Ist Discgolf ein Touristenmagnet? Die Regierung von Åland hat keinen Zweifel. Sie will die Inselgruppe zwischen Schweden und Finnland zum «grössten Discgolfpark der Welt» machen. Das Ziel: In jeder der 16 Gemeinden soll ein Discgolfkurs mit 9 bis 18 Löchern entstehen. Wobei «Löcher» nur einer von vielen Begriffen ist, die Discgolf vom bekannten Golf übernommen hat, mitsamt der Spielidee. Beim Discgolf geht es darum, mit einem Frisbee (markenrechtlich korrekter: eine Disc) einen Metallkorb zu treffen. «Discgolf ist ein Spass mit der Familie, Freunden oder Mitarbeitenden», heisst es auf der Website der Åland-Hotels. Mit elf eröffneten Parcours sei Åland schon jetzt ein Discgolfparadies – mit kostenloser Benützung der Anlagen und Discverleih an der Hotelrezeption.
Von Schweden an den Bielersee
Dass die skandinavische Inselgruppe auf Discgolf setzt, ist bezeichnend. Neben den USA und Kanada gehört Skandinavien zu den Epizentren des Sports. In Finnland stieg die Zahl der Discgolfkurse in den letzten 20 Jahren von 19 auf über 700. Ein solcher Parcours gilt hier als Standortvorteil, Sportgeschäfte verfügen über eigene Discgolfabteilungen mit den unterschiedlichsten Discs, die Spielerinnen und Spieler im Spezialrucksack mit auf ihre Runde nehmen.
«Eine coole Sache. Das wollten wir hier auch.»
Auch in Schweden gibt es «in fast jedem Dorf eine Discgolfanlage». Das jedenfalls war der Eindruck der Schweizerin Joana Wälti, die ein halbes Jahr dort lebte und die Idee mit an ihren heutigen Arbeitsplatz nahm, das Hotel Camping Sutz am Bielersee.
«Meine Kollegen in Schweden hatten immer ihre Discs dabei», erzählt Joana Wälti. «Man suchte Discgolfkörbe und spielte eine Runde. Eine coole Sache. Das wollten wir hier auch.» Seit zwei Jahren verfügt das Hotel Camping Sutz nun über einen eigenen Discgolfparcours mit 15 Körben. Gäste, aber auch Passantinnen und Passanten dürfen kostenlos spielen. Beim Start sind die Spielregeln angeschlagen und Pläne
«Viele haben das Bedürfnis, draussen an der frischen Luft aktiv zu sein.»
aufgelegt. «Viele probieren es aus, gerade auch Familien», sagt Initiantin Joana Wälti, die an der Rezeption arbeitet und die Gäste zum Spielen animiert. «Das Feedback ist sehr positiv. Es hat sich sicher gelohnt, die Anlage einzurichten. In der aktiven Vermarktung können wir aber noch zulegen.» Tipps für die Gestaltung des Discgolfkurses holte sich das Team des Hotel Campings Sutz beim Schweizer Disc Golf Verband (SDGV). Dort spricht man von einem Traum, der wahr wurde.
DISCGOLF: SO WIRD GESPIELT
Ziel des Spiels ist es, einen Discgolfkurs mit üblicherweise 9 oder 18 Bahnen mit möglichst wenigen Würfen zu absolvieren. Pro Bahn gibt es einen festgelegten Abwurfpunkt (Tee), von dem man die Disc in Richtung Fangkorb wirft. Wo fixe Körbe fehlen, eignen sich auch mobile, zusammenlegbare Körbe als Ziel – oder aber Bäume, Masten etc. Man spielt jeweils von dort weiter, wo die Disc gelandet ist. Nach dem Abwurf spielt weiter, wer am weitesten vom Ziel entfernt ist. Wichtig: Die Spielerinnen und Spieler nehmen Rücksicht auf Menschen, Tiere und Pflanzen und vergewissern sich vor dem Wurf, dass die Bahn frei ist. Die Länge der Bahnen beträgt 40 bis 250 Meter. Flächen neben dem Parcours können als Aus (OB, Out of bounds) definiert und so geschützt werden. Landet die Scheibe dort, wird ein Strafpunkt angerechnet.
