Im Spital Schwyz finden sich farbige Akzente überall, beispielsweise im Therapiebad.
Heime & Spitäler Vera Sohmer 14.03.2024

Mut zur Farbe - auch im Spital

Freundlich und offen statt angsteinflössend und steril: Spitäler mit farbigen Innenräumen stellen den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt. Dafür gibt es unterschiedliche Ansätze und Konzepte, wie zwei Beispiele zeigen.

Es ist anders hier. Ich habe gar nicht das Gefühl, in einem typischen Spital zu sein. So reagieren Patientinnen und Patienten oder Besucherinnen und Besucher oft, wenn sie ins Spital Schwyz kommen. Denn hier ist es überall farbig: auf den Stationen, im Therapiebad, in der Cafeteria. Die Farbpalette reicht von zarten Pastelltönen bis hin zu kräftigen Akzenten in Rot. So ist in den funktionalen Spitalgebäuden eine einladende, heitere und lichtdurchflutete Atmosphäre entstanden, in der man auch Ruhepole und Trost findet. Genau diese verschiedenen Facetten wünschten sich all jene, die das Spital nutzen. Das ergab eine Befragung im Vorfeld der Innenraumgestaltung.

Magische Momente

Aufbauend auf den Umfrageergebnissen entwickelten der Architekt Alfred Suter und der Maler und Künstler Benno K. Zehnder das Farbkonzept für das Spital Schwyz. Für den Künstler ist das Wechselspiel zwischen natürlichem Licht und Farbe sehr wichtig. So lassen sich die Innenräume je nach Jahreszeit, Sonnenstand oder Wetter immer wieder neu wahrnehmen und entdecken, zum Beispiel im «Mythen-Café»: Auf eine Wand ist ein Viereck aufgemalt, das aus einem hellund einem dunkelroten Dreieck besteht. Diese Fläche entspricht der Lichtsituation an einem sonnigen 29. Februar. Das Licht taucht dann das zweifarbige Viereck in einen homogenen Farbton. Ebenso achtete Benno K. Zehnder darauf, dass sich die Farben auf Böden, Decken und weissen Wänden spiegeln.

Eintönige Korridore adieu

Farbe in die Architektur integrieren, aber nicht als Wegweiser und Signal, sondern als Kunst am Bau mit Überraschungsmomenten – das ist der Ansatz von Benno K. Zehnder, der ein ähnliches Farbkonzept auch im Kantonsspital Aarau umsetzte. Anders war die Ausgangslage beim Neubau der Universitären Altersmedizin FELIX PLATTER (UAFP) in Basel. «Anfangs war es schwierig, sich im Neubau zu orientieren», sagt Dr. Nadine Engler, Bereichsleiterin Betrieb und Projektverantwortliche in der UAFP. Die Korridore sahen sich zum Verwechseln ähnlich, vieles wirkte eintönig und trist, Beschriftungen waren schlecht lesbar. Damit taten sich alle schwer: die meist hochbetagten und zum Teil an Demenz erkrankten Patientinnen und Patienten, die Angehörigen auf Besuch sowie die Mitarbeitenden.

Auf der Suche nach einer bedürfnisgerechten Gestaltung wandte sich die UAFP an das Institute of Design Research der Hochschule der Künste Bern (HKB). Sie entwickelte ein ganzheitliches Gestaltungskonzept, das Farbe, Signaletik und Bilder miteinander verbindet. Die Designerin Alexa Blum erarbeitete als Projektpartnerin das Farbkonzept – basierend auf wissenschaftlichen Grundlagen und Erfahrungswissen über die Wirkung von Farben auf den Menschen (siehe Interview).

Immer der Farbe nach

Wer sich heute in der UAFP bewegt, sieht sofort, wohin es geht: «Station Nord» ist in Rot- und Terrakottatöne getaucht, «Station Süd» ist in Blaunuancen gestrichen. Im Therapiebereich sind die Wände grün. Und wer zurück zum Lift will, achtet einfach auf die in einem gelben Farbton gestrichene Zone. Nach diesem Farbkonzept sind inzwischen alle acht Bettenstationen des Spitals gestaltet.

«Patientinnen und Patienten
finden sich dank der
Innengestaltung jetzt viel
besser zurecht.»

Nadine Engler
Bereichsleiterin Betrieb in der UAFP

Dabei kam es auf feine Nuancen an, erläutert Designerin Alexa Blum, die das Konzept in der UAFP auch in die Praxis umsetzte. So wurden beispielsweise in den Patientenzimmern von Hand gemischte Spezialfarben verwendet: Grün lässt sich zum Beispiel mit Weiss verblassen, um einen ruhigeren Farbton zu erzielen. Wird etwas Rot beigemischt, wirkt der Grünton besonders sanft. Er tritt in den Hintergrund und lässt einen Raum grösser erscheinen.

