Gastronomie Stefan Kühnis 19.10.2020

Edamame: Superfood im Zürcher Oberland

Edamame sind schmackhaft, gesund, im Trend und werden meistens importiert. Andreas Pfister aus Uster (ZH) versucht sich nun am Anbau der Sojapflanzen im Zürcher Oberland.

An einem Montag Mitte August macht sich Andreas Pfister auf den Weg zu seinem Testfeld. Vor bald vier Monaten säte er hier ­Edamame an. Was er sieht, freut ihn: Die ersten ­Pflanzen sind reif für die Ernte.

Edamame sind Sojabohnen und in der japanischen Küche als Snack bekannt. Auch in der Schweiz werden sie immer beliebter. Das ist gut so, denn sie sind durchaus gesund. Edamame sind kalorienarm, fettarm und enthalten eine Menge Nährstoffe: viel Eiweiss, Ballaststoffe, die Vitamine C, E, A, B und K sowie Eisen, Kalium, Kalzium, Mangan, Zink, Folsäure, Magnesium, Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren.

Soja, aber kein Tofu

Andreas Pfister studiert Agrarwissenschaften an der ETH Zürich. Er lebt und arbeitet auf dem Birkenhof in Uster, einem Familienbetrieb, den er später zusammen mit seinem Bruder übernehmen möchte. Er interessiert sich für neue und weniger bekannte Pflanzen und Produkte, kannte Edamame bis vor Kurzem aber selbst noch nicht wirklich. «Ursprünglich wollte ich herkömmliche Sojabohnen anpflanzen, als Grundlage für Tofu», sagt Andreas Pfister. «Doch Biotofu hat in der Schweiz normalerweise ein Knos­­pe-Biolabel. Unser Hof ist zwar ein Biobetrieb, die Knospe-Zertifizierung ist für uns im Moment aber nicht möglich.»

«Da die Edamame-Pflanzen grün geerntet werden und die Blätter übrig bleiben, ergibt sich büschelweise Kompost.»

Andreas Pfister
angehender Agrartechnologe
und Edamame-Bauer

Der Idee mit der Sojabohne stand das nur bedingt im Weg – denn Edamame kann man in Bioqualität anbauen und in Bioläden verkaufen, ohne dass die Knospe eine Bedingung wäre. «Eine Freundin von mir sagte schon vor Jahren, ich solle Edamame anpflanzen», erzählt er. «Ich setzte mich damals aber nicht näher damit auseinander. Ich wusste zwar, dass es eine Sojabohne ist, mehr aber nicht.» Erst Anfang ­dieses Jahres begann er zu recherchieren und interessierte sich immer mehr für die Pflanze. «Sie hat aus agronomischer Sicht viele Vorteile», sagt er. «Sie braucht keinen Stickstoffdünger und man impft sie mit Rhizobien. Das sind Knöllchenbakterien, die der Pflanze dabei helfen, Stickstoff aus der Luft zu fixieren. So kann sich die Pflanze selbst nähren und braucht wenig Dünger. Sie hat wenig Krankheiten und zieht kaum Schädlinge an, weshalb auch der Pflanzenschutz relativ einfach ist. Ausserdem bieten Sojapflanzen einen willkommenen Wechsel in der Fruchtfolge mit Mais und Getreide, und in Bezug auf Stickstoff ist es eine Nullrunde. Weder zehrt die Pflanze Stickstoff, noch lässt sie mehr zurück, als vorher da war. Da die Edamame-Pflanzen grün geerntet werden und die Blätter übrig bleiben, ergibt sich büschelweise Kompost. Diese ganze Masse an Grünzeug mitsamt Nährstoffen geht zurück auf das Feld. Ich kann mir vorstellen, dass der Boden davon sogar profitiert.»

Den richtigen Zeitpunkt erwischt

Andreas Pfister fasste also den Entschluss, sich am Edamame-Anbau zu versuchen. Er besorgte sich Saatgut in Deutschland, vier verschiedene Sorten, je ein Kilo: Hokkai Green, Summer Shell, Green Shell und Hokkai Black, deren Kerne schwarz werden. Sie alle unterscheiden sich im Geschmack und werden nacheinander reif. Diese Samen impfte er mit den erwähnten Rhizobien. «Wenn die Pflanze merkt, dass Rhizobien in der Nähe sind, lockt sie diese Bakterien an und bildet Knollen. Die Rhizobien in den Knollen dürfen allerdings keinem Sauerstoff ausgesetzt werden, sonst gehen sie kaputt. Die Pflanze hält diesen Sauerstoff von den Bakterien fern und versorgt sie mit Kohlenhydraten. Im Gegenzug fixieren die Rhizobien den Stickstoff aus der Luft und wandeln ihn in Ammonium-Stickstoff um, den die Pflanze zum Wachsen braucht. So funktioniert dieses Zusammenspiel.» Pfister vermischte also die Bakterien in einem Torfsubstrat mit dem Saatgut. Dank des feuchten Torfs hielten die Bakterien zwar auf den Samen, Andreas Pfister blieb aber vorsichtig. «Ich befürchtete, dass sie durch das Vakuum, mit der die Sämaschine arbeitet, wieder weggesaugt werden. Das bereitete mir etwas Sorgen.»

«Die Pflanze braucht
genug Licht und die
Nährstoffe des Bodens.»