Viele neue Discgolfkurse «Noch vor fünf, zehn Jahren träumten wir davon, dass es mehr Discgolfparcours in der Schweiz gibt», sagt SDGV-Präsident Mark Chardonnens. Denn die Zahl der Anlagen habe lange stagniert, bis auf die Hotspots Genf, Bern, Neuenburg, Basel, Zürich und Kreuzlingen habe sich in dieser «Randsportart der Randsportarten» wenig getan. Doch nun seien besonders in der Zentral- und Ostschweiz diverse neue Parcours entstanden oder in Planung. Aktuell sind es rund 30 Kurse und immer mehr Menschen entdecken den Sport für sich. Zum Wachstum habe auch Corona beigetragen, vermutet Chardonnes: «Viele hatten und haben das Bedürfnis, draussen an der frischen Luft aktiv zu sein.» Zu den neuen Parcours zählt der 18-Loch-Kurs in Samnaun (GR). Auch dort wurde die Idee importiert. Hotelier Patrick Heis trug sie in den Vorstand von Samnaun Tourismus und präsentierte auch gleich einen Finanzierungsvorschlag. So konnten 18 Hotels und Geschäfte als Korbsponsoren gewonnen werden. «In erster Linie wollen wir den Gästen eine Aktivität anbieten, die sich spontan und auch bei unsicherem Wetter gut ausüben lässt», sagt Bernhard Aeschbacher, Leiter Gäste-Information Samnaun. Die Bahnen auf dem Gelände des Vitaparcours, teils im lichten Wald, sind zwischen 31 und 77 Meter lang. «Sowohl
«Alle Gäste, die das Angebot ausprobiert haben, sind begeistert.»
für Anfänger wie auch für Geübte ist der Spielspass garantiert», heisst es auf der Website samnaun.ch. Die Anlage ist frei zugänglich, Discs können gegen ein Depot bei der Gäste-Information, den Sportgeschäften und den Korbsponsoren ausgeliehen werden. Diese Auswahl widerspiegelt die breite Unterstützung, die der Discgolfkurs von Beginn weg hatte, wie Bernhard Aeschbacher von der Tourismus Engadin Scuol Samnaun Val Müstair AG erklärt.
Zusätzliche Wertschöpfung
Die Behörden hätten das Projekt auf Gemeindeboden unterstützt, ebenso die betroffenen Bauern. Sie wurden bei der Platzierung der Körbe einbezogen und lassen während rund einer Woche pro Jahr weiterhin ihre Kühe auf dem Gelände weiden. Der Forst- und Werkdienst stellte gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern die Körbe auf und baute Abwurfstellen (Tees) mit Holzbalken und Holzschnitzeln. Die Gäste-Information setzte die grafischen Arbeiten um und übernahm die restlichen Projektkosten. Fertig war der Parcours, die neue Gästeattraktion. Mit einem Turnier und als Spielort der ersten Schweizer Discgolfwoche wurde die Anlage in Samnaun Mitte Juni 2021 eingeweiht, was bereits zu zusätzlichen Übernachtungen und damit zu Wertschöpfung im Tal führte. «Die Gäste sind begeistert», sagt Bernhard Aeschbacher und verrät: «Wir schmieden bereits Pläne, das Discgolfen in Samnaun weiterzuentwickeln.»
Im Gegensatz zum Hotel Camping Sutz, wo man den Discgolfkurs selbst gestaltete und die Körbe aus Schweden importierte, setzte Samnaun auf einen Komplettanbieter, der von der Beratung über das Parcoursdesign bis zur Materiallieferung alles übernahm. Dieses Modell «Gesamtpaket» war in Finnland der Schlüssel zum weltweit bestaunten Erfolg des Discgolfsports. Dort wurde es unter dem Namen DiscGolfPark professionalisiert. «Das ist wirklich Topniveau», sagt Verbandspräsident Mark Chardonnens, «aber das ist Finnland, im Discgolf eine Welt für sich.» Für die Schweiz komme wohl eher ein Anbieter wie Anders Golfen infrage. «Das Unternehmen ist in Österreich zuhause, da sind die Verhältnisse ja ähnlich wie bei uns.» So gibt es in Österreich Parcours, die von der Bergstation einer Bahn ins Tal führen. Das führt zu zusätzlichen Fahrten. Und dazu, dass selbst Wandermuffel den Weg ins Tal unter die Füsse nehmen.
