Mit und zu Brot Geschichten erzählen: der Tipp von Vereinspräsident Stephan Scheuner.
Gastronomie Tobias Fischer 11.10.2018

«Brot als Visitenkarte nutzen»

Wie der Verein Schweizer Brot Gastronomen für seine Sache gewinnen will.

Der Verein Schweizer Brot kämpft gegen Brotimporte und das fantasielose Brotkörbchen auf dem Beizentisch. Dazu hat er die Auszeichnung «Wir setzen auf Schweizer Brot» für Restaurants lanciert. Was bringt das?

Stephan Scheuner, dass bei Früchten und Fleisch die Schweizer Herkunft betont wird, ist nachvollziehbar: Jeder und jede sieht die Importprodukte im Laden. Bei einem so frischen Produkt wie Brot dagegen denkt der Durchschnittskonsument doch wohl kaum daran, dass es aus dem Ausland kommen könnte. Warum braucht es da überhaupt das Label «Wir setzen auf Schweizer Brot» für die Gastronomie?
Eine Konsumentenbefragung, die wir vom Verein Schweizer Brot in Auftrag gegeben haben, zeigt, dass nur die Hälfte der Befragten davon ausgehen, dass das Brot oder die Zutaten aus der Schweiz kommen. Dazu kommt, dass wir im Markt einen relativ grossen Anteil an Importen von Brot und anderen Backwaren sehen – Teiglinge und fertige Produkte. Ein Teil dieser Importe geht auch in die Gastronomie. Also sollte oder kann man hier aktiv werden, wenn man tatsächlich auf Schweizer Brot setzt. Der Gastronom soll dabei möglichst keinen Zusatzaufwand, aber einen Nutzen haben. Denn mit Brot aus der Schweiz, aus seiner Region, kann er sich von anderen Betrieben abheben und seine Kompetenz in Sachen Frische und Regionalität zum Ausdruck bringen. Ich bin überzeugt, dass hier viel Potenzial vorhanden ist.

«Dass Wirte explizit sagen, wir setzen jetzt
auf Brot aus der Schweiz, das ist neu.»

Aber denkt ein Gast im Restaurant wirklich daran, dass der Teigling für das Brot, das ihm serviert wird, aus dem Ausland kommen könnte? Bei etwas so Frischem geht man doch eher davon aus, dass es aus dem Dorf, der Region oder mindestens aus der Schweiz kommt. Müssen Sie Restaurantgästen zuerst erklären, dass das nicht immer so ist?
Eine Erklärung, dass es auch beim Brot Importe gibt, braucht es meiner Meinung nach nicht. Ich würde vielmehr zeigen, welche Produkte wir in der Schweiz haben und welchen Mehrwert sie den Konsumentinnen und Konsumenten bieten. Diese achten heute ja stark auf Regionalität, Gesundheit, Herstellungsmethoden, Hersteller – und natürlich auch auf Genuss. Diese Punkte würde ich in den Vordergrund stellen und aufzeigen, was man dafür tut, sei es, dass man mit einem Bäcker zusammenarbeitet, selbst Brot aus Schweizer Mehl herstellt ... Da gibt es x Varianten.

Wie viel Schweiz muss drin sein? Das war schon bei der ganzen Swissnessdebatte die zentrale Frage. Wie sieht es denn bei der Auszeichnung «Wir setzen auf Schweizer Brot» damit aus?
Das ist eine sehr technische Frage, die wir in der Branche sehr intensiv diskutiert haben und die Konsumentinnen und Konsumenten natürlich interessieren muss. Unsere Branche – also Produ­zenten, Müller, Bäcker und Detailhändler – hat sich darauf geeinigt, dass man die Swissnessvorgaben übernimmt. Das heisst zuerst einmal, dass 80 Prozent der Rohstoffe in einem Brot aus der Schweiz kommen müssen, damit man es Schweizer Brot nennen darf. Das Zweite ist, dass es zu 100 Prozent in der Schweiz verarbeitet wurde. Dann wurde beim Schweizer Brot ein dritter Aspekt dazugenommen: Die Rohstoffe müssen mindestens Suisse-Garantie-Qualität haben.

Im vergangenen März hat der Verein Schweizer Brot die Auszeichnung «Wir setzen auf Schweizer Brot» gemeinsam mit «Best of Swiss Gastro» lanciert, bis Ende April lief die Bewerbungsfrist für Gastronomen. Wie beurteilen Sie das Resultat?
Das war ein Versuchsballon mit dem Ziel, dass der Gastronom, der auf Schweizer Brot setzt, dies auch gegenüber dem Gast kommunizieren kann. Knapp 40 Betriebe haben eine Eingabe gemacht, das Label beantragt und nun die Auszeichnung «Wir setzen auf Schweizer Brot» erhalten. Sie können Schweizer Brot nun als Visitenkarte nutzen. Es war nicht unsere Erwartung, dass wir flächen­deckend alle Betriebe dafür gewinnen können. Es war ein Einstieg, und nun schauen wir, wie sich das weiterentwickelt.

