Reto Mettler, sprechen wir gleich über den Nutzen. Die Jungfraubahnen haben die Waste Tracker App in der Praxis getestet und waren Entwicklungspartner. Was bringt die App?
Die Jungfraubahnen überahmen im Herbst 2017 den ersten ihrer bisher verpachteten Gastrobetriebe in Eigenregie. Bei der Übernahme des Bergrestaurants Kleine Scheidegg war das Potenzial für die Reduktion von Food Waste von Anfang an klar. Das von uns übernommene Mitarbeiterteam kam noch nie in Berührung mit dem Food-Waste-Thema in dieser Form. Deshalb ist der Nutzen der Waste Tracker App in einem ersten Schritt sehr hoch. Die Mitarbeitenden waren äusserst aufmerksam und neugierig bei der Umsetzung. Sie brachten sofort viele gute Ideen ein.
«Damit kann man direkt aufzeigen, was wir in den Kübel geworfen haben.»
Auf welche Art hilft Ihnen die Waste Tracker App?
Die App misst den Food Waste je nach Kategorie, und das auf einfache Art. Damit kann man den Mitarbeitenden direkt aufzeigen, was wir – auf Deutsch gesagt – in den Kübel geworfen haben. Und wir können zeigen, was das finanziell heisst. Wenn die Mitarbeitenden erstmals einen Frankenbetrag sehen, sind sie im ersten Moment schockiert, aber von da an auch höchst sensibilisiert. Mit der App funktionieren die Messungen ganz unkompliziert.
Wie denn?
Ein Beispiel: Wir wollten herausfinden, ob die Portionengrössen für eine bestimmte Zielgruppe im Gruppengeschäft stimmen und ob wir kulturelle Unterschiede finden. Wenn also Gruppengäste aus einem bestimmten Land bei uns konsumierten, massen wir, was auf den Tellern zurückkam. Am Ende der Woche hatten wir dann jeweils Vergleichswerte.
Was war das Ergebnis?
Wir können mit solchen Messungen eine wichtige Frage der Portionierung beantworten. Bei uns essen Menschen aus allen Kulturen dieser Erde, viele reisen in Gruppen. Es ist sowohl aus betriebswirtschaftlichen als auch aus moralisch-ethischen Gründen interessant zu wissen, wie viel wir schöpfen sollen, damit die Menüs genügend gross sind, aber auch möglichst wenig Essen im Abfall landet.
Heisst das, Ihre Portionen wurden kleiner?
Nein, wir haben unsere Portionen den Bedürfnissen der Zielgruppen angepasst.
Das Personal muss das mittragen und auch die Messungen durchführen. Wie hat das Gastropersonal reagiert?
Gestartet sind wir mit den Mitarbeitenden in der Küche. Wir erklärten ihnen, dass wir einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten wollen und dass das Thema Food Waste dabei im Fokus steht. Die Mitarbeitenden waren sehr neugierig, da es ein neues Thema war – für sie persönlich und auch für den Betrieb. Sie haben von Anfang an mitgedacht und gezeigt, dass sie auch Eigenverantwortung übernehmen wollen. Die digitale Lösung mit einer intuitiv bedienbaren App kam von Beginn weg sehr gut an. Sie macht deutlich, was wir schon gut machen und wo wir uns noch verbessern müssen.
«Die Köche machen oft weitere Vorschläge zur Vermeidung von Food Waste.»
Die App ist also eine technische Lösung, sie entfaltet ihre Wirkung aber über Menschen.
Genau. Wenn ich auf dem Berg bin, durch die Küche gehe und mit den Köchen spreche, sagen sie oft: «Das Thema Food Waste und die App sind super spannend. Gut, machen wir das!» Und dann präsentieren sie oft weitere Vorschläge zur Vermeidung von Food Waste.
Welche Ideen sind noch vorhanden, was soll in Zukunft noch passieren in diesem Bereich?
Im Moment arbeiten wir daran, durch das Food-Waste-Tool Erkenntnisse zu gewinnen und daraus Massnahmen abzuleiten. Wir übernehmen weitere Gastronomiebetriebe auf dem Jungfraujoch und sind daran, im Rahmen des Projekts V-Bahn eine Produktionsküche zu bauen. Die App wird uns dabei begleiten. Zudem haben wir einen implementierten Innovationsprozess. Mitarbeiter können ihre Ideen in einem Ideenpool deponieren. Eines der häufigsten Themen aus Sicht der Mitarbeitenden ist der tägliche Brotverbrauch in einem Grossrestaurant. Hier wollen wir etwas Tolles entwickeln, das dem Food Waste entgegenwirkt und auch dem Gast etwas bringt. Die Mitarbeitenden wissen, dass wir den Fokus auf dieses Thema legen und dass sie mitreden und mitwirken können.
«Eines der häufigsten Themen ist der tägliche Brotverbrauch.»
Warum engagieren Sie sich überhaupt im Bereich Nachhaltigkeit und Food Waste?
Weil mir dieses Thema schon immer wichtig war. Auch bei bisherigen Arbeitgebern beschäftigte ich mich mit Food Waste in der Gastronomie. Das Thema spielt auch bei den Jungfraubahnen eine wichtige Rolle. Es freut mich, dass ich es im Bereich Gastronomie ausgestalten kann. Food Waste ist als Thema naheliegend und einfach umsetzbar. Solche Themen treffen zudem den Zeitgeist und liefern wertvolle Inhalte für den Dialog mit unseren Gästen.
Zwei neue Apps gegen Food Waste
Die Waste Tracker App ist Teil eines Food Save Starterkits, das die Brancheninitative United Against Waste gemeinsam mit Foodways Consulting entwickelt hat. Während die Waste Tracker App dazu dient, die Ursachen für Lebensmittelabfälle im Betrieb zu finden, liefert die Food Save App – als Ergänzung – konkrete Tipps, um Food Waste aus dem Küchenalltag zu verbannen. Dazu gehört auch eine ganze Reihe von Rezepten zur Verwendung von Resten.
- Mit Food Save sofort beginnen
«Die ersten 200 Tipps stammen zu einem grossen Teil aus den einmonatigen Food Save Coachings, die United Against Waste den Gastrobetrieben anbietet», erklärt App-Entwicklerin Laura Robinson von Foodways Consulting. «Wir wollen mit der App einfache und relevante Massnahmen aufzeigen, die klar machen: Mit Food Save kann man sofort beginnen, jede und jeder einzelne kann etwas tun.» Die Food Save App erlaubt nicht nur die Suche nach Stichworten wie «Brot» oder «Erdbeeren» und das Durchscrollen zur Inspiration, es lässt sich auch eine persönliche Aufgabenliste zusammenstellen. Laura Robinson: «Die Aufgaben kann man mit den Mitarbeitenden teilen, sie so ins Boot holen und dann gemeinsam die Fortschritte erkennen. Das motiviert!» - Tool zum Einstieg
Flurina Wetter, Kommunikationsverantwortliche von Foodways, ergänzt: «Die Food Save App und die Waste Tracker App dienen in erster Linie als Sensibilisierungs und Bildungstools. Sie erleichtern sowohl auf Betriebsebene als auch den einzelnen Mitarbeitenden den Einstieg in die Reduktion von Food Waste.»