Das Grand Resort Bad Ragaz bittet seine Gäste proaktiv um eine Hotelbewertung.
Hotellerie Laetitia Reiner 14.08.2023

Umgang mit negativen Hotelbewertungen

Im heutigen digitalen Zeitalter haben sich Hotelbewertungen zu einem essenziellen Instrument im Marketing entwickelt. Zwei führende Experten im Bereich Hotelbewertungen, Alexander Fritsch und Holger Sigmund von Servus Tourismuspartner, erläutern die Gründe hinter dieser Entwicklung und enthüllen gleichzeitig die Chancen, die sich selbst in negativen Bewertungen verbergen.

Vertrauen und Sicherheit sind immer mehr entscheidende Faktoren für Gäste bei der Wahl eines Hotels. In diesem Kontext haben sich Hotelbewertungen zu einem kraftvollen Instrument entwickelt, um Vertrauen aufzubauen und potenzielle Gäste zu überzeugen. Auch wenn laut Alexander Frisch von Servus Tourismuspartner die meisten Hotelbewertungen positiv ausfallen (über 80 Prozent im globalen Schnitt), ist insbesondere negativen Bewertungen die nötige Aufmerksamkeit zu schenken.

«Wir setzen voll und ganz
auf Online-Bewertungen.»

Michael Vogt
General Manager im Hotel Einstein in St. Gallen

Kommentar auf eine negative Bewertung hat für potenzielle Gäste grundsätzlich viel mehr Bedeutung als Kommentare auf positive Bewertungen. Die Qualität der Reaktion hat dabei oberste Priorität.

Möglichst viele Bewertungen

Gästebücher haben in den meisten Hotels ausgedient. «Wir setzen voll und ganz auf Online-Bewertungen. Ein Gästebuch ist sehr schön, aber nur inhouse ersichtlich», so Michael Vogt, General Manager im Hotel Einstein in St. Gallen. Der Nutzen von internen Fragebögen und Online-Bewertungen ist einfach viel grösser. Interne Gästebefragungen sind vor allem für das Qualitätsmanagement von Bedeutung, während externe Online-Bewertungen, die sich laut Fritsch hauptsächlich auf Portalen wie Booking.com, Google, TripAdvisor und HolidayCheck wiederfinden, hauptsächlich als Marketinginstrument dienen. Um negativen Bewertungen etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen, ist es für Hoteliers wichtig, möglichst viele Bewertungen zu erhalten. Eine Studie von TrustYou zeigt, dass es sich lohnt, Gäste nach einem Aufenthalt um eine Online-Bewertung zu bitten: Es ist dann dreibis sechsmal wahrscheinlicher, dass ein Gast tatsächlich ein Online-Feedback schreibt. Bei diesem proaktiven Handeln besteht natürlich die Gefahr, mehr negative Bewertungen zu erhalten. «Aus diesem Grund macht es Sinn, möglichst viele Bewertungen zu sammeln», sagt Holger Sigmund von Servus Tourismuspartner. «So erhalten Einzelmeinungen nicht so viel Gewicht.»

Fake-Bewertungen sind irrelevant

Um Fake-Bewertungen herauszufiltern, setzen renomierte Bewertungsportale wie TripAdvisor oder HolidayCheck laut Sigmund eine Kombination aus technischen Massnahmen und manueller Überprüfung ein. 

«Bisher sind wir uns keiner öffentlichen Fake-Bewertungen bewusst.»

Milos Colovic
General Manager des Grand Resort Bad Ragaz

Entscheidend ist dabei die Authentizität der Bewertung. Auch haben Hoteliers die Möglichkeit, Verdachtsfälle zu melden. Das Portal nimmt dann die Bewertung unter die Lupe und entfernt diese, sofern sie tatsächlich als Fake-Bewertung eingestuft wird. Sigmund kann beruhigen: «Laut unabhängigen Untersuchungen scheint nur ein kleiner Teil von Bewertungen (im einstelligen Prozentbereich) nicht authentisch zu sein.» Dies kann auch Milos Colovic, General Manager des Grand Resort Bad Ragaz, bestätigen: «Bisher sind wir uns keiner öffentlichen Fake-Bewertungen bewusst.» So ergeht es allen Hotels, die im Rahmen dieses Artikels durch Gastrofacts zum Thema befragt wurden.

Ungerechtfertigte Bewertungen ignorieren

Wenn eine schlechte Bewertung den Schnitt massiv negativ beeinflusst, ist es natürlich ärgerlich, insbesondere wenn es sich um ungerechtfertigte Kritik handelt. Aus Sicht von Fritsch lohnt es sich allerdings nicht, gegen ungerechtfertigte Bewertungen rechtlich vorzugehen. Die verlorene Zeit, der damit verbundene finanzielle Aufwand sowie der Ärger seien unverhältnismässig zum Nutzen. Oft gelte der Inhalt einer Bewertung als «freie Meinungsäusserung». Lediglich Beleidigungen oder die Nennung von Namen seien nicht erlaubt. Der Profi für Hotelbewertungen rät dazu, mit den Bewertungsportalen zusammenzuarbeiten und auf die AGB zu verweisen.