40 Restaurants in der ganzen Schweiz: Das ist doch sehr bescheiden.
Das ist richtig, doch man muss auch sehen, dass für uns bei Weitem nicht alle Restaurants relevant sind. Sondern nur solche, bei denen die Themen Swissness oder Regionalität bereits Teil des Konzepts sind. Uns war bewusst, dass wir nicht tausende von Betrieben an Bord holen. Eben: Es ging um den Einstieg, um die Lancierung von etwas Neuem. Denn es gibt natürlich bereits viele Restaurants, die selbst backen und eine Brotkultur haben, aber dass Wirte explizit sagen, wir setzen jetzt auf Brot aus der Schweiz, das ist neu. Die Zielgruppe dieser Botschaft, die Schweizer Gastronomie, ist sehr gross. Wir dagegen sind eine kleine Organisation mit bescheidenen Mitteln. Also müssen wir Schritt für Schritt vorgehen: mal starten, dann weiterentwickeln.

«Den Millennials müssen wir zeigen, dass Brot ein gesundes und natürliches Produkt ist.»

Was sind denn die nächsten Schritte?
Für uns war immer klar: Wir wollen nicht einfach Auszeichnungen verteilen und dann die Hände in den Schoss legen. Wir möchten den Gastronomen zeigen, wie andere mit dem Thema Schweizer Brot umgehen – und so Ideen liefern. Die Betriebe, die nun mitmachen, wollen wir so ganz gezielt in unsere Kommunikation einbinden. Dabei stellen wir Köche, Küchenchefs und Betriebsleiter ins Zentrum und zeigen, was sie bezüglich Brot Spezielles tun, warum sie das machen und der Gast davon profitiert. Damit haben wir eine Win-Win-Situation: Der porträtierte Gastronom kann sich profilieren und wir haben Geschichten, die wir in der Kommunikation rund um das Brot und seinen Stellenwert in der Gastronomie verwenden können.

Schweizer Brot hat ein super Image, das hat Ihre Konsumentenbefragung gezeigt. Allerdings haben auch viele Befragte angegeben, sie hätten den Brotkonsum reduziert.
Ja, die Studie zeigt, dass der Brotkonsum – nach eigener Einschätzung – in der Tendenz stabil bis leicht rückläufig ist. Diese Eigeneinschätzung lässt jedoch keinen Schluss auf effektiv konsumierte Mengen zu. Die Studie belegt auch, dass den Konsumentinnen und Konsumenten wichtig ist, dass sie sich gesund ernähren können, das heisst auch: mit Brot. Bei zwei Dritteln der Konsumentinnen und Konsumenten ist der Brotkonsum stabil. Sie essen am Morgen eher das klassische Brot, am Mittag gehts Richtung Sandwich. Mindestens so relevant wie der Konsum ist für uns die Wahrnehmung des Brotes, sein Stellenwert in der Ernährung. Hier zeigt die Studie, dass Brot weiterhin als Grundnahrungsmittel wahrgenommen wird, dass man es als Energiespender sieht, als Quelle für Eiweiss, Mineralstoffe, Nahrungsfasern, Vitamine et cetera.

«Wir wollen nicht einfach Auszeichnungen verteilen und dann die Hände in den Schoss legen. »

Es gibt aber auch Bereiche, in denen wir sicher gefordert sind. Welche?
Den so genannten Millennials, den Jüngern, sind Themen wie Gesundheit, Natürlichkeit und Ernährung sehr wichtig. Auch ihnen müssen wir zeigen, dass Brot ein gesundes und natürliches Produkt ist. Hier gilt es, Vorurteile, die vielleicht bestehen, auszuräumen und glaubhaft aufzuzeigen, dass man Brot bedenkenlos verzehren kann. Da muss man sicher aktiv werden, sonst wird es enger.

Das Brot ist hier unter Druck, denn in vielen Diäten, für die sich Jüngere interessieren, werden Kohlen­hydrate ziemlich verteufelt. Und glutenfrei ist auch bei Menschen, die gar keine Intoleranz haben, ein Thema.
Diese Trends gibt es, und sie sind mit Wellen vergleichbar: Manchmal sind sie höher, manchmal tiefer. Wenn jemand von Zölliakie oder einer Allergie betroffen ist, gibt es keinen Spielraum, da muss auf Gluten verzichtet werden. Andere verzichten aber alleine deshalb auf glutenhaltige Lebensmittel und damit auf Brot, weil sie das Gefühl haben, sie würden sich und ihrem Körper damit etwas Gutes tun. Wir wollen zeigen, dass es dafür keine wissenschaftliche Evidenz gibt. Zudem gibt es auch Untersuchungen, die belegen, dass mit der entsprechenden Teigführung und mit Sauerteig ein bekömmlicheres, leicht verdauliches Brot hergestellt werden kann. Damit lässt sich die Behauptung, Brot verursache Bauchschmerzen, nicht halten – immer unter der Voraussetzung, man leidet nicht an einer Erkrankung. Also: Für einen gesunden Menschen gibt es keinen Grund, Brot oder Getreide aus der Ernährung zu streichen.

