Laut einer Studie von Veganz, Hersteller veganer Lebensmittel, und dem Umfragenportal Statista ernähren sich in der Schweiz rund 2,6 Prozent der Bevölkerung vegan und circa 5,8 Prozent vegetarisch. 20 Prozent gaben an, sich flexitarisch zu ernähren – und gelegentlich bewusst auf Fleisch zu verzichten. Somit interessiert sich ein Viertel der Bevölkerung für Alternativen zum Fleischkonsum. Gerade Flexitarierinnen und Flexitarier nutzen öfters Ersatzprodukte, um ihren Fleischkonsum zu reduzieren und dennoch den Fleischgeschmack zu geniessen. Die Gründe für weniger oder gar kein Fleisch auf dem Teller sind vielfältig. Für die Studienteilnehmenden spielen die Gesundheit und das eigene Wohlbefinden eine wichtige Rolle. Das Tierwohl sowie moralische Bedenken, Tiere zu essen, sind ebenso zentral. Als vergleichsweise neuer Grund werden immer öfters ökologische Aspekte wie weniger CO²-Ausstoss bei pflanzlichen Produkten oder geringerer Wasserverbrauch genannt.
Von Algen bis in vitro
«Nur wenige Segmente der Ernährungsbranche haben sich in den vergangenen Jahren so dynamisch entwickeln können wie der Markt um vegetarische und vegane Lebensmittel», stellen die Studienverfasser fest. «Im Fokus der Produktentwickler stehen dabei vermehrt Fleischersatzprodukte, bei denen Formen und Inhalten keine Grenzen gesetzt scheinen.»
Wer seine Restaurantkarte um vegetarische Gerichte mit Fleischersatzprodukten ergänzen will, steht aktuell vor der Qual der Wahl. Das Angebot ist gross, doch worin unterscheiden sich die Produkte? Den Unterschied machen die Inhaltsstoffe.
PFLANZLICHE PROTEINE
Die Eiweissbestandteile von Getreide und Pilzen werden als pflanzliche Proteinquelle in Ersatzprodukten verwendet. Meist werden mehrere Proteine kombiniert, um ein möglichst «fleischiges» Ergebnis im Geschmack und in der Struktur zu erzielen.
Erbsenprotein
Anbau | Erbsenprotein wird meist aus gelben Schälerbsen gewonnen, die hauptsächlich in China und Kanada angebaut werden |
Geschmack | Starker Eigengeschmack |
Vorteile | Für Allergiker geeignet Sehr proteinreich |
Nachteile | Bisher noch weite Transportwege |
Sojaprotein
Anbau | Asien und v. a. Brasilien, wo 34,2 % der |
Geschmack | Wenig Eigengeschmack Sehr bissfest |
Vorteile | Vielseitig einsetzbar – für Tierfutter Glutenfrei |
Nachteile | Für Allergiker (teilweise) ungeeignet Grosse Nachfrage führt zu schädlichen Effekten für die Umwelt: Brasilien rodet vermehrt Regenwälder für Sojaplantagen |
Pilzeiweiss
Anbau | Benötigt kleine Fläche Geringer Energieverbrauch |
Geschmack | Kräftiges Aroma Bissfest |
Vorteile | Fettarm Mineral- und nährstoffreich |
Nachteile | Pilzeiweiss wird in mehreren Arbeitsschritten zur Fleischmasse verarbeitet |
Weizenprotein (Gluten)
Anbau | Wird aus Roggen, Weizen, Gerste, Dinkel, Grünkern, Emmer, Einkorn etc. gewonnen |
Geschmack | Neutral Stabile Struktur |
Vorteile | Wird in Fleischersatzprodukten oft als Klebe-Eiweiss verwendet |
Nachteile | Für Allergiker ungeeignet |
ANDERE ALTERNATIVEN
Eiweisshaltige Lebensmittel wie Tofu, Seitan, Algen, Quorn oder Insekten sollen nicht wie Fleisch aussehen und schmecken, wohl aber viele Proteine und Mineralien liefern. Da Tofu aus Sojaquark, Quorn aus Pilzeiweiss und Seitan aus Weizenproteinen hergestellt werden, werden sie hier nicht erneut aufgeführt.