Negative Bewertungen können positiv sein

Ein älteres Paar, das sich über die vielen Kinder und den damit verbundenen Lärm im Poolbereich beschwert, kann einen Familienvater dazu bewegen, genau dieses Hotel zu buchen. Was von den einen als unangenehm empfunden wird, ist für die anderen allenfalls genau das, was sie in einer Hotelbewertung lesen wollen. Es ist also nicht per se jede negative Bewertung tatsächlich schlecht. 

«Bewertungen helfen uns, als Gastgeber die Erwartungen der Gäste sogar zu übertreffen.»

Thomas Goval
Acting General Manager im Bürgenstock Resort
Lake Lucerne, Obbürgen

«Hotelbewertungen helfen dabei, die ‹richtigen› Gäste zu finden, nämlich jene, die zum Hotel und seinem Angebot und zu seiner Infrastruktur passen», erklärt Fritsch. Zudem zeigen laut Sigmund Studien, dass ein völliges Fehlen von negativem Feedback von Nutzerinnen und Nutzern als unrealistisch eingeschätzt wird und abschreckend wirken kann. Wenn aber immer wieder derselbe Aspekt negativ beurteilt wird, müsse ein Betrieb aktiv werden und das Problem angehen. 

Ernst nehmen, aber nicht überbewerten

Negative Bewertungen sind ärgerlich – keine Frage. Doch sollten Hoteliers nicht in Panik verfallen. Angesichts der vielen Bewertungsportale, die es auf dem Markt gibt, ist die Beantwortung jeder einzelnen Bewertung mit viel Aufwand und folglich mit Ressourcen und Kosten verbunden. Daher ist es nicht allen Hotels möglich, sich Zeit für die Beantwortung der Feedbacks zu nehmen. Doch gilt hier eine wichtige Regel: «Bei der Beantwortung eines Gästekommentars stehen die Qualität sowie der Nutzen für potenzielle Gäste im Vordergrund», so Sigmund. Eine Studie der Cornell University bestätigt, dass gar nicht zu kommentieren sich immer noch besser auf Buchungen auswirkt als zu viel zu kommentieren. Die Studie empfiehlt eine Antwortquote von lediglich 40 Prozent. Selbstverständlich gibt es auch andere Studien, die eine höhere Antwortquote empfehlen. Sigmund empfiehlt einen gesunden Mittelweg: «Am besten ist es, alle negativen Bewertungen zu beantworten, weil dort das Potenzial am höchsten ist, in dem eine Situation erklärt wird.» Die perfekte Formel gibt es nicht. Da muss jedes Hotel ein Gespür dafür entwickeln. Ein ganz klares No-Go sind aber Standardantworten. Diese können potenzielle Gäste negativ beeinflussen und eine eigentlich schon beschlossene Buchung tatsächlich gefährden.

Hotelbewertungen sind die neue Mund-zu-Mund-Propaganda

Hotelbewertungen sind ganz klar zu einem starken Marketinginstrument avanciert. Potenzielle Gäste nutzen sie zur Orientierung bei der Suche nach Unterkünften und sie haben einen erkennbaren direkten Einfluss auf die Buchungsentscheidung. Dabei helfen gute sowie auch schlechte Bewertungen, die Erwartungshaltungen der potenziellen Hotelgäste zu nivellieren. «Gute Bewertungen und Weiterempfehlungen bringen Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit», so Fritsch. Die traditionelle, wichtige Mund-zu-Mund-Propaganda rutscht ins Internet und erhöht ihre Reichweite exponentiell. An Bewertungen auf Online-Plattformen wie Booking.com, Google oder TripAdvisor kommen die Gäste kaum vorbei. Daher ist es nicht überraschend, dass Menge und Qualität von Online-Bewertungen einen höheren Einfluss auf die Buchungsentscheidungen der Gäste haben als Rabatte oder Sonderpreise.

«Inzwischen sind Reisenden Online-Bewertungen wichtiger als Sterneklassifizierungen.»

Heinrich Toldo
CEO bei b_smart Hotels

Laut einer Studie der Universitäten in Florida und Peking war für 39 Prozent der rund 300 Befragten die Bewertungsanzahl am wichtigsten, gefolgt von der Bewertungsqualität (38 Prozent). Lediglich 23 Prozent der Befragten erachteten die Rabattstrategien als relevant.