In anderen Trends liegen jedoch auch Chancen für das Brot, etwa im bereits erwähnten Trend zur Regionalität. In der Schweiz hat ja jede Region ihre Brotspezialitäten – eine Riesenchance für Ihre Branche. Könnte sie nicht besser genutzt werden?
Bei anderen Produkten, etwa bei Fleisch oder Gemüse, setzt die Gastronomie ja schon stark auf Regionalität: Fleisch vom lokalen Metzger oder direkt vom Bauern, Gemüse aus der Nachbarschaft. Warum soll man es nicht auch beim Brot so machen? Und vor ­allem: Warum soll man es nicht auch kommunizieren? Das ist doch eine tolle Botschaft: Schaut, ich habe nicht nur ein Spezial­brot, ich habe es vom lokalen Bäcker. Weil es mir wichtig ist, dass ich ihn unterstützen und regional etwas bewirken kann. Dass ich kurze Transportwege habe und auf Nachhaltigkeit setze. Konsumentinnen und Konsumenten suchen das Regionale, wollen zurück zur Nähe, zum Fassbaren. Da sehe ich es allgemein als grosse Chance für Gastronomen, wenn sie zeigen, was hinter ihren Angeboten steht: Warum mach ich das, was ich mache? Warum kaufe ich regional ein? Warum koche ich saisonal? Warum setze ich auf Schweizer Brot?

Sie empfehlen also, Hintergründe aufzuzeigen, Geschichten zu erzählen. Das Gegenteil wäre, einfach das berühmt-berüchtigte Brotkörbchen mit eingeschweissten, bereits leicht angetrockneten Brotscheiben auf den Restauranttisch zu stellen. Das muss für Sie ein Albtraum sein.
Schlimmer. Für mich ist das der Super-GAU in Sachen Brot! Das Erste, was im Restaurant auf den Tisch kommt, ist doch vielfach das Brot – allenfalls ergänzt mit Salz, Öl ... Wenn Sie hier schon etwas Positives zeigen und eine Geschichte erzählen können, haben Sie eine ganz andere Ausgangslage. Nutzt man das Brot als Visitenkarte, erhöht sich die Chance, dass der Gast wiederkommt und gut über einen spricht. Und was man auch nicht vergessen darf: Ein besseres, regionales Brot kostet vielleicht etwas mehr, doch mit einem speziellen Brotangebot kann sich der Gastronom profilieren und Wertschöpfung daraus generieren. Im Vergleich zu anderen Produkten kann man beim Brot auf diese Weise mit wenig Aufwand sehr viel herausholen.

«Für einen gesunden Menschen gibt es
keinen Grund, Brot oder Getreide aus
der Ernährung zu streichen.»

Ihre Antworten sind gespickt mit Empfehlungen für Gastronomen. Auf einen Nenner gebracht: Was ist Ihr wichtigster Tipp für Gastronomen, mal abgesehen davon, dass Sie in Ihrer Funktion selbstverständlich Schweizer Brot empfehlen?
Ich würde die Frische, die Kompetenz, die hinter dem Brot steckt, deutlich machen und als Bestandteil meiner Visitenkarte als Gastronom zeigen. Dazu gehört etwa die Überlegung: Wie präsentiere ich das Brot? Wie gehen ich und mein Personal mit Brot um, bis es auf dem Tisch ist? Wie sieht unsere Kommunikation rund um Brot aus? Hier würde ich investieren, denn damit kann man kostengünstig etwas erreichen. Kurz: Ich würde Brot als Visitenkarte meines Restaurants aufbauen, in einem stimmigen Gesamtrahmen.

Stephan Scheuner
Der Direktor der Branchenorganisation Swiss Granum ist Geschäftsführer des Vereins Schweizer Brot. Der Verein will durch Basis- und Marketingkommunikation den Stellenwert des Brotes erhöhen und so den Konsum von Brot und anderen Backwaren fördern. Mitglieder des Vereins sind der Schweizerische Getreideproduzentenverband (SGPV), der Dachverband Schweizerischer Müller (DSM) sowie der Schweizerische Bäcker-Confiseurmeister-Verband (SBC). Das Sekretariat wird im Mandat von Swiss Granum geführt, der Branchenorganisation für Schweizer Getreide, Ölsaaten und Eiweisspflanzen.

Weitere Informationen erhalten Sie hier:

Verein Schweizer Brot
Best of Swiss Gastro

Tobias Fischer

Autor: Tobias Fischer