Algen
Anbau | Wachsen schnell Wandeln CO² in O² um |
Geschmack | Würzig Umami |
Vorteile | Unverarbeitetes Gemüse ohne Zusatzstoffe Kalzium- und proteinreich |
Nachteile | Meeresverschmutzung beeinflusst die Qualität der Algen In europäischer Küche noch nicht etabliert |
Insekten
Anbau | Lassen sich auf geringer Fläche mit wenig Licht und Futter schnell züchten Zuchtanlagen liegen in den Niederlanden, in Frankreich, Kanada oder Thailand |
Geschmack | Vielfältig – je nach Insektenart |
Vorteile | Hochwertiger Eiweissträger Ballast- und mineralstoffreich Gilt als umweltfreundliche Variante mit wenig Emissionen |
Nachteile | Keine pflanzliche Alternative und für Vegetarier und Veganer ungeeignet Konsumentinnen und Konsumenten reagieren verhalten |
Nachfrage steigt
Gemäss einer Prognose des Beratungsunternehmens A.T. Kearney wird sich der globale Fleischmarkt bis zum Jahr 2040 massiv verändern. Konventionelle Tierhaltung und Schlachtung werde sich von aktuell über 1000 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf ein Marktvolumen von 720 Milliarden Euro reduzieren, heisst es in der Prognose. Die Marktanteile von Fleischersatzprodukten nehmen hingegen kontinuierlich zu. «Besonders in Discountern hat die Nachfrage stark zugenommen», sagt Kai-Brit Bechtold, Marktforscherin bei der internationalen Ernährungsorganisation ProVeg. «Das zeigt, dass pflanzliche Alternativen keine Nischenprodukte mehr sind, sondern in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind.»
Was bedeutet das für Gastronominnen und Gastronomen? Sollten sie bei ihren Vegimenüs auf Ersatzprodukte setzen? Ein Kassensturz-Test im Oktober 2020 animierte nicht gerade dazu. Das SRF-Konsumentenmagazin testete zehn vegane Fertigburger – nur einer davon wurde mit «gut» bewertet. Alle anderen Testprodukte seien überwürzt, von der Konsistenz her schwammig. Chefköchin und Jurymitglied Bernadette Lisibach bedauert das. «Die Patties wurden mit zu viel Salz und zu vielen künstlichen Aromen, die sich geschmacklich nicht richtig zuordnen lassen, hergestellt.» Die zahlreichen künstlichen Inhaltsstoffe könnten laut der Statista-Studie ein wichtiger Grund sein, warum die Gesamtmenge der verkauften Ersatzprodukte in Deutschland seit 2015 bei rund 21’000 Tonnen stagniert. «Übermässiger Konsum der Fertigprodukte kann nicht als gesund bewertet werden. Möglicherweise greifen Verbraucher daher vermehrt zum konventionellen Gemüse statt zu den Fleischersatzprodukten, um den eigenen Fleischkonsum zu reduzieren.» Also Finger weg von den Ersatzprodukten? Nicht ganz, denn der Kassensturz- Test zeigte auch, dass sich die Produkte rasant entwickeln und stetig besser werden. Die Devise heisst, selber aktiv werden, auf Bioqualität achten und die Inhaltsangaben genau prüfen. Weniger ist hier oft besser.
Kultiviertes Fleisch
Fleisch essen, ohne dass ein Tier sterben musste, das soll in Zukunft dank In-vitro-Fleisch möglich werden. Dafür werden Fleischzellen in einer Petrischale mit Nährlösung «aufgezogen». In ihrer Studie über Fleischersatzprodukte rechnet Statista damit, dass das Marktvolumen von In-vitro- Fleisch nach seiner Einführung zwischen 2030 und 2040 von 140 Milliarden auf rund 630 Milliarden US-Dollar wachsen wird. Rund 36,5 Prozent der Befragten gaben an, In-vitro-Fleisch testen zu wollen. Von den befragten Veganerinnen und Veganern befürworteten 24 Prozent die alternative Fleischerzeugung, bei dem keine Tiere zu Schaden kommen, und würden In-vitro-Fleisch in ihren Menüplan integrieren. Das Fazit der Studie: «In-vitro-Fleisch bleibt ein spannendes Projekt der Ernährungsindustrie. Es wird sich zeigen, wie die Laborprodukte den Lebensmittelhandel und die Ernährungsweisen der Menschen in Zukunft verändern werden.»