Andere Spitäler inspirieren

So unterschiedlich die Ansätze in den beiden Spitälern sind, eines haben sie gemeinsam: Sie stellen den Menschen, seine Empfindungen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt. Wie im Spital Schwyz fallen in der UAFP die Rückmeldungen auf die farbigen Innenräume positiv aus. «Unsere Mitarbeitenden sagen, es sei ein Unterschied wie Tag und Nacht, Patientinnen und Patienten finden sich dank der Innengestaltung jetzt viel besser zurecht», schildert Nadine Engler. Inzwischen hat eine Studie die Wirksamkeit des Farbkonzepts untersucht – mit dem Ziel, daraus für interessierte Spitäler Gestaltungsgrundlagen für ihre Innenräume abzuleiten. Damit die wohltuende Farbigkeit auch andernorts Einzug hält.

«Farben können mehr als nur gefallen.»


Wenn sich Spitäler von weissen Wänden und monotonen Korridoren verabschieden, ist das Dekorative nicht der einzige Effekt. Durchdachte Farbkonzepte können zur Genesung beitragen. Wie, erläutert Designerin Alexa Blum.

Was genau ist mit dem Begriff «evidenzbasiertes Gestaltungskonzept» gemeint?
Damit werden Gestaltungskonzepte bezeichnet, die auf wissenschaftlichen Grundlagen und Erfahrungswissen über die Wirkung von Farben auf den Menschen beruhen. Evidenzbasierte Farbkonzepte beschränken
sich nicht darauf, Wände farbig zu streichen.

«Langsam setzt sich die
Erkenntnis durch, dass klug
gewählte Farbkonzepte das
Wohlbefinden und die
Zufriedenheit aller steigern.»

Alexa Blum
Designerin

Sie setzen Farben gezielt und funktionell ein, um sich in grossen und komplexen Gebäuden orientieren zu können, Sicherheit und Identität zu schaffen oder um Therapien und Genesung durch gezielte Impulse zu unterstützen. Denn Farben können mehr als nur gefallen.

Farben können beim Gesundwerden helfen?
Ja, so wurde beispielsweise nachgewiesen, dass ein Aufenthalt in der Natur verschiedene Körperfunktionswerte oder auch die kognitive Leistungsfähigkeit verbessern kann.

Grüne Farbtöne in Patientenzimmern und Therapieräumen sind also kein Zufall?
Es ist in der Tat kein Zufall, wenn in Gesundheitseinrichtungen die Natur simuliert wird. Grüne Farbtöne wirken tendenziell beruhigend und entspannend. So können sie zur Regeneration beitragen und dafür sorgen, dass Patientinnen und Patienten Therapien besser annehmen. Je nach Pigmentmischung, Farbmenge und Intensität können die Grüntöne aber auch leicht anregend und belebend wirken. Wichtig aber ist, dass dabei die einzelnen Farben immer im Kontext zueinander und zu den umgebenden Materialien stehen. Dadurch ist nicht die einzelne Farbe, sondern das Zusammenspiel aller Farbtöne und ihre Platzierung im Gebäude für die Wirkung entscheidend.

Warum dominiert in den meisten Spitälern noch immer die Farbe Weiss?
Weiss wird nach wie vor mit Hygiene und Reinheit assoziiert. Aber eintönige, endlos erscheinende Spitalkorridore oder weiss gestrichene, kahle Zimmer können Angst und Unbehagen auslösen. Patientinnen und Patienten beschleicht schnell das Gefühl, einer unpersönlichen Maschinerie ausgeliefert zu sein. Langsam setzt sich jedoch die Erkenntnis durch, dass klug gewählte Farbkonzepte das Wohlbefinden und die Zufriedenheit aller steigern.

Also nicht nur das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten?
Genau, auch jenes der Mitarbeitenden, und dieser Faktor ist nicht zu unterschätzen. Denn wie sie sich fühlen, wirkt sich direkt auf die Patientinnen und Patienten aus. Wenn Besucherinnen und Besucher ihre Angehörigen in einer angenehmen Umgebung vorfinden, kann das bei allen Beteiligten das Vertrauen in einen guten Therapieverlauf unterstützen. 

STECKBRIEF

Alexa Blum

Designerin

 

Alexa Blum ist Designerin und hat sich auf die Entwicklung evidenzbasierter Farbkonzepte spezialisiert. Sie verbindet ihre Praxiserfahrung bei der Gestaltung von Gesundheitseinrichtung und anderen öffentlichen Institutionen mit Methoden und Erkenntnissen der aktuellen Designforschung. www.alexablum.com

KONFERENZ FÜR
INNENGESTALTUNG

Die Universitäre Altersmedizin FELIX PLATTER (UAFP) stellt ihr Farbkonzept und die damit gemachten Erfahrungen am Freitag, 19. April 2024, Verantwortlichen von Heimen und Spitälern, Generalplanern, Innenarchitekten und allen Interessierten vor. An dieser Konferenz, die von 13:30 bis 17 Uhr im Auditorium Basilea der UAFP stattfindet, werden auch die neuesten Forschungsergebnisse der Hochschule der Künste (HKB), präsentiert. Mehrere ihrer Teams beschäftigen sich intensiv mit der Wirkung von Farben auf den Menschen. Weitere Infos