Hotelbewertungen sind ganz klar eine Chance für Schweizer Hoteliers, Vertrauen zu gewinnen und Gäste zu begeistern. Eine proaktive Herangehensweise, angemessene, authentische und qualitativ hochwertige Reaktionen auf Bewertungen sowie eine strategische Präsenz auf den relevanten Plattformen sind entscheidend, um die Reputation zu stärken. Indem Hoteliers Hotelbewertungen als wertvolles Feedback und nicht als «Bedrohung» betrachten und entsprechend darauf eingehen, können sie ihre Gästeerfahrung kontinuierlich verbessern und langfristigen Erfolg erzielen. 

WAS SCHWEIZER HOTELIERS ZUM THEMA SAGEN

Hotelbewertungen werden nicht nur ernst genommen – sie sind zu einem essenziellen Bestandteil der Branche geworden.

Thomas Goval
Acting General Manager Bürgenstock Resort Lake Lucerne, Obbürgen
Heinrich Toldo
CEO b_smart-Hotelkette
1 Wir nehmen diese sehr ernst und besprechen jede Bewertung mit den betroffenen Abteilungen. Eine schnelle Reaktion ist uns wichtig. Deshalb kontaktieren wir auf jeden Fall den Gast, gerne auch telefonisch.1 Wir nehmen jede einzelne Bewertung ernst. Bei technischen Themen wird ein Ticket für das Technik-Team ausgelöst und das Problem sofort behoben. Ist es ein Service-Versäumnis, wird der entsprechende Prozess hinterfragt und gege- benenfalls adaptiert.
2 Das geschieht äusserst selten. Erweckt eine Bewertung Misstrauen, nehmen wir direkten Kontakt mit den Review-Portalen auf.2 Bisher ist dieses Thema für uns noch nicht von Bedeutung und ich hoffe, es bleibt dabei.
3 Vor allem sind das TripAdvisor und Google.3 Ganz klar Google und Booking.com. Oft sind diese beiden der erste Touchpoint eines Reisenden.
4 Ja, wir machen sie beim Check-out darauf aufmerksam und schicken ihnen dann eine Einladung via Link. So fällt es dem Gast besonders leicht, Feedback zu hinterlassen. Falls wir raushören, dass es nicht gewünscht ist, erhält der Gast keinen Link.4 Bisher noch nicht, allerdings ist die Pre- und After-Stay- Kommunikation bei uns ein wichtiges Thema und im Zuge dieser werden wir auch hier die Stimulation von Bewertungen verbessern.
5 Dass sie solche Feedbacks als Chance und nicht als Risiko/ Gefahr sehen und ihre zufriedenen Gäste dazu ermutigen, eine Bewertung zu schreiben. Bewertungen stellen aufgrund ihrer Authentizität und Glaubwürdigkeit eine grosse Hilfe für andere Gäste dar und ermöglichen uns als Gastgeber, die Erwartungen beim nächsten Aufenthalt sogar zu übertreffen.5 Hoteliers, die die Gästebewertungen heute noch nicht ernst nehmen, sollten unbedingt damit anfangen. Es ist erwiesen, dass klassische, reputationsbildende Bewertungen wie die Sterneklassifizierung in den letzten Jahren an Bedeutung verloren haben. Inzwischen sind Reisenden Online-Bewertungen sogar wichtiger.
Milos Colovic
General Manager Grand Resort Bad Ragaz
Michael Vogt
General Manager
Hotel Einstein in St. Gallen
1 Diese nehmen wir sehr ernst. Jede negative Gästebewertung sehen wir als konstruktives Feedback an. Sie sind ebenfalls eine Chance, unsere Serviceleistung in Zukunft zu optimieren.1 Konstruktive Gästebewertungen helfen uns, die Abläufe, die Qualität und die Infrastruktur laufend zu optimieren.
2 Bisher sind wir uns keiner öffentlichen Fake-Bewertungen bewusst. Wir kennen aber die Möglichkeiten, diese bei den unterschiedlichen Plattformen zu melden.2 Sehr selten und falls doch, können wir diese an die Portale melden und sie werden umgehend entfernt.
3 Neben den direkten Gäste-Feedbacks sind sicherlich TripAdvisor sowie Google führend. Weiter sind Bewertungsportale von Online Travel Agencies (OTA) wichtig.3 Das sind Google, TripAdvisor und Booking.com.
4 Gäste erhalten nach Abreise einen Fragebogen, vorausgesetzt ihre E-Mail-Adresse ist vorhanden. Bei ausserordentlich positivem mündlichem Feedback bitten wir die Gäste, dieses auch schriftlich mit uns zu teilen.4 Ja, wir holen einerseits Feedback über einen elektronischen Fragebogen ein und bitten andererseits die Gäste anschliessend, die Bewertung auch zu veröffentlichen.
5 Es ist wichtig, Gästefeedback innerhalb eines Tages zu beantworten, sowohl positives als auch negatives.5 Möglichst viele Bewertungen individuell zu beantworten, insbesondere die negativen. Damit strahlt der Betrieb Sicherheit aus und die Gäste wissen, dass Feedback ernst genommen wird.