SWISS DISC GOLF VERBAND
Der Swiss Disc Golf Verband (SDGV) ist die Dachorganisation der lokalen Discgolfvereine und der rund 150 lizenzierten Spielerinnen und Spieler in der Schweiz. Als Teil der Organisation Swiss Disc Sports ist der SDGV SwissOlympic angeschlossen. Mark Chardonnens (44) präsidiert den Verband seit 2017. Der CEO der Innovationsfabrik Innofactory AG ist seit 2006 begeisterter Discgolfer.
INTERVIEW
Mark Chardonnens Präsident Schweizer Disc Golf Verband (SDGV)
Eine Tourismusorganisation, ein Hotel- oder Gastrobetrieb überlegt sich, Discgolf als Attraktion anzubieten. Welches Vorgehen empfehlen Sie?
Zunächst sollten sie sich überlegen, wer ihre Zielgruppe ist. Will man die Leute wie mit einer Minigolfanlage ansprechen, dass sie also vor oder nach der Discgolfrunde noch etwas konsumieren, würde ich den Parcours so gestalten, dass man vom Gastrobetrieb aus zuschauen kann. Das motiviert zum Spielen und verbindet die Sportart mit dem Betrieb. Die Ausrichtung auf den Leistungssport ist interessant, wenn man mehrtätige Turniere veranstalten kann – mit 70 bis 120 Spielern, die eine Übernachtungsmöglichkeit suchen, abends essen wollen und vielleicht noch an der Bar sitzen bleiben. Dafür brauchts aber deutlich mehr Land, für 18 Löcher sind etwa zwei Kilometer reine Spielwege nötig. Für die Planung des Discgolfkurses würde ich mich an einen Komplettanbieter wenden und zunächst die Infrastrukturkosten eruieren. Mit relativ geringen Investitionen ist man dabei, so ab 10’000 Franken Budget lässt sich fast alles machen.
Stichwort Land: Der Restaurant- oder Hotelgarten reicht ja nicht für einen Discgolfkurs. Was kommt dafür überhaupt infrage?
Interessant sind Hindernisse, die man umpielen muss. Etwa Sträucher, Bäume, Gebäude oder topografische Unterschiede. Wichtig ist natürlich, dass man die entsprechenden Bewilligungen hat.
Viele Discgolfparcours befinden sich in Parkoder Sportanlagen, viel Land gäbe es naturgemäss auch in der Landwirtschaftszone. Passen Landwirtschaft und Discgolf zusammen?
Diese Kombination funktioniert gut. Hier ist aktive Kommunikation gefragt. Wir empfehlen, einfach mal mit den Bauern oder Grundbesitzern zu sprechen und ihnen Discgolf vor Ort vorzuführen. Oder noch besser: Sie gleich spielen lassen. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Es gibt Landwirte, die die Ränder ihrer Wiesen oder Wälder zum Spielen zur Verfügung stellen. Und es gibt solche, die sogar extra mähen. Manche möchten eine finanzielle Entschädigung, wenn sie einen Teil des Grases nicht nutzen können. Ein Restaurant könnte als Entschädigung natürlich auch gelegentliche Nachtessen offerieren.
Wie steht es mit Discgolf im Wald?
Wir als Verband hätten natürlich gerne, dass man im Wald spielen kann, weil das mit all den natürlichen Hindernissen interessant ist. Die Bestimmungen unterscheiden sich von Kanton zu Kanton und sind meist sehr restriktiv. Aktuell klären wir ab, ob Discgolfparcours entlang von Vitaparcours möglich wären, dort sind ja bereits Installationen vorhanden. In Samnaun hat es damit ja bereits geklappt (siehe Haupttext).
Was würden Sie Gastro-, Hotel- und anderen Tourismusunternehmen mit Interesse an Discgolf sonst noch mit auf den Weg geben?
Seien Sie mutig, probieren Sie aus! Es muss ja nicht gleich ein permanenter Parcours sein. Für den Anfang kann es auch ein Event mit mobilen Discgolfkörben tun. Dazu sagen Landeigentümer eher ja und man kann selbst schauen, ob und wie es funktioniert. Zu permanenten Parcours ist zu sagen, dass an vielen Orten regelmässig gespielt wird und sich zum Beispiel eine Sonntagsrunde etabliert hat. Wie ich die Discgolferinnen und -golfer kenne, konsumieren viele gerne noch etwas vor oder nach der Discgolfrunde – wenn die Möglichkeit vorhanden ist.