Andreas Pfister

Als Ende April und nach mehreren trockenen Wochen endlich Regen in Sicht war, machte er sich an die ­Arbeit. Seit seinem Entschluss, es mit Edamame zu versuchen, waren erst zwei Wochen vergangen. Er wählte einen eher kiesigen Boden. Nicht weil er dachte, dass die Pflanzen darauf besonders gut wachsen, sondern weil es dort für ein Testfeld gerade Platz hatte. In den letzten zehn Jahren wuchs an dieser Stelle nur Wiese, die wenig gedüngt wurde. Das bot der stickstofffixierenden Sojabohne einen Vorteil gegenüber dem Unkraut. Die Hälfte der Samen säte er von Hand aus, die andere Hälfte mit der Mais-­Sämaschine, die er leicht modifizierte, um den Saatabstand in den Reihen zu verkleinern.

Der Zeitpunkt für die Aussaat war glücklich gewählt. Seither regnete es immer wieder und der angehende Agrartechnologe musste das Feld nie zusätzlich bewässern. Auch der Hagel zog knapp am Testfeld ­vorbei. «Aber Jäten ist nötig», sagt Andreas Pfister. «Die Pflanze braucht genug Licht und die Nährstoffe des Bodens für sich. Ich versuchte, das Unkraut mit einer vier Zentimeter dicken Mulchschicht aus Hackschnitzeln von Hecken und aus Streu aus dem Ried ­neben unserem Hof in Schach zu halten. Der Samen der ­Sojapflanze ist gross und hat viel Triebkraft. Ich ging davon aus, dass sie sich durch den Mulch stossen kann, während das Unkraut das nicht schafft. Rückblickend hätte ich besser noch mehr Mulch aus­gelegt. Das Unkraut wuchs nämlich trotzdem und ich musste viel jäten.»

Kulinarisch interessant

Als er an diesem Montag aus einem Praktikum im Tessin zurückkehrt und fast vier Monate nach der Aussaat die ersten Pflanzen erntet, isst er sie auch zum ersten Mal – und ist begeistert. «Ich wusste überhaupt nicht, wie sie schmecken», sagt Andreas ­Pfister. «Aber das begeistert mich. Es ist nicht nur agrono­misch, sondern auch kulinarisch eine super Pflanze!»

«Edamame sind nicht nur
agronomisch, sondern
auch kulinarisch
eine super Pflanze.»

Andreas Pfister

Sofort macht er sich auf den Weg und findet die ersten Abnehmer in der Region, die seine Begeisterung teilen. In und rund um Uster nehmen Restaurants, Bioläden, Märkte und ein Unverpackt-Laden seine frischen Edamame ins Angebot auf. Letzterer wird schon am nächsten Tag mehr als die doppelte Menge nachbestellen. Alle, die Andreas Pfister fragt, sagen zu. Mit dem Zug, seinem Velo und einem prall mit Edamame gefüllten Rucksack fährt er durch die Stadt Zürich und findet auch dort verschiedene Abnehmer. «Ich bin kein Verkäufertyp, aber wenn ich meine ­eigene Leidenschaft vorstellen kann, mache ich das gerne», sagt er und will bald eine nächste Runde ­machen und noch mehr Läden anfragen. Da die ­verschiedenen Sorten zu unterschiedlichen Zeitpunkten reif sind, kann er in den kommenden Wochen kontinuierlich frische Edamame liefern, ohne dass er sie einfrieren muss. «Frisch sind sie nicht lange haltbar», erklärt Andreas Pfister. «Man sollte sie wenig­stens über die Nacht kühlen können, damit sie ­geschmacklich gut bleiben. Solange ich nur in der ­Region ausliefere, kann ich sie täglich auf dem Feld ernten und sofort verteilen.»

Der nächste Sommer kommt bestimmt

Allein dieses Testfeld dürfte bis zum Schluss eine Ernte von rund einer halben Tonne Edamame einbringen. Und Andreas Pfister kann damit eine Menge lernen und Erfahrungen mit einer Pflanze sammeln, die in der Schweiz nur wenige Landwirte anbauen. «Das nächste Mal achte ich darauf, dass das Feld viel Nachmittagssonne erhält. Dort wachsen sie besser als an Stellen mit Vormittagssonne», sagt er. «Ich habe gelernt, dass der kiesige und nährstoffarme Boden kein Problem war, dass die Rhizobien trotz des Vakuums in der Sämaschine an den Samen haften blieben und dass ich mehr Mulch ausstreuen sollte.» Auch über den Abstand zwischen den einzelnen Reihen werde er sich Gedanken machen. «Im Moment sind es 75 Zentimeter, was durch die Mais-Sämaschine bedingt ist. Für Sojapflanzen wären 50 Zentimeter aber besser. Die Reihen würden schneller dicht und es gäbe mehr Ertrag auf der gleichen Fläche, wäre aber auch eine Investition in eine andere Maschine.»

Noch hat Andreas Pfister ein paar Monate Zeit, die Entscheidung für weitere Investitionen zu treffen. Auf jeden Fall möchte er dieses Projekt weiterverfolgen. «Wir haben viele Tiere auf dem Hof, weshalb wir auch viel Wiese für Futter unterhalten», sagt er. «Künftig möchte ich mehr Lebensmittel anbauen, die nicht erst durch die Tiere gehen und als Fleisch oder Milchprodukte konsumiert werden, sondern die man direkt essen kann.»

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Stefan Kühnis

Autor: Stefan Kühnis