsetzen können», sagt ETH-Projektleiterin Isabelle Castagna. Doch was bedeutet das in der Praxis?

Gelebte Nachhaltigkeit in der Praxis

Die 19 Verpflegungsbetriebe auf dem Campus der ETH Zürich werden von den vier Cateringunternehmen Two Spice, ZFV, SV Group und Compass Group geführt. Letztere betreibt das Restaurant FUSION auf dem Hönggerberg. Seit dem Start des Projekts im Jahr 2022 hat sich im Betrieb einiges verändert: «Wir haben den Anteil vegetarischer Gerichte erhöht und sind daran, sukzessive weniger Fleisch zu verwenden», erklärt Philipp Christen, Regionalleiter der Compass Group (Schweiz) AG. Das Fleisch stammt – mit Ausnahme einiger internationaler Spezialitäten – ausschliesslich aus Schweizer Produktion. «Damit können wir den CO2-Fussabdruck deutlich reduzieren», so Christen.

Zudem werden für die Menüs nur nachhaltig zertifiziertes Palmöl und Soja sowie Eier aus Schweizer Freilandhaltung verwendet. Produkte aus dem Süden wie Bananen, Kaffee und Zucker sind zu 100 Prozent Fairtrade-zertifiziert. «Ein wichtiger Teil der nachhaltigen Verpflegung ist auch eine vollwertige und proteinreiche Ernährung. Hier konnten wir mit einem Mindestgehalt an Protein pro Menü und einem hohen Anteil an Vollkornprodukten die Ziele erreichen», sagt Christen. Eine Herausforderung sei es derzeit, den Anteil an biozertifizierten Produkten zu erhöhen, da dies die Kosten der Menüs in die Höhe treibe.

Beachtliche Fortschritte erzielt

Das Hauptziel, den CO2-Fussabdruck zu reduzieren, hat die Compass Group im ersten Jahr mit einer Reduktion von über 5 Prozent erreicht. «Das ist ein sehr guter Start», sagt Christen. Gruppenweit hat sich Compass zum Ziel gesetzt, bis 2030 in den Betrieben vollständig klimaneutral zu arbeiten. Sowohl Compass als auch die SV Group konnten die von der ETH vorgegebenen Ziele für 2022 fast vollständig erreichen. Sie haben im Vergleich zu 2019 durchschnittlich fast 8 Prozent CO2eq (CO2-Äquivalent) eingespart.

«Um die Nachhaltigkeit voranzutreiben, braucht es ein Umdenken in der Gesellschaft.»

Philipp Christen 
Regionalleiter Compass Group (Schweiz) AG

Sie haben ihr vegetarisches und veganes Angebot ausgebaut, das an der ETH Zürich mittlerweile 50 Prozent des Angebots ausmacht, aber auch die Fleischmenge in den Menüs reduziert und bei den Fleischstücken vermehrt Poulet statt Rind im Angebot, Flugware und Lebensmittelabfälle verringert und mehr saisonales Gemüse angeboten.

Aufklärung ist das A und O

«Wir setzen verstärkt auf gezielte Information, damit der Gast eine Veränderung in der Menügestaltung erkennt », sagt Philipp Christen. So wird beispielsweise die CO2-Belastung eines Menüs direkt bei der Ausgabe an der Theke angezeigt. Zudem wird die Entwicklung des CO2eq-Aufwands als Gesamtvolumen in einem Monatsbericht im Restaurant ausgehängt. «Diese Massnahmen helfen, Verständnis zu schaffen und zu nachhaltigerem Verhalten zu motivieren», betont Christen.

Die grösste Herausforderung sind nach wie vor die unterschiedlichen Bedürfnisse der Gäste. Dennoch stellt er grundsätzlich einen Trend zu mehr vegetarischem Konsum fest: «In unserer Studie zum Essverhalten am Arbeitsplatz, die wir jährlich weltweit durchführen, gaben 38 Prozent der Befragten in der Schweiz an, ihre Ernährung zugunsten der Umwelt umgestellt zu haben. Gleichzeitig steht aber für viele Gäste nach wie vor der Preis im Vordergrund». Für Christen bedeutet Nachhaltigkeit aber nicht zwangsläufig höhere Kosten. «Mit regionalem und saisonalem Einkauf, der Reduktion von Food-Waste und einem ressourcenschonenden Umgang mit Lebensmitteln können wir bereits viel erreichen.»

Kreativ denken und zubereiten

«Um die Nachhaltigkeit voranzutreiben, braucht es ein Umdenken in der Gesellschaft. Hier müssen wir als Gastgeber mit gezielter Kommunikation und gezielten Massnahmen die Gäste sensibilisieren», ist Christen überzeugt. Denn Nachhaltigkeit dürfte das zentrale Thema in der Gastronomie werden. Wichtig sei, dass Gastronomen bestehende Abläufe und gelernte Muster hinterfragen – etwa die Gewichtung einzelner Komponenten bei der Zusammenstellung eines Menüs. 

«Es gilt, Gelerntes zu überdenken und kreative Lösungen zu finden.»

Philipp Christen

«Wir setzen zum Beispiel lieber auf weniger, dafür aber hochwertiges und nachhaltigeres Fleisch. Es geht darum, Gelerntes zu überdenken und kreative Lösungen zu finden.» Ein typisches nachhaltiges und klimafreundliches Menü besteht für Christen aus regionalen und saisonalen Zutaten und enthält wenig Fleisch. Als vegetarisches Menü eignet sich ein Gericht, das sättigt und viel Eiweiss liefert, zum Beispiel ein Kichererbsen-eintopf mit Wurzelgemüse. Als Fleischvariante eignet sich zum Beispiel Pouletgeschnetzeltes (ca. 100 g Fleisch pro Gericht, Schweizer Herkunft) an einer Tomatensauce mit Vollkorn-Penne und Frühlingsgemüse. Die ETH ihrerseits arbeitet bereits an einem Nachhaltigkeitskonzept für die Gastronomie an der ETH Zürich für die Zeit nach 2024. Isabelle Castagna: «Bis 2030 haben wir noch viel vor. Eine gute Basis konnten wir bereits schaffen.»

ZUM PROJEKT

Das «Projekt Nachhaltige Gastronomie» ist das Nachfolgeprojekt des «ETH Klimaprogramms Gastronomie », womit gemäss der ETH Zürich seit 2018 bereits erfreuliche Erfolge erzielt wurden. Es wurde zwischen 2019 und 2021 von ETH Sustainability in Zusammenarbeit mit dem ETH Spin-off Eaternity entwickelt, mit engem Einbezug der Cateringbetriebe SV Group und Compass Group. Diese beteiligen sich daran mit insgesamt 16 Gastronomiebetrieben auf dem ETH Campus. Die Entwicklungsphase wurde ausserdem von einer Steuerungsgruppe unter Beteiligung zweier ETH Professuren und der Koordination Partnerorganisationen der ETH begleitet. Das Projekt zielt darauf ab, die langfristige Entwicklung hin zu einer nachhaltigen Gastronomie an der ETH Zürich zu unterstützen. Es basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und berücksichtigt ökologische, ethische und gesundheitliche Aspekte.

PROJEKTÜBERSICHT